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Öffentlich-rechtliches Jugendprogramm Funk
Fluffige Musik und auch mal relevante Unterhaltung

Funk, der öffentlich-rechtliche Jugendkanal, darf zwar für eine junge Zielgruppe senden, für Menschen zwischen 14 und 29. Aber senden ist dann doch der falsche Ausdruck: Funk gibt es nur im Netz. Die Bilanz nach 100 Tagen: Manchmal innovativ, aber es gibt auch noch viel zu verbessern.

Von Christoph Sterz | 09.01.2017
    Eine Frau schaut sich am 30.09.2016 in Berlin auf ihrem Smartphone den Youtubekanal von "funk" an. "funk" ist das neue multimediale Angebot für Jugendliche von ARD und ZDF.
    Der Youtubekanal von "funk" auf einem Smartphone (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    "Einen wunderschönen Tag, meine lieben Freunde, und herzlich willkommen zu einem ganz besonders neuem Video hier auf meinem Kanal. Ihr habt wieder fleißig unglaublich tolle Kommentare geschrieben, die Lele und ich heute zusammen im echten Leben nachspielen werden. Und dabei wünsche ich euch jetzt ganz viel Spaß."
    Jana ist Anfang 20 und macht für Funk einmal pro Woche das, was sie auch schon vorher auf Youtube gemacht hat: Videos über Beauty, Lifestyle und Mode, über ihre Beziehung, ihren neuen Hund und alles andere, was ihr so einfällt. Und damit ist sie nicht alleine bei Funk: In mindestens jedem vierten Format ist diese typische Youtube-Anmutung zu finden, subjektiv, mit einem oder zwei Menschen im Mittelpunkt, professionell gemacht und, wie sich das für Youtube gehört, mit sicht- und hörbaren Schnitten.
    Außerdem gerne unterlegt mit fluffiger Musik; ungefähr so. Also wie gesagt: Ja, relativ flache Youtube-Unterhaltung gibt es bei Funk; natürlich immer mit tollen Sound-Effekten. Aber Funk kann auch anders, kann auch relevant sein. Und hat es damit in den letzten Wochen auch in meine Facebook-Timeline geschafft, mit einem Video von Youtuber und Funk-Mann Rayk Anders nach dem Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt.
    "Und jetzt kommst du, mit deinem verfickten LKW, hierher, nach Berlin. So, und denkst, dass du die Leute hier aus der Bahn wirfst, Berliner. So, ich kann dir sagen, was jetzt passieren wird. Und ich kann es dir genau sagen. Wir werden die Verletzten pflegen, wir werden die Toten begraben. Und wir werden sie niemals vergessen. Und dann werden wir weitermachen."
    Reichweitenmäßig läuft noch nicht alles rund
    Das Video ist hunderttausende Male angeschaut worden und unterscheidet sich dadurch - leider - von vielen Funk-Videos. Denn reichweitenmäßig läuft es nicht überall rund bei Funk. Zwar gibt es mittlerweile über 40 Formate – von Kochtipps und einer Talksendung auf dem Frauenklo bis zu investigativen Reportagen. Und in den ersten zwei Monaten wurden alle Videos zusammengenommen auf Youtube und Facebook auch über 45 Millionen Mal abgerufen. Doch es gibt noch etliche Videos, die nur wenige Tausend Menschen erreichen.
    Aber ist die Reichweite – im klassischen Radio und Fernsehbereich Quote genannt – wirklich so wichtig? 45 Millionen Euro kostet Funk pro Jahr. Mit dem Budget kann es sich der Jugendkanal leisten, auch mal etwas auszuprobieren. Und auf Produktplatzierung zu verzichten. Im Unterschied zu klassischen Youtubern sind die Videos hier angenehm unkommerziell.
    "Hallo, ich bin Wish. Ich erfülle Wünsche."
    Eine App als Hauptdarsteller – in der Serie Wishlist, einer eher düsteren Zukunftsvision. Eine der originelleren und professionell gemachten Formatideen.
    - "Für eine kleine Aufgabe kann auch dein Wunsch schon bald Realität werden."
    - "Okay. Boah. Spam wird heutzutage auch immer aufwendiger. Und löschen das Ganze."
    - "Welchen Wunsch darf ich dir erfüllen, Mira?"
    - "Scheiße, du kannst sogar meinen Namen sofort richtig aussprechen? Siri sollte sich mal eine Scheibe bei dir abschneiden."
    Funk setzt auf Webinhalte
    Mit Serien wie dieser konzentriert sich Funk auf Inhalte, die an erster Stelle im Netz funktionieren. Dort ist die junge Zielgruppe nun mal unterwegs, mit dem Smartphone. Und immerhin in diesem Bereich zeigt sich Funk innovativ und setzt auch mal auf ganz neue, völlig fernsehuntaugliche Formate wie etwa bei iam.serafina – einer authentisch wirkenden Snapchat-Serie, gefilmt in Zehn-Sekunden-Smartphone-Videos im Hochformat.
    "Nee, also es war echt ziemlich weird, weil es war einfach so ein Typ, der wollte sie anscheinend begrapschen. Also war ich irgendwie echt anscheinend zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Hab ihr anscheinend echt den Arsch gerettet. Und wir hängen seitdem miteinander rum und, ja, hat gut getan."
    Gut tut auch der Versuch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Kontakt zur Lebenswelt junger Menschen zu bekommen. Dass sich alle neun ARD-Landesrundfunkanstalten und das ZDF dazu durchgerungen haben, das gemeinsame junge Angebot Funk zu betreiben, ist überhaupt nicht selbstverständlich. Dafür mussten im Vorfeld dicke Mauern in den Köpfen der Medienpolitiker und Landesrundfunkchefs eingerissen werden. Ungefähr so wie bei Funk-Handwerkerkönig Fynn Kliemann.
    "Erst nach dem Abriss kann ein Wiederaufbau erfolgen."
    Ein großes Problem hat Funk allerdings noch: Es ist noch nicht als Marke erkennbar. Jedes Format steht erst mal für sich. Dass dahinter ein öffentlich-rechtliche Absender steckt, ist kaum sichtbar. Das wollen die Funk-Macher jetzt ändern, vor allem mit einer neuen App, die alle Formate im einheitlichen Rahmen präsentiert. Damit die Videos nicht nur wild verstreut auf Drittplattformen wie Youtube, Facebook oder Instagram zu finden sind.
    Aber Funk muss sich noch stärker zeigen, muss sich möglichst schnell als Marke durchsetzen, damit die 45-Millionen-Euro-Baustelle nicht in ein paar Jahren schon wieder abgerissen wird, weil niemand aus der Zielgruppe einziehen wollte.