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OECD-Experte: Einsatz von Biosprit hilft dem Klima nur wenig

Dass in Sachen CO2-Ausstoß Handlungsbedarf besteht, das wagt seit der Veröffentlichung des jüngsten UN-Klimaberichts kaum einer zu bezweifeln. So wurden bereits Vorschläge laut, auf den verstärkten Einsatz von Biokraftstoffen zu setzen. Doch laut Stefan Tangermann, Direktor für Handel und Landwirtschaft bei der OECD in Paris, lohnt sich dieser Schritt kaum.

Moderation: Jule Reimer |
    Jule Reimer: Stefan Tangermann ist Direktor für Handel und Landwirtschaft bei de OECD in Paris. Herr Tangermann: Welchen Beitrag kann der Einsatz von Biosprit zum Klimaschutz leisten?

    Stefan Tangermann: Dieser Beitrag ist recht gering, viel geringer, als die meisten glauben, und zwar deshalb, weil eine große Menge an fossiler Energie verwendet wird, um die agrarischen Produkte herzustellen, aus denen dann Biosprit gemacht wird. Etwa 80 Prozent dessen, was an Energie entsteht durch solche landwirtschaftlichen Produkte, wird zunächst mal in fossiler Energie reingesteckt, und das heißt, man gewinnt verhältnismäßig wenig.

    Reimer: Sie zitieren als Rentabilitätsschwelle für Europa einen Rohölpreis von über 100 Dollar und sagen, die Möglichkeiten für die Ausweitung des Anbaus für Energiepflanzen werden überschätzt. Wie kommen Sie zu diesen beiden Schlüssen?

    Tangermann: Es geht zunächst mal tatsächlich auch darum, im Kopf zu haben, dass wir hier über eine wirtschaftliche Aktivität sprechen, und da muss man sich fragen, ob eigentlich Biosprit kostengünstig erzeugt werden kann, und das ist eben nicht der Fall. Beim heutigen Rohölpreis können deutsche Bauern einfach nicht mit den Scheichs konkurrieren. 100 Dollar für das Fass Rohöl, das ist sogar noch eigentlich die untere Schwelle, denn, je teurer das Rohöl wird, umso teurer werden auch die Pflanzenschutzmittel und die Düngermittel, mit denen man die landwirtschaftlichen Produkte erzeugt, die dann umgewandelt werden. Mit anderen Worten: Wir sind ziemlich weit entfernt von der Schwelle, bei der europäische Agrarprodukte wirklich wettbewerbsfähig werden könnten mit dem Erdöl, das die Scheichs produzieren.

    Reimer: Und Sie sagen, die Flächen würden auch wahrscheinlich gar nicht ausreichen?

    Tangermann: Die Flächen, die wir zur Verfügung haben, würden eine ziemlich begrenzte Produktion von Biosprit erlauben. Wenn man 10 Prozent allen Kraftstoffs, der bei uns in Fahrzeugen verwendet wird, ersetzen wollte durch Biosprit, dann bräuchte man ungefähr ein Drittel der bisherigen Nutzfläche. Das ist ja aber nicht Nutzfläche, die brachgelegen hat. Da sind ja Nahrungsmittel mit produziert worden. Mit anderen Worten: Je mehr wir an Mais, an Zucker in den Tank tun, umso teurer werden die Lebensmittel, die die Leute kaufen wollen.

    Reimer: Das heißt, die Verbraucher müssen sich weltweit auf höhere Lebensmittelpreise einstellen?

    Tangermann: Das ist genau die Folge, und wir sehen das jetzt im Augenblick schon. Viele von den Hörern haben möglicherweise davon gehört, dass in Mexiko zur Zeit beinahe eine Revolution ausbricht, weil die Preise für Mais, aus dem eben das Grundnahrungsmittel Tortilla da hergestellt wird, stark angestiegen sind. Der Hintergrund dazu ist, dass in den USA so viel Mais in den Tank wandert, und Mais in den Tank heißt weniger Tortillas für die Mexikaner, und das regt die ziemlich auf.

