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Ökokaufhaus Rommelmühle

Obstbaum-bestandene ehemalige Weinbergterrassen jenseits des Flusses Enz und den Ort Bissingen auf der anderen Seite sehen die Bewohner und Mitarbeiter in Europas größtem Ökozentrum, wenn sie aus dem 100 Meter langen, denkmalgeschützten Backsteingebäude schauen, das bis 1995 die größte Getreidemühle Baden-Württembergs war. Seit 1998 bieten auf 6000 Quadratmetern bