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Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Mehr direkte Demokratie wagen?

Wie werden Gebühren ausgegeben? Und mit welchen Inhalten Sendungen gestaltet? In Deutschland wird der Ruf an einer stärkeren Mitbestimmung des Publikums im öffentlich-rechtlichen Rundfunk laut. Dafür gibt es Vorbilder.

Von Dominik Schottner | 13.11.2017
    Auf einem Tisch liegt ein Überweisungsschein für den Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio.
    Auf einer Website stimmen Nutzer darüber ab, wie sie ihren Beitrag ausgeben würden. (picture-alliance / dpa / Arno Burgi)
    Wie es aussieht, wenn Gebührenzahler die Rundfunkgebühren nach ihrem Geschmack verteilen, zeigt die Website rundfunk-mitbestimmen.de. Programmiert hat sie unter anderem der Softwareentwickler Robert Schäfer. Schlicht, um zu testen, was möglich ist:
    "Man hat sein virtuelles Budget von 17,50 Euro. Und man wählt Sendungen aus. Das heißt, man meldet sich an, dann werden einem Sendungen vorgeschlagen und dann wählt man die aus, die man unterstützen möchte. Und wenn man genügend Sendungen unterstützt hat, kann man sein Budget auf diese Sendungen verteilen," so Robert Schäfer.
    730 Nutzer haben bislang rund 10.000 Gebühreneuro auf öffentlich-rechtliche Sendungen verteilt. Mit gut 3.000 Euro ist Game Two Spitze, eine Computerspielesendung bei Funk, dem Jugendangebot von ARD und ZDF.
    Aber warum Game Two? Robert Schäfer, Initiator von rundfunk-mitbestimmen, erklärt es: "Die haben uns auf Reddit geteilt und dann sind auf einmal ganz viele Leute auf die Seite gekommen und haben für Game Two abgestimmt."
    Und das ist das Problem von rundfunk-mitbestimmen.de: Denkt man die durchaus zeitgemäße Idee, dem Publikum die Budgethoheit zu überlassen, zu Ende, landet man irgendwann bei Missbrauch und Kampagnen. Das, sagt die Medienwissenschaftlerin Christine Horz von der Ruhr-Universität Bochum, sei nicht gewollt, Stichwort Bildungsauftrag.
    Christine Horz: "Die Idee ist ja, dass man mit Sachen konfrontiert wird, die einen nicht so auf den ersten Blick interessieren, sondern überraschen oder erhellen."
    Wirkliche Mitbestimmung nur in den Rundfunkgremien
    Horz betreibt seit vier Jahren die Website publikumsrat.de. Dort fordert sie mit Forscherkolleginnen und -kollegen, die Beitragszahler stärker in die Programmgestaltung miteinzubeziehen:
    "Einmal auf der regulatorischen Ebene, das wären also wirklich Mitbestimmung, Mitbeteiligung in den Rundfunkgremien. Und dann würde ich die Inhaltsebene ansprechen, da würde es dann um Programminhalte gehen. Die dritte Ebene wäre für mich die soziale Ebene, da würde es auch um Rundfunkbeiträge gehen."
    Horz hatte das auch bei den zehn Thesen zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien untergebracht, bislang ohne Erfolg. Sind die Rundfunk- und Fernsehräte, die vorgeben, die Gesellschaft und damit das Publikum abzubilden, vielleicht schon zu sehr Teil des Systems, das sie kontrollieren sollen? Ja, sagt Christine Horz. Da sei aber noch etwas: "Die Rundfunk-und Fernsehräte sollen ja die Bürger und Allgemeinheit vertreten. Nun leben wir aber in anderen Zeiten als noch vor 60 Jahren. Menschen möchten sich vielleicht nicht so sehr vertreten lassen, sondern sie möchten auch mit involviert sein."
    Schweizer Gremium gilt als Vorbild
    Und damit sind wir beim Thema direkte Demokratie, also: in der Schweiz.
    "Wir sind wirklich eigentlich zufrieden und ich habe das Gefühl, wir sind auf einem guten Weg," sagt Susanne Hasler.
    Das ist die optimistische Susanne Hasler, Präsidentin des Publikumsrates des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Deutschschweiz. Ihr Gremium und das Pendant aus Österreich gelten vielen in Deutschland als Vorbild.
    "Wir sind ein rein beratendes Gremium, verfügen also gegenüber den Programmverantwortlichen über keinerlei Weisungsbefugnis und unsere Aufgabe besteht darin, die Programmarbeiten und die Programmentwicklung von SRF durch Feststellungen, Vorschläge und Anregungen zu unterstützen und zu begleiten."
    Österreiches Gremium reflektiert Nutzer-Feedback
    Die 26 ehrenamtlichen Mitglieder des Rates treffen sich einmal pro Monat zur Diskussion. Sind die Fragen einer Quizshow zu einfach? Eine Wissenschaftssendung zu voyeuristisch? Der Name eines Polittalks zu konfrontativ? Die Programmmacher sitzen mit in den Ratssitzungen.
    "Vor allem das ist das ganz Wertvolle: Sie müssen sich die Zeit nehmen, sich hinsetzen und über unser Feedback nachdenken und sich darüber äußern." Das aber war in der Geschichte des Rates nicht immer so, sagt Hasler. Erst in den letzten zehn Jahren habe sich die Einstellung in den Redaktionen geändert:
    "Heute habe ich den Eindruck, dass man sehr interessiert ist an einem substantiellen und differenzierten Feedback zu den Programmen."
    Dagegen sollten auch deutsche Redaktionen nichts haben. Aber: die Gremien. Ob die bei der Strukturreform der Öffentlich-Rechtlichen mehr Publikum wagen werden, ist noch nicht raus. An Ideen dafür mangelt es aber nicht.