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Oceans 13, Pirates 3, Shrek 3, Harry Potter 5

Gestern abend: strömender Regen und kreischende Fans auf dem Leicester Square, der Londoner Kinomeile: gefeiert wurde die Filmpremiere von "Harry Potter und der Orden des Phönix", der fünfte Film der Reihe. Ein englischer Buchhändler sagt dazu: "Harry Potter ist eigentlich kein Buch mehr, es ist ein Marketing-Werkzeug". Eine Einschätzung, die sich auch im Hinblick auf die anderen Kinoserientitel bewahrheitet.

Von Rüdiger Suchsland |
    Piraten der Karibik 3, Shrek 3, Spiderman 3, Stirb langsam 4, Oceans 13 - Harry Potter 5, der ab kommender Woche auf dem Besen über die Kinoleinwände reitet, ist nur die Spitze eines Eisbergs. In den Kinos der Welt ist in diesem Sommer endgültig die Sequelitis ausgebrochen, die Fortsetzungsmanie. Und 2007 ist das Jahr der dritten Teile.

    Nicht immer sind da aller guten Dinge wirklich drei. Etwa "Shrek der Dritte" langweilt viele Fans der ersten Teile. Weil man es vermeintlich aber eben trotzdem "gesehen haben muss" sind solche Fortsetzungen aber wirtschaftlich eine sichere Bank für die angeschlagenen Groß-Studios, denen zuletzt an den Kinokassen oft die Felle wegschwammen.

    Zudem lockt das Publikum die wohlige Sicherheit in der Unübersichtlichkeit des Lebens. Man glaubt, nicht die Katze im Sack zu kaufen, sondern zu wissen, was einem im Kino bevorsteht.

    ""Harry Potter" ist einfach eine Marke. Dann gibt es halt Nummer 3 und 5 und 7. ... Man weiß dann schon: Folge 3 wird ziemlich ähnlich sein wie Folge 1 und 2 und man sucht diese Ähnlichkeit auch wieder. Man sucht Vertrautheit, man sucht Wiederholung. Es ist eine Sehnsucht nach einer Ritualisierung damit verbunden und damit, dass es Teil von einem wird. Das es zu einem gehört."

    Dies sagt der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich von der Karlsruher Hochschule für Gestaltung. In seinem Buch "Habenwollen. Wie funktioniert die Konsumkultur?" (S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2006) hat er zuletzt auf die Ähnlichkeiten von Kunstbetrieb und Warenwelt hingewiesen. Und Filme, und nicht nur sie, sind, so Ullrich eine Marke:

    " Marke heißt Vertrauensstiftung. Ich weiß genau, was mich erwartet, ich muss nicht die Angst haben, es wird der große Flop der Abend. Natürlich wenn das Marketing es schafft, mit dieser Marke wieder entsprechende Phantasien zu verbinden, dann heißt das, dass ich entsprechende Phantasien erzählt bekomme, dann bin ich besonders cool oder trendy. Deshalb: Wenn ich dann jedes Jahr wieder so nen "Harry Potter" Film konsumiere, dann kann das, was mit dieser Marke verbunden ist, auch auf mich übergehen. Das ist nicht nur irgend ein Stück Kultur. Es gehört zu mir. Und damit ist es eine Intensitätsstrategie, wenn man diese Fortsetzungen schafft."

    Der derzeitige Boom der Sequels im Kino ist aber darüber hinaus auch Indiz für einen grundsätzlichen Strukturwandel der Filmindustrie: Blockbuster werden Franchise-Produkte und funktionieren wie ein Label. Der Begriff des Franchising passt hier auch deshalb, weil die genannten Filme immer nur eine (und nicht immer zentrale) Säule in einer ganzen Produktpalette sind: für DVDs und Fernseh-Rechte, Soundtracks und Computerspiele, Figuren und anderes Spielzeug, Klamotten, Fast-Food- Happy Meals, etc sind sie vor allem gehobene Werbetrailer.

    Und Analog zur Kolonisierung der Innenstädte mit Franchise-Unternehmen wie zum Beispiel McDonalds, H&M, Saturn, werden auch immer mehr Kinos von immer weniger Filmen erobert - und über Wochen dominiert. In einem Multiplex läuft der selbe Film oft in drei, vier Kinos zugleich.

    Die "Sequelitis" und der Franchiseboom sind zugleich Ausdruck eines grundlegenden Wandels unserer Kultur. Auch Bestsellerautoren werden zunehmend zur Marke, und wenn zum Beispiel das das Guggenheim-Museum inzwischen sechs Filialen besitzt, der Louvre in Abu Dhabi eine Dependance aufmacht, oder das New Yorker MoMa über den Sommer in Berlin seine Impressionisten zeigt und dabei immer darauf achtet, dass der Name MoMa nicht vergessen wird, so ist das auch nichts prinzipiell anderes.

    Auch die Kunst globalisiert sich, und eine bekannte Marke bedeutet hier Umsatzgarantie. Und während die Macher ideenarm und risikoscheu lieber auf die sichere Bank setzen, ob Impressionisten oder Harry Potter, ist auch das Publikum zufrieden: Wenn sich das Immergleiche wiederholt, ist man immerhin vor störenden Überraschungen gefeit - allerdings auch vor Entdeckungen.

    Doch irgendwann geht es auch mit Harry Potter zu Ende und mit Ocean 22 muss man wahrscheinlich nicht rechnen.

    Noch einmal Wolfgang Ullrich:

    " Es gibt zwei Tendenzen. Das hat natürlich eine Uniformierung zur Folge. Franchise gibt es klare Regeln ... Es gibt andererseits genauso die Tendenz, dass die Künstler aus spezifischen Regionen eine besondere Chance haben Anselm Kiefer ist das Label für deutsche Kunst in Amerika oder Jeff Wall registrieren wir hier als den großen Kanadier. Grade das Regionale Lokale oder das Individuelle ... das hat auch seine Faszination."