Kate Maleike: Seit Tagen ist PISA in aller Munde. Und genauso lange schon wird über die richtige Interpretation der Daten gestritten. Über die Methoden, aber auch über die Veröffentlichungspraktiken. Besonders Andreas Schleicher, der internationale PISA-Koordinator bei der OECD, steht in der Kritik, denn er hatte der deutschen Bildungspolitik quasi die Feierstimmung verdorben. Aus den relativen Rankings der OECD-Staaten, sagte er, ließen sich keine Rückschlüsse auf die Verbesserung der Bildungsleistung ziehen. Und nun fordern unionsgeführte Bundesländer seinen Rücktritt. Die OECD stellt sich jedoch demonstrativ vor ihn, er genieße uneingeschränktes Vertrauen, hieß es in einer Stellungnahme. Man bedauere, dass die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der OECD im Bereich Bildungsanalysen dadurch völlig unnötig belastet würde. Heino von Meyer leitet das OECD-Büro in Berlin und war heute Morgen auch bei der PISA-Pressekonferenz dabei. Guten Tag, Herr von Meyer!
Heino von Meyer: Guten Tag, Frau Maleike!
Maleike: Herr Schleicher war ja heute gar nicht anwesend. War er trotzdem Gesprächsthema?
von Meyer: Die OECD hat heute weltweit ihre neue PISA-Studie vorgestellt. In Tokio hat es der Generalsekretär gemacht, Andreas Schleicher war in Washington, ich hab's in Berlin gemacht, und gleichzeitig ist es auch in Brüssel und London und Paris passiert. Also PISA ist nicht eine One-Man-Show. Dass Schleicher nicht hier war, hat sicher keine Hintergründe in dem, was Sie in der Anmoderation schon deutlich gemacht haben.
Maleike: Was sagen Sie denn zu den immer noch im Raum stehenden Rücktrittsforderungen? Die hessische Kultusministerin Karin Wolff hat das heute noch mal bestärkt und hat gesagt, Schleichers erneute Kritik am deutschen Schulsystem reihe sich in eine Kette früherer Äußerungen, und sie empfindet das als relativ unerträglich.
von Meyer: Es gibt keinen Anlass, in Rücktritten zu spekulieren. Fakt ist, dass es eine Vorveröffentlichung von Teilergebnissen von PISA gegeben hat. Hier hat Schleicher als PISA-Koordinator deutlich gemacht, dass das nicht in Ordnung ist, und er hat gleichzeitig deutlich gemacht, wie die jetzt dann veröffentlichten Ergebnisse zu interpretieren sind. Und hier hat er klargestellt, dass diese Ergebnisse nicht interpretiert werden können im Sinne einer Verbesserung. Damit liegt Schleicher 100 Prozent auf der Linie des wissenschaftlichen Steuerungsgremiums.
Maleike: Ich höre daraus, dass Sie finden, dass die Reaktionen aus Deutschland, besonders aus den Reihen der Politik, übertrieben sind?
von Meyer: Die sind völlig unangemessen und sachlich nicht begründet.
Maleike: Wie viel Porzellan ist denn jetzt zerschlagen zwischen Deutschland und der OECD? Es wurde ja auch immer mal wieder angedroht in den letzten Tagen, dass man komplett aus PISA aussteigt.
von Meyer: Also, wir zerschlagen kein Porzellan, wir liefern unsere Analysen für 57 Länder im PISA-Bericht, insbesondere für die 30 OECD-Mitgliedstaaten. Dass einige deutsche Bildungspolitiker hier in Kommentaren über das Ziel hinausschießen, müssen wir nicht weiter kommentieren.
Maleike: Aber es belastet doch Ihre Arbeit?
von Meyer: Die Arbeit wird dadurch nicht belastet. Was belastet wurde, ist sicherlich die Kommunikation der Ergebnisse und das völlig unnötig, weil gerade diesmal die Ergebnisse für Deutschland durchaus im Bereich Naturwissenschaften erstmals erfreulich sind. Deutschland erreicht erstmals ein überdurchschnittliches PISA-Resultat, das ist Anlass zur Freude, aber in den beiden anderen Bereichen Lesen und Mathematik ist Deutschland nach wie vor nur im Mittelfeld, also OECD-Durchschnitt, und das kann auf Dauer nicht befriedigen.
Maleike: Finden Sie es eigentlich in Ordnung, dass man rund um die Schleicher-Personalie jetzt auch vonseiten der deutschen Bildungspolitik gefordert hat, dass die OECD bitte schön ja nur die Studie liefere, also die Daten und Fakten, dass aber die Interpretation und die Reformen, die daraus entstehen, bitte schön Sache der Bildungspolitik bleiben soll?
von Meyer: Die OECD untersucht zum einen die Leistungsergebnisse der Schüler, und sie schaut dann an, welche sonstigen Erklärungsvariablen denn dazu beitragen, zu erklären, warum es große Leistungsunterschiede zwischen und innerhalb der Länder gibt. Und gerade hier ist in Deutschland ja das Fakt, dass die Chancengleichheit ein großes Problem des deutschen Schulsystems bleibt. Das lässt sich empirisch nachweisen, das festzustellen, ist noch nicht ein Eingriff in die politische Entscheidungsfreiheit von Mitgliedstaaten.
Maleike: Herr von Meyer, sind eigentlich aus anderen Ländern ähnliche so heftige Reaktionen wie hier in Deutschland bekannt, oder ist das ein rein deutsches Phänomen?
von Meyer: Es gibt durchaus auch in anderen Ländern lebhafte Diskussionen. Es hat gerade auch im Vorfeld in unserem Nachbarland Österreich eine sehr lebhafte Debatte gegeben. Es ist, erinnere ich aus früheren Veröffentlichungen, in Mexiko und anderen Ländern ebenfalls zu deutlichen Debatten gekommen. Aber ich will Ihnen eines sagen: Was will die OECD? Natürlich wollen wir nationale Debatte, und wenn diese nationale Debatte auf der Basis vernünftiger, belastbarer, wissenschaftlich fundierter Informationen geführt wird, dann ist das genau das, was wir wollen. Denn wir wollen damit ja Verbesserungen und Reformen im politischen Bereich anstoßen.
Maleike: Ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Heino von Meyer war das, der Leiter des OECD-Büros in Berlin.
Heino von Meyer: Guten Tag, Frau Maleike!
Maleike: Herr Schleicher war ja heute gar nicht anwesend. War er trotzdem Gesprächsthema?
von Meyer: Die OECD hat heute weltweit ihre neue PISA-Studie vorgestellt. In Tokio hat es der Generalsekretär gemacht, Andreas Schleicher war in Washington, ich hab's in Berlin gemacht, und gleichzeitig ist es auch in Brüssel und London und Paris passiert. Also PISA ist nicht eine One-Man-Show. Dass Schleicher nicht hier war, hat sicher keine Hintergründe in dem, was Sie in der Anmoderation schon deutlich gemacht haben.
Maleike: Was sagen Sie denn zu den immer noch im Raum stehenden Rücktrittsforderungen? Die hessische Kultusministerin Karin Wolff hat das heute noch mal bestärkt und hat gesagt, Schleichers erneute Kritik am deutschen Schulsystem reihe sich in eine Kette früherer Äußerungen, und sie empfindet das als relativ unerträglich.
von Meyer: Es gibt keinen Anlass, in Rücktritten zu spekulieren. Fakt ist, dass es eine Vorveröffentlichung von Teilergebnissen von PISA gegeben hat. Hier hat Schleicher als PISA-Koordinator deutlich gemacht, dass das nicht in Ordnung ist, und er hat gleichzeitig deutlich gemacht, wie die jetzt dann veröffentlichten Ergebnisse zu interpretieren sind. Und hier hat er klargestellt, dass diese Ergebnisse nicht interpretiert werden können im Sinne einer Verbesserung. Damit liegt Schleicher 100 Prozent auf der Linie des wissenschaftlichen Steuerungsgremiums.
Maleike: Ich höre daraus, dass Sie finden, dass die Reaktionen aus Deutschland, besonders aus den Reihen der Politik, übertrieben sind?
von Meyer: Die sind völlig unangemessen und sachlich nicht begründet.
Maleike: Wie viel Porzellan ist denn jetzt zerschlagen zwischen Deutschland und der OECD? Es wurde ja auch immer mal wieder angedroht in den letzten Tagen, dass man komplett aus PISA aussteigt.
von Meyer: Also, wir zerschlagen kein Porzellan, wir liefern unsere Analysen für 57 Länder im PISA-Bericht, insbesondere für die 30 OECD-Mitgliedstaaten. Dass einige deutsche Bildungspolitiker hier in Kommentaren über das Ziel hinausschießen, müssen wir nicht weiter kommentieren.
Maleike: Aber es belastet doch Ihre Arbeit?
von Meyer: Die Arbeit wird dadurch nicht belastet. Was belastet wurde, ist sicherlich die Kommunikation der Ergebnisse und das völlig unnötig, weil gerade diesmal die Ergebnisse für Deutschland durchaus im Bereich Naturwissenschaften erstmals erfreulich sind. Deutschland erreicht erstmals ein überdurchschnittliches PISA-Resultat, das ist Anlass zur Freude, aber in den beiden anderen Bereichen Lesen und Mathematik ist Deutschland nach wie vor nur im Mittelfeld, also OECD-Durchschnitt, und das kann auf Dauer nicht befriedigen.
Maleike: Finden Sie es eigentlich in Ordnung, dass man rund um die Schleicher-Personalie jetzt auch vonseiten der deutschen Bildungspolitik gefordert hat, dass die OECD bitte schön ja nur die Studie liefere, also die Daten und Fakten, dass aber die Interpretation und die Reformen, die daraus entstehen, bitte schön Sache der Bildungspolitik bleiben soll?
von Meyer: Die OECD untersucht zum einen die Leistungsergebnisse der Schüler, und sie schaut dann an, welche sonstigen Erklärungsvariablen denn dazu beitragen, zu erklären, warum es große Leistungsunterschiede zwischen und innerhalb der Länder gibt. Und gerade hier ist in Deutschland ja das Fakt, dass die Chancengleichheit ein großes Problem des deutschen Schulsystems bleibt. Das lässt sich empirisch nachweisen, das festzustellen, ist noch nicht ein Eingriff in die politische Entscheidungsfreiheit von Mitgliedstaaten.
Maleike: Herr von Meyer, sind eigentlich aus anderen Ländern ähnliche so heftige Reaktionen wie hier in Deutschland bekannt, oder ist das ein rein deutsches Phänomen?
von Meyer: Es gibt durchaus auch in anderen Ländern lebhafte Diskussionen. Es hat gerade auch im Vorfeld in unserem Nachbarland Österreich eine sehr lebhafte Debatte gegeben. Es ist, erinnere ich aus früheren Veröffentlichungen, in Mexiko und anderen Ländern ebenfalls zu deutlichen Debatten gekommen. Aber ich will Ihnen eines sagen: Was will die OECD? Natürlich wollen wir nationale Debatte, und wenn diese nationale Debatte auf der Basis vernünftiger, belastbarer, wissenschaftlich fundierter Informationen geführt wird, dann ist das genau das, was wir wollen. Denn wir wollen damit ja Verbesserungen und Reformen im politischen Bereich anstoßen.
Maleike: Ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Heino von Meyer war das, der Leiter des OECD-Büros in Berlin.