    Reimer: Es gibt Entwicklungsländer, Schwellenländer wie Brasilien, aber auch Indonesien, die rechnen sich große Chancen auf dem Markt für Biosprit aus. Trifft das zu?

    Tangermann: Brasilien ist tatsächlich ein Fall, der ganz anders gelagert ist als in Europa, denn in Brasilien kann man schon heute Ethanol, also eine besondere Art von Biosprit kostengünstig herstellen. Das geschieht aus Zuckerrohr, und die Brasilianer können tatsächlich mit den Scheichs konkurrieren, wenn es um den Ersatz von Erdöl geht. Das ist möglicherweise in einigen asiatischen Ländern, wo Palmöl produziert wird, auch der Fall. Da ist es nicht ganz so sicher mit der Wirtschaftlichkeit wie in Brasilien, aber Brasilien ist eindeutig jetzt der Weltmarktführer, was die Erzeugung von Biosprit angeht.

    Reimer: Sind denn in Ihren Betrachtungen die externen Kosten wie zum Beispiel erhöhte Umweltzerstörung in der Amazonasregion, beziehungsweise in Indonesien wissen wir auch, dass offenbar Wälder abgeholzt werden, um solche Plantagen anzulegen, sind die in Ihren Betrachtungen bereits reingerechnet?

    Tangermann: Sie haben vollkommen Recht, dass das eine Gefahr ist sowohl in Brasilien als auch in Teilen von Asien. Wir dürfen aber nicht ganz aus dem Auge die Tatsache lassen, dass in Brasilien selber dieses Problem inzwischen deutlich erkannt ist und die brasilianische Regierung eine Menge tut, um dafür zu sorgen, dass dieses weitere Abholzen von Regenwald im Amazonasgebiet nicht voranschreitet.

    Reimer: Blicken wir noch mal zurück nach Europa: Gilt Ihre Skepsis gegenüber europäischer Biospritproduktion aus nachwachsenden Rohstoffen aus Pflanzen auch für die Erzeugung von Strom aus Biogas?

    Tangermann: Das ist ein bisschen anders gelagert, denn da geht es um die Verwertung von Abfallstoffen, und die ist im Grundsatz wirtschaftlich, weil es einfach keine andere Verwendung für diese Rohstoffe gibt. Das Gleiche wäre auch der Fall ,wenn es eines Tages gelingt, Stroh oder Holz oder andere Abfallstoffe wirtschaftlich zu verwerten durch die Herstellung von Biogas oder von Biosprit. Davon ist allerdings die Technik noch ein ganzes Stück weit entfernt. Es ist zwar technisch möglich, diese Umwandlung vorzunehmen, aber diese Rohstoffe der so genannten zweiten Generation sind bisher ebenfalls noch nicht wirtschaftlich.

    Reimer: Wenn Sie die Bundesregierung direkt beraten würden, tun Sie ja nicht, weil Sie bei der OECD sind, aber die OECD hat natürlich auch indirekt eine Beratungsfunktion für die Regierungen, die dort Mitglied sind, was würden Sie denn der Ministerriege Seehofer, Gabriel, Schawan und Glos empfehlen?

    Tangermann: Wir empfehlen in der Tat den Regierungen unserer Mitgliedsländer, die ja auch unseren Rat haben wollen, dass sie die Technologieentwicklung fördern sollen, denn es ist in der Tat ja vorstellbar, dass in den nächsten Jahren der Rohölpreis weiter steigt, und es ist ganz genauso auch vorstellbar, dass mit erweiterter technischer Entwicklung, insbesondere im Hinblick auf die Verwendung dieser Rohstoffe der so genannten zweiten Generation, dann auch tatsächlich Wirtschaftlichkeit erreicht werden kann. Aber dazu muss in die Technologieentwicklung, in die Forschung weiter Geld reingesteckt werden, und das Geld, das dort hineingesteckt wird, ist sehr viel besser verwendet als das Geld, das für die Subventionierung der Verwendung von Mais, Zucker und Raps zur Herstellung von Biosprit aufgewendet wird.

    Reimer: Das Gespräch mit Stefan Tangermann, Direktor für Handel und Landwirtschaft bei der OECD in Paris, haben wir vor dieser Sendung aufgezeichnet.