Überblickt man die 25-jährige Geschichte des Jungen Theater Basel, fällt auf, dass erstaunlich viele dieser Laien anschließend im professionellen Schauspielgeschäft Fuß fassen konnten. Um nur zwei Namen zu nennen: Der in Berlin lebende Filmregisseur Dani Lévy oder Ueli Jäggi, heute tragendes Mitglied von Christoph Marthalers Zürcher Truppe und amtierender Schauspieler des Jahres, machten ihre ersten Bühnenschritte – übrigens beide vor genau 25 Jahren – beim Jungen Theater Basel. Dennoch: Der Erfolg dieses Jugendtheaters misst sich nicht in erster Linie daran, dass es auch als Katalysator von Schauspielkarrieren funktioniert. Ganz bewusst verzichtet man auf Castings für die Auswahl der Spieler. Die Akteure wachsen vielmehr aus den eigenen Theaterkursen heraus, die man jährlich für Jugendliche zwischen vierzehn und vierundzwanzig Jahren anbietet. Dadurch sind die Darsteller auf der Bühne kaum älter als das Zielpublikum auf der Zuschauerrampe. Das ist ein erster Grund für das Erfolgskonzept des Jungen Theaters: seine unglaubliche Authentizität. Es sind nicht die ganz jungen Regisseure, die sich hier ausprobieren dürfen. Ausprobieren dürfen sich die jungen Akteure. Und das tun sie mit einer so herzerwärmenden Frechheit, mit so viel kluger Naivität und Entdeckungslust, dass es gestandene Profis regelmäßig umhaut.
Ein zweiter Grund: Man vertraut auf den Reichtum des armen Theaters. Das bedeutet: Sparsamste Bühnenbilder, kaum Requisiten, aber viel Bewegung und direkte Körperlichkeit, Tempo und Musikalität. Für Georg Büchners "Leonce und Lena" genügen ein Bett, eine Schaukel, ein Kontrabass und zwei Spieler. Und jetzt switchen die doch tatsächlich ständig hin und her zwischen der Büchnerschen Kunstsprache und ihrem Schweizer Jugendslang-Dialekt! Und das Verrückte: Es funktioniert! Der Zufall wollte es, dass das Stück gleichzeitig auch am Theater Basel, dem größten und wichtigsten Dreispartenhaus der Schweiz, gespielt wurde. Keine Frage: Die flaumleichte Spritzigkeit der Federgewichte holte sich einen haushohen Sieg gegen eine verquälte Kunstanstrengung der Profis.
Damit sind wir beim dritten Erfolgsgrund: Das Junge Theater tat gut daran, sich bald nach der Gründung vor 25 Jahren aus dem Schosse des Stadttheaterbetriebs zu lösen und sich damit den Witterungsbedingungen auszusetzen, unter denen freie Gruppen zu überleben versuchen. Das verschaffte dem Jungen Theater ein eigenes Profil, und es geriet dadurch nie in Gefahr, sich als etwas lieblos behandelte 4. Sparte am Grossen Haus mit B-Produktionen über Wasser halten zu müssen, wie das an deutschen Stadttheatern nicht ganz so selten der Fall ist. Heute verfügt das Junge Theater Basel bei nur zweieinhalb festen Stellen über ein Gesamtbudget von rund einer halben Million Schweizer Franken, wovon knapp 60 Prozent durch staatliche Subventionen gedeckt sind.
Das alles sind wichtige Vorbedingungen. Aber sie nützen wenig, wenn die Gesamtdramaturgie nicht stimmt. Wenn da nicht auch die Stoffe und Ideen wären, die zwar immer das jugendliche Zielpublikum im Auge haben, aber nie in einem einengenden, gettoisierenden Sinn, sondern als Augen-, Herz- und Hirnöffner auf die innere und äußere Weite des Lebens. Das macht die Produktionen des Jungen Theaters seit Jahren auch für ein erwachsenes Publikum interessant. Ob Shakespeare, Beckett, Auftragsarbeiten von Jungautoren oder Eigenkreationen, ob traumwandlerisch poetisch oder aus der verstörenden Gegenwartrealität gegriffen wie beim Vergewaltigungsdrama "Die Schaukel" – dieses Theater versteht sich nicht als die Verlängerung der Schulstunde mit anderen Mitteln. Hier wird einem der Blick geöffnet auf eine komplexe, verwirrende, verzaubernde Welt. Da geht man mit mehr Fragen raus, als man hereingekommen ist.
Die Jubiläumsproduktion "Odysse 2003" in der Regie von Rafael Sanchez zeigt durchaus ein paar dieser Qualitäten und versucht dabei auch spielerisch die eigene Geschichte zu spiegeln. Die Odyssee ist hier eine Game-Show, wie wir sie aus dem Fernsehen kennen, und führt - zum Teil mit Witz und Drive, zu Fuß und per Tram - vom ursprüngliche Mutterhaus im Stadttheater hinüber zum heutigen Domizil im Kulturzentrum der ehemaligen Kaserne. Zu den besten Produktionen des Jungen Theaters gehört diese Jubiläumsanstrengung allerdings nicht. Zu sehr wird Homers "Odyssee" nur geplündert für oft doch eher banale Spielchen ohne Biss und zur etwas inhaltsleeren Demonstration eigener Fertigkeiten.
Aber keine Bange: Da hat man noch einen zweiten Pfeil im Jubiläumsköcher. Als Koproduktion mit dem Staatstheater Stuttgart hat Sebastian Nübling, auch er groß geworden mit dem Jungen Theater Basel und inzwischen einer der Shooting-Stars der Szene, kürzlich mit "Reiher" ein weiteres Stück mit den Basler Laien auf die Bühne gebracht. In Basel selber war das noch nicht zu sehen, aber wenn man der Presse glauben darf, ist es ein Bombenerfolg. Und sogar die Jury des Berliner Theatertreffens soll von der Inszenierung begeistert sein. Das allerdings ist Uwe Heinrich, dem umsichtigen Leiter des Jungen Theater Basel, eher unheimlich. "Denn in der Liga", sagt er ganz ohne Koketterie, "spielen wir eigentlich nicht."
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Ein zweiter Grund: Man vertraut auf den Reichtum des armen Theaters. Das bedeutet: Sparsamste Bühnenbilder, kaum Requisiten, aber viel Bewegung und direkte Körperlichkeit, Tempo und Musikalität. Für Georg Büchners "Leonce und Lena" genügen ein Bett, eine Schaukel, ein Kontrabass und zwei Spieler. Und jetzt switchen die doch tatsächlich ständig hin und her zwischen der Büchnerschen Kunstsprache und ihrem Schweizer Jugendslang-Dialekt! Und das Verrückte: Es funktioniert! Der Zufall wollte es, dass das Stück gleichzeitig auch am Theater Basel, dem größten und wichtigsten Dreispartenhaus der Schweiz, gespielt wurde. Keine Frage: Die flaumleichte Spritzigkeit der Federgewichte holte sich einen haushohen Sieg gegen eine verquälte Kunstanstrengung der Profis.
Damit sind wir beim dritten Erfolgsgrund: Das Junge Theater tat gut daran, sich bald nach der Gründung vor 25 Jahren aus dem Schosse des Stadttheaterbetriebs zu lösen und sich damit den Witterungsbedingungen auszusetzen, unter denen freie Gruppen zu überleben versuchen. Das verschaffte dem Jungen Theater ein eigenes Profil, und es geriet dadurch nie in Gefahr, sich als etwas lieblos behandelte 4. Sparte am Grossen Haus mit B-Produktionen über Wasser halten zu müssen, wie das an deutschen Stadttheatern nicht ganz so selten der Fall ist. Heute verfügt das Junge Theater Basel bei nur zweieinhalb festen Stellen über ein Gesamtbudget von rund einer halben Million Schweizer Franken, wovon knapp 60 Prozent durch staatliche Subventionen gedeckt sind.
Das alles sind wichtige Vorbedingungen. Aber sie nützen wenig, wenn die Gesamtdramaturgie nicht stimmt. Wenn da nicht auch die Stoffe und Ideen wären, die zwar immer das jugendliche Zielpublikum im Auge haben, aber nie in einem einengenden, gettoisierenden Sinn, sondern als Augen-, Herz- und Hirnöffner auf die innere und äußere Weite des Lebens. Das macht die Produktionen des Jungen Theaters seit Jahren auch für ein erwachsenes Publikum interessant. Ob Shakespeare, Beckett, Auftragsarbeiten von Jungautoren oder Eigenkreationen, ob traumwandlerisch poetisch oder aus der verstörenden Gegenwartrealität gegriffen wie beim Vergewaltigungsdrama "Die Schaukel" – dieses Theater versteht sich nicht als die Verlängerung der Schulstunde mit anderen Mitteln. Hier wird einem der Blick geöffnet auf eine komplexe, verwirrende, verzaubernde Welt. Da geht man mit mehr Fragen raus, als man hereingekommen ist.
Die Jubiläumsproduktion "Odysse 2003" in der Regie von Rafael Sanchez zeigt durchaus ein paar dieser Qualitäten und versucht dabei auch spielerisch die eigene Geschichte zu spiegeln. Die Odyssee ist hier eine Game-Show, wie wir sie aus dem Fernsehen kennen, und führt - zum Teil mit Witz und Drive, zu Fuß und per Tram - vom ursprüngliche Mutterhaus im Stadttheater hinüber zum heutigen Domizil im Kulturzentrum der ehemaligen Kaserne. Zu den besten Produktionen des Jungen Theaters gehört diese Jubiläumsanstrengung allerdings nicht. Zu sehr wird Homers "Odyssee" nur geplündert für oft doch eher banale Spielchen ohne Biss und zur etwas inhaltsleeren Demonstration eigener Fertigkeiten.
Aber keine Bange: Da hat man noch einen zweiten Pfeil im Jubiläumsköcher. Als Koproduktion mit dem Staatstheater Stuttgart hat Sebastian Nübling, auch er groß geworden mit dem Jungen Theater Basel und inzwischen einer der Shooting-Stars der Szene, kürzlich mit "Reiher" ein weiteres Stück mit den Basler Laien auf die Bühne gebracht. In Basel selber war das noch nicht zu sehen, aber wenn man der Presse glauben darf, ist es ein Bombenerfolg. Und sogar die Jury des Berliner Theatertreffens soll von der Inszenierung begeistert sein. Das allerdings ist Uwe Heinrich, dem umsichtigen Leiter des Jungen Theater Basel, eher unheimlich. "Denn in der Liga", sagt er ganz ohne Koketterie, "spielen wir eigentlich nicht."
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