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Öffentlicher Dienst:

Straßenumfrage:

Gode Japs |
    Ja, sehr schön. Das finde ich in Ordnung, finde ich gut. Alles wird teurer, und da braucht man auch ein bisschen mehr Geld. Drei Prozent finde ich noch okay. Aber das wird mit Sicherheit nicht durchgedrückt werden. Ich denke mal, man wird sich mit 2 Komma, Punkt, Punkt anpassen. Ich kenne einen Busfahrer und weiß, was die verdienen. Und das wäre schon gerecht für die. Ich bin der Meinung, wenn die Diäten erhöht werden, dann können die Beamten auch mehr Geld bekommen. Die haben genauso eine Teuerungsrate wie die anderen auch. Warum soll denn den Leuten nicht auch was zustehen. Drei Prozent. Ich glaube, die anderen nehmen sich mehr. Das ist eigentlich okay, nicht, würde ich mal sagen. Das was die Gewerkschaften machen, das ist so eine Kette ohne Ende, die sich daraus ergibt. Es wäre schön, wenn es drei Prozent werden würden, weil ja alle andere Abgaben auch steigen. Warum soll denn das Gehalt nicht um drei Prozent steigen. Ich find das gut, dass die Löhne erhöht werden. Wir kriegen alles aus der Tasche gezogen, und dann müssen auch die Löhne erhöht werden.

    Eine nicht repräsentative Umfrage in der Kölner Innenstadt. Die Leute haben Verständnis für die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, wenn diese jetzt mehr Geld fordern. Morgen beginnt es wieder, das Tarifpokern um Lohn- und Gehaltssteigerungen für die rund drei Millionen Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst. Deutschland steht vor einem harten Tarifstreit.

    Eine Tarifrunde von besonderer Bedeutung beginnt. Für die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi steht viel auf dem Spiel. Nach ihrem Zusammenschluss zur größten Gewerkschaft der Welt mit über 2,5 Millionen Mitgliedern geht Verdi nun zum ersten Mal in neuer Formation mit ihrem Bundesvorsitzenden Frank Bsirske als Verhandlungsführer in die Tarifauseinandersetzung mit den Arbeitgebern von Bund, Ländern und Kommunen. Bsirske nennt die erste Forderung:

    Eine Erhöhung von Löhnen und Vergütung von deutlich über drei Prozent mit einer Laufzeit von zwölf Monaten.

    Deutlich mehr als drei Prozent – erstmals entspricht die Höhe der Forderung auch dem tatsächlich angestrebten Abschluss. Verdi will mit dieser "ehrlich" genannten Strategie auf "rituelle Regentänze" verzichten und den Verhandlungsmarathon abkürzen.

    Mit von der Partie sind auf der Arbeitnehmerseite auch der Deutsche Beamtenbund und die Tarifunion, die "das deutlich mehr als drei Prozent" von Verdi konkretisiert haben: Sie fordern 3,5 Prozent für die Angestellten und Arbeiter, die dann auch für Beamte gelten sollen. Erhard Geyer, Bundesvorsitzender des Beamtenbundes:

    Ich denke, dass wir eine sehr moderate Forderung gestellt haben. Wir haben uns orientiert an den Abschlüssen, die dieses Jahr getätigt worden sind. Der Anspruch, den wir erheben und den man auch erheben kann, der realistisch ist, ist eben Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung. Da gibt es keinen großen Spielraum mehr, was da noch zu verhandeln wäre.

    Das sehen die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes anders. Ein offizielles Angebot von dieser Seite steht noch aus. Der Verhandlungsführer der Kommunen, der Bochumer Oberbürgermeister Ernst Otto-Stüber, spricht von einem "Lohndiktat". Die öffentlichen Kassen seien leer, die Forderung daher "absurd", eine "Nullrunde" das einzig Mögliche und Machbare.

    Zur Untermauerung dieser These wird auch die gestrige Steuerschätzung herangezogen. Danach sind die Kommunen besonders belastet. Sie müssen in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr mit einem Einnahmerückgang von 4,1 Prozent rechnen, der Bund mit einem Minus von 1,6 Prozent.

    Die kommunalen Arbeitgeber, bei denen fast die Hälfte aller öffentlich Bediensteten in Lohn und Brot steht, gelten traditionell als besonders harte Verhandler. Ihr Hauptgeschäftsführer, Gerhard Kappius, haut in die selbe Kerbe wie der Bochumer Oberbürgermeister. Zu den Gewerkschaftsforderungen sagt Kappius:

    So wie sie gestellt worden sind, sind sie völlig irreal, sind sie realitätsfern und gehen voll auf die Knochen der Bürger. Von daher ist von unserem Vorsitzenden in den Ring geworfen worden: Nullrunde auch für dieses Jahr. Anders sind die Probleme der Kommunen nicht zu bewältigen.

    Argumentationshilfe erhalten die öffentlichen Arbeitgeber vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Auch DIW-Chef Klaus F. Zimmermann macht sich für eine Null-Runde stark. Andernfalls seien Steuererhöhungen nötig. Die Gewerkschaftsforderung liege "weit über dem Vertretbaren". Patrick Meier vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel warnt davor, über 1,5 Prozent abzuschließen. Mehr bedeute Stellenabbau im öffentlichen Dienst.

    Diese Position wird allerdings nicht unisono von Wirtschaftswissenschaftlern vertreten. Udo Ludwig vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle zum Beispiel meint, die Gewerkschaftsforderung beweise "Augenmaß". Sein DIW-Kollege Karl Brenke nennt sie "vernünftig", und Roland Göhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung sagt: "Damit können wir leben." Das sieht Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft allerdings anders:

    Die Steuereinnahmen entwickeln sich katastrophal. Die Kassen sind leer und es macht meines Erachtens keinen Sinn, einem Nackten in die Tasche zu greifen. Es gibt da nichts zu holen. Jeder Prozentpunkt weniger Lohnanstieg wäre ein Gewinn für die öffentliche Hand,wäre aber auch ein Gewinn für die Beschäftig-ten im öffentlichen Sektor und auch in der privaten Wirtschaft. Insofern halte ich eine Null-Runde für ein gutes Ergebnis.

    Das Wort von der Nullrunde alarmiert die Arbeitnehmer. Verdi kontert mit der Keule, spricht gleich von Streik und Arbeitskampf. Wenn die Arbeitgeber ernsthaft eine Nullrunde anstreben, dann stellen sie die Weichen auf Konfrontation, sagt Verdi-Chef Bsirske. Und weiter:

    Wenn ich mir angucke, was die kommunale Seite in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit erklärt hat, nämlich eine Nullrunde zu wollen, dann sind das Zeichen, die einen Arbeitskampf im öffentlichen Dienst alles andere als unwahrscheinlich erscheinen lassen.

    Auch der Verdi-Vorsitzende aus Niedersachsen, Wolfgang Denia, mag Streiks im öffentlichen Dienst nicht ausschließen – die könnten möglicherweise während der heißen Phase der Landtagswahlkämpfe in Niedersachsen und Hessen Anfang Februar stattfinden. Auf keinen Fall werde es dann aber einen Bonus für Rot und Grün geben. Denia rechnet mit einer sehr harten und im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten sehr konsequenten Tarifrunde. Sie werde entweder ein schnelles Ergebnis oder aber ein schnelles Scheitern zur Folge haben. Und das heißt:

    Dann sind wir natürlich unausweichlich in der Auseinandersetzung mit Urabstimmung und Arbeitskampf.

    Die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sind sich vor allem in einem Punkt einig. Sie wollen keinen schlechteren Tarif abschließen als die Privatwirtschaft. Und dort lag er in diesem Jahr nirgends unter drei Prozent. Hier ein Rückblick auf die Tarifrunde 2002:

    Den Anfang machte im April die Chemie. Dort verständigte man sich auf eine Lohnerhöhung von 3,3 Prozent bei einer Laufzeit von 13 Monaten. Die IG Metall konnte sich erst nach Streiks in Baden-Württemberg und Berlin/Brandenburg mit den Arbeitgebern verständigen. Seit Juni gibt es vier Prozent mehr Lohn, ab Mitte 2003 steht eine weitere Erhöhung um 3,1 Prozent ins Haus. Bei der Eisen- und Stahlindustrie gibt es seit Juli 3,6 Prozent mehr Lohn und Gehalt. Der Einigung in der Druckindustrie gingen Warnstreiks voraus – ehe es rückwirkend zum 1. Mai 3,4 Prozent mehr Lohn und Gehalt gab. Bei der Post bekommen die Mitarbeiter seit Juni 3,5 Prozent mehr Geld; im Juni nächsten Jahres gibt es eine weitere Anhebung um 3,2 Prozent. Die Beschäftigten im Versicherungswesen haben seit Juni 3,5 Prozent mehr Gehalt. Im Baugewerbe gibt es seit September 3,2 Prozent und ab April nächsten Jahres weitere 2,4 Prozent mehr Geld. Der Einigung war der erste flächendeckende Streik am Bau seit mehr als fünfzig Jahren vorausgegangen. Auch im Einzel-, Groß- und Außenhandel wurden Lohn- und Gehaltserhöhungen von 3,1 Prozent ausgehandelt – mit Ausnahme Sachsens, wo es noch keinen Abschluss gibt. Die Beschäftigten bei Textil und Bekleidung bekommen seit Oktober drei Prozent mehr Lohn und Gehalt, ab Dezember nächsten Jahres noch einmal 2,7 Prozent.

    Da wollen die gut drei Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht schlechter dastehen. Knapp die Hälfte von ihnen ist in den unteren und mittleren Einkommensgruppen beschäftigt. Sie verdienten Mitte vergangenen Jahres in den alten Bundesländern durchschnittlich 2.700 Euro brutto, die Bezüge im Osten lagen etwas über 2.400 Euro. Ihre Löhne und Gehälter sind in den zurückliegenden Jahren stets deutlich geringer gestiegen als die der Privatwirtschaft, hat kürzlich die Hans-Böckler-Stiftung errechnet. In diesem Jahr nun soll die allgemeine Einkommensentwicklung als Maßstab genommen werden. Wolfgang Denia von Verdi hält es für vorrangig, ...

    ... dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von der allgemeinen Einkommensentwicklung in der Bundesrepublik nicht abgekoppelt werden dürfen.

    Die These, dass die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst ähnlich behandelt werden müssen wie die der Privatwirtschaft, halten die öffentlichen Arbeitgeber für falsch. Bei den Abschlüssen der Privatwirtschaft hätten noch andere Wachstumserwartungen gegolten. Die öffentlichen Arbeitgeber hätten zudem zu Jahresbeginn mit ihrem Beitrag zur Sanierung der Zusatzversorgung ihrer Beschäftigten eine dauerhafte, zusätzliche Leistung erbracht. Der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Gerhard Kappius:

    Hier wird erst mal eine These aufgestellt, die gar nicht richtig sein kann – nämlich dass alle gleich nach dem selben Strickmuster bedient werden müssten. Tatsache ist, dass jeder Tarifbereich nach eigenen Gegebenheiten zu beurteilen ist. Das ist auch ein Stückchen Tarifautonomie. Und die Situation bei den öffentlichen Kassen ist so bekanntermaßen, dass sie leer sind. Es ist ganz eindeutig bekannt: Die öffentlichen Kassen insbesondere bei den Kommunen sind leer und solche Beträge, wie sie genannt worden sind, sind völlig unrealistisch. Also, dass was so als neue Ehrlichkeit erscheint, das ist eigentlich nach wie vor absolute Realitätsferne.

    Harte Töne sind auch vom Verhandlungsführer der Länder, dem bayerischen Finanzminister Kurt Faltlhauser zu hören. Er hat bereits im Vorfeld der morgen beginnenden Verhandlungsrunde mit "betriebsbedingten Kündigungen" bei einer Erhöhung im Bereich von drei Prozent gedroht.

    Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis, die selbst einmal Tarifverhandlungsführerin der Länder war, gibt sich moderater. Sie plädiert dafür, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zumindest teilweise und befristet auszusetzen, lehnt aber eine Kommentierung der Gewerkschaftsforderung ab:

    Ich habe mich früher auch immer geärgert, wenn andere die Forderungen kommentiert haben, und da musste man das immer erst zur Seite räumen. Das werden die schon so hinkriegen, dass das vernünftig ist.

    Bundesinnenminister Otto Schily – Parteifreund von Heide Simonis - ist Verhandlungsführer des Bundes. Er hält eine Tariferhöhung von drei Prozent für "untragbar". Für den Fall, dass es dazu käme, wäre ein weiterer Personalabbau bis hin zu betriebsbedingten Kündigungen mit Abstrichen beim Bürgerservice ebenso unvermeidbar wie drastische Einschränkungen bei öffentlichen Investitionen. Ganz ähnlich argumentieren auch die kommunalen Arbeitgeber. Gerhard Kappius:

    Da gibt es einige wenige Folgerungen, nämlich dass man entweder kommunale Investitionen, die einmal noch vorhanden sind, streicht. Das würde Arbeitsplatzverlust in anderen Bereichen, in der Privatwirtschaft bedeuten. Oder man baut eben Personal ab, um die eigenen Kosten zu denken. Und das wiederum bedeutet, dass Leistungen eben gegen den Bürger zurückgefahren werden. Sei es, dass Einrichtungen geschlossen werden oder dass eben Leistungen verkürzt werden, Öffnungszeiten werden vermindert, Warteschlangen nehmen zu und dergleichen.

    Auch Alfred Boss, der die Forschungsstelle öffentliche Finanzen beim Kieler Institut für Weltwirtschaft leitet, sieht schwarz für den öffentlichen Dienst, falls bei der Tarifrunde eine Lohn- und Gehaltserhöhung von drei Prozent herauskommt:

    Wahrscheinlich würden Investitionen der Kommunen gestrichen. Wahrscheinlich würde die Beschäftigung im öffentlichen Dienst sinken. Und das ist in meinen Augen eine völlig falsche Entwicklung, die eben bei einem solchen Lohnabschluß herauskäme.

    Mit den Ankündigungen eines weiteren Personalabbaus und der Androhung betriebsbedingter Kündigungen hat die Arbeitgeberseite für große Unruhe bei Verdi gesorgt – nicht zuletzt weil Bochums Oberbürgermeister Ernst-Otto Stüber bereits konkret wurde: Städte und Gemeinden müssten dann - bei Erfüllung der Gewerkschaftsforderung - über 57.000 Beschäftigte entlassen müssten. Niedersachsen Verdi-Chef Wolfgang Denia kontert:

    Ich finde das schon unerträglich, wie hier mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umgegangen wird. Wenn die qualifizierte Leistungen erbringen und denen man sagt – ich bring es mal auf den Punkt: Wir haben als politisch Verantwortliche in Bund, Ländern und Gemeinden Misswirtschaft betrieben – Stichwort: Steuerpolitik, Stichwort Strukturpolitik – und da wir jetzt kein Geld in der Kasse haben, habt ihr die Zeche dafür zu zahlen. Verantwortlich für die Gewerbesteuerausfälle von 30 bis 40 Prozent in den Kommunen sind ja nicht unsere Kolleginnen und Kollegen, die dort einen ordentlichen Job abliefern, sondern politische Rahmenbedingungen.

    Die Zeichen stehen auf Sturm. Die meisten Mitarbeiter im öffentlichen Dienst unterstützen die Gewerkschaftsforderung nach drei Prozent mehr Lohn und Gehalt. Sie fühlen sich für Fehlentwicklungen haftbar gemacht, für die sie nichts können und für die sie auch nicht bereit sind, die Zeche zu zahlen:

    O-Ton Umfrage öffentlicher Dienst:

    Ich finde es ganz angemessen, dass im Prinzip auch die Abschlüsse im öffentlichen Dienst in einem ähnlichen Rahmen liegen wie die Abschlüsse in den sonstigen Tarifverhandlungen. Von daher finde ich drei Prozent ganz in Ordnung, obwohl es vermutlich weniger werden wird. Ich finde diese Forderung mehr als angemessen. Es ist unabdingbar aufgrund der Belastungen, die den Lehrerstand im Schulalltag betrifft. Ja, ich unterstütze diese Forderung und würde sie eigentlich noch erhöhen wollen, weil die Beamten nicht eigentlich die Opfer der Politik unserer Bundesregierung sein dürfen und überhaupt der Politik der öffentlichen Haushalte. Also das ist für uns zu wenig, viel zu wenig, weil alle Sachen sind – manche Sachen zehn Prozent, manche fünf Prozent – sind teurer geworden. Wenn die drei Prozent gefordert sind, halte ich das für zu niedrig, weil im Endeffekt doch erheblich weniger dabei rauskommt. Die Öffentlichkeit kann das nicht verstehen, weil die Öffentlichkeit an sich nicht weiß, was im Öffentlichen Dienst konkret geleistet wird. Auch in diesen schwierigen Zeiten finde ich es eigentlich angemessen, weil ich denke, dass der öffentliche Dienst doch eigentlich unter dem Durchschnitt liegt. Ich denke, dass sich das womöglich dann einpendelt bei vielleicht auch nur zwei Prozent. Und gemessen an der Inflationsrate oder der Preissteigerungsrate halte ich das dann für angemessen.

    Doch es geht bei der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes nicht ausschließlich um mehr Lohn und Gehalt. Das ist nur eine der Verdi-Forderungen. Das zweite Ziel nennt Verdi-Chef Frank

    Die Löhne und Vergütung der Beschäftigten in den neuen Bundesländern im Wege eines Stufenplans bis spätestens 2007 verbindlich auf 100 Prozent des Westniveaus anzugleichen.

    Auch bei der Angleichung der Ostbezüge ist Streit programmiert. Die Bundesregierung allerdings hat sich in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt. SPD und Grüne wollen eine stufenweise Anhebung bis 2007, was exakt der Forderung von Verdi entspricht. Sehr zum Ärger der Kommunen und Länder. Sie sind allenfalls zu Gesprächen über die Angleichung der Ostbezüge "unter Berücksichtigung der allgemeinen Lohn- und Wirtschaftsentwicklung" bereit.

    Infrastrukturminister Manfred Stolpe dagegen hält eine Angleichung der Ostlöhne bis 2007 für schwierig. Dies sei – so meint er - eine "riesige Herausforderung", die nahezu alle Kommunen im Osten erschrecke. Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Arnold Vaatz, warnt vor einer übereilten Lohnangleichung Ost. Es sei verantwortungslos, ein konkretes Zieljahr für den Anpassungsprozess zu nennen. Das sieht Verdi-Chef Frank Bsirske allerdings anders.

    Es wird darum gehen, einen Stufenplan durchzusetzen, der für die Menschen im Osten im öffentlichen Dienst auch deutlich macht, wann sie von der Lohn- und Gehaltsseite in der Bundesrepublik angekommen sein werden – vollkommen.

    Schließlich wird es noch zwei Nebenkriegsschauplätze bei der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes geben. Berlin und Schleswig-Holstein wollen den Flächentarifvertrag aufkündigen. Sie überlegen, ganz aus dem Arbeitgeberverband auszutreten. Dann gibt es – zweitens – eine Bundesratsinitiative für Öffnungsklauseln bei der Beamtenbesoldung.

    Danach ist vorgesehen, dass ein Bundesland abweichend von den anderen auf eine Erhöhung der Bezüge verzichten kann. Die Differenz soll einen Wert von zehn Prozent nicht übersteigen. Mit anderen Worten: Neunzig Prozent des Sockelgehaltes sollen unverändert bleiben, Einschnitte zudem beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld möglich werden. Der Wirtschaftswissenschaftler Alfred Boss hält beides für längst überfällig:

    Es wäre vernünftig, die Beamtenbesoldung in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich zu gestalten. Es wäre vernünftig, wie das jetzt einigen wohl vorschwebt, Öffnungsklauseln zu haben, und es wäre genauso sehr vernünftig, den Flächentarifvertrag endlich abzuschaffen und zu mehr Dezentralisierung zu kommen im Bereich der Löhne und dazu zu kommen, dass auf betrieblicher Ebene unterschiedlich hohe Löhne bezahlt werden. Der Flächentarifvertrag hat dazu geführt, dass wir ein massives Arbeitslosenproblem haben, und wir sollten einiges tun, um davon wegzukommen, genauso wie von der bundeseinheitlichen Besoldung der Beamten.

    Die meisten Bundesländer sind für Öffnungsklauseln. Anders das Bild der Ministerpräsidenten bei der Frage, ob einzelne Länder aus der Tarifgemeinschaft ausscheren sollten. Der neue nordrhein-westfälische Regierungschef Peer Steinbrück jedenfalls hält nichts davon:

    Das ist Ausdruck der sehr angespannten Haushaltslage. Auf der anderen Seite halte ich nicht viel davon, eine Tarifgemeinschaft zu verlassen oder infrage zu stellen. Im Extremfall kann es sein, dass einzelne Länder sagen, dass wir ein Ergebnis nicht mittragen können, das eine solche Tarifgemeinschaft aushandelt, und dann ihre eigenen Wege gehen, was quasi zu einer ja Auflösung, Fragmentierung führen würde in dem System der bisherigen Tarifverhandlungen zwischen öffentlichem Arbeitgeber und Gewerkschaften.

    Sowohl bei der Öffnungsklausel als auch bei der Aufkündigung des Flächentarifvertrages werden die Arbeitgeber auf erbitterten Widerstand der Gewerkschaften stoßen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende des Beamtenbundes, Robert Dera, meint:

    Das ist für uns genauso unannehmbar wie die Aufkündigung und der Aufbruch des Flächentarifvertrages. Dem werden wir nicht zustimmen. Und wir werden alles daran setzen, dass diese Gesetzesvorhaben auch zu Fall gebracht werden. Die bundeseinheitliche Besoldung muss genauso gewährleistet bleiben wie der bundeseinheitliche Flächentarifvertrag des öffentlichen Dienstes.

    Frank Bsirske ist sicher: die Öffnungsklausel ist "verfassungsrechtlich nicht machbar". Wenn aber die Länder auf diesem Weg weiter gingen, dann sei das ein deutliches Signal für eine sehr schwierige Tarifrunde. Die Gewerkschaften müssten sich dann auf einen größeren Konflikt vorbereiten. Das sehen die öffentlichen Arbeitgeber genauso. Sie rechnen mit einer der härtesten Tarifrunden seit den letzten zehn Jahren.

    Damals, im Frühjahr 1992, gab es zum letzten Mal einen Streik im öffentlichen Dienst. Für elf Tage legte die Gewerkschaft die Arbeit nieder, der Müll stapelte sich, Busse und Straßenbahnen standen still. Ob sich diese Situation im Frühjahr 2003 wiederholt, wird sich spätestens am 22./23. Januar zeigen – bei der dritten Verhandlungsrunde der Tarifparteien des öffentlichen Dienstes.