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Obstbauern bangen um madenfreie Kirschen

Kirschen schmecken nicht nur uns Menschen, sondern beispielsweise auch der Made der Kirschfruchtfliege. Bisher konnten Obstbauern diese kleine Fliege im konventionellen Obstanbau mit einem Pflanzenschutzmittel unter Kontrolle halten, doch dessen Zulassung soll im nächsten Jahr auslaufen. Die Suche nach einem Ersatz für die alte chemische Keule hat bereits begonnen.

Von Christian Forberg | 11.07.2006
    Es ist eine halbzentimeter große Fliege, glänzend schwarz mit gelben Schildchen zwischen den Flügeln, die Verbrauchern den vollendeten Genuss verleidet und den Obstbauern das Leben schwer macht: die Kirschfruchtfliege. Wenn es warm wird im Juni, schlüpft sie aus der Puppe, die in der Erde liegt, sticht die schon weich gewordenen Kirschen an und legt bis zu 250 Eier – in jede Kirsche eines. Eine Kirschfruchtfliege kann drei Pfund Kirschen verderben. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, nimmt der Handel nur Kirschen ab, die maximal zu 2 Prozent von Maden befallen sind. Und der Verbraucher will eigentlich überhaupt keine Maden.

    Bis jetzt war das für den konventionellen Obstbau in Deutschland ein lösbares Problem, dank des Wirkstoffs Dimethoat. Er wird drei Wochen vor der Ernte gesprüht, damit er abgebaut ist, wenn die Kirschen verkauft werden. Dimethoat ist aber seit 2005 nicht mehr erlaubt und wird seitdem nur per Ausnahmeregelung zugelassen, weil es noch kein besseres Mittel gibt, sagt Eberhard Walther vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen. Erleichtert war er über die geringe Zahl der Kirschfruchtfliegen in diesem Jahr:

    "Wir hatten bisher sehr sehr geringen Befall, durch Gelbtafeln kontrollieren wir den Flug der Kirschfruchtfliege, im Gebiet hier ganz wenig Fliegen gefunden."

    Gelbtafel deshalb, weil die Kirschfruchtfliege im wahrsten Sinne des Wortes auf Gelb fliegt, und dann auf einer Leimschicht kleben bleibt. Eberhard Walther zu Ursachen für den geringen Befall:

    "Mag sicherlich an der Witterung liegen, dass wir weniger Befall haben. Aber es zeichnet sich schon seit etwa zwei Jahren ab, dass der Befall rückläufig ist. Ich hatte im letzten Jahr einen Versuch mit der biologischen Bundesanstalt, und wir konnten feststellen, dass wir sehr wenig Larven im Boden gefunden haben."

    Eine Entwarnung will er trotzdem nicht geben:

    "Die Larven der Kirschfruchtfliege können sehr viele Jahre im Boden überdauern, bis sie wieder aktiv werden und die Kirschen befallen, das können Zeiträume von 8-10 Jahren sein. Es kann durchaus möglich sein, dass die Kirschfruchtfliege jetzt ungünstigere Bedingungen vorfindet und daher die Larven einige Zeit überdauern."

    In der Biologischen Bundesanstalt Dossenheim und anderen Orts forscht man intensiv an Ersatzlösungen. Damit eine alternative Schädlingsbekämpfung zugelassen werden kann, sind jahrelange Versuche nötig. Gibt es aber nicht genügend Larven, könnte es zu falschen Aussagen kommen. Die Versuche werden unwirksam und sind zu wiederholen.

    Davon berichtet auch Peter Katz. Der promovierte Biologe und Unternehmer züchtet – gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt - im brandenburgischen Baruth eine Nematoden-, also Fadenwürmerart, die bereits die Larven im Boden tötet, so dass gar keine Fliegen die Kirschen befallen können:

    "Da haben Laborversuche gezeigt, dass eine gute Wirksamkeit erreicht wird, und im Moment sind wir dabei, Praxisversuche durchzuführen, um zu zeigen, ob diese Effekte auch unter Freilandbedingungen da sind und ob dann irgendwann am Ende ein praxisreifes Verfahren zur Verfügung steht."

    Die Freilandversuche führt Katz bei Quedlinburg durch. Hier waren die wenigen Kirschen im vergangenen Jahr voller Maden. Wahrscheinlich durch den strengen Winter wurden sie nahezu komplett getötet.
    Im kommenden Jahr kann eine neue Situation entstehen, wenn es einen milderen Winter gibt. Zudem bekommt die Kirschfruchtfliege dies Jahr weit mehr reife Kirschen angeboten, sagt die Obstbäuerin Karin Thünnissen aus der Kirschenstadt Witzenhausen bei Kassel:

    "Die Bäume hängen voll; die Qualität bei den älteren Sorten (gerade wenn die Bäume so voll hängen) ist nicht genügend, und da wird ein großer Teil auch hängen bleiben an den Bäumen. Das Problem: Dieses Jahr. hatten wir Spritzmittel, wie es nächstes Jahr aussieht, wissen wir nicht. Ne vermadete Kirsche kann man nicht vermarkten, und wenn kein Spritzmittel da ist, dann ist ab mittelspäten Kirschsorten keine Ernte mehr möglich."

    Was vor allem für die deutschen Obstbauern schlimm wäre. Für den Verbraucher weniger: der bekommt bereits jetzt viele seiner saftigen und vor allem großen Kirschen aus Südeuropa. Madenfrei, weil mit Pflanzenschutzmitteln gesprüht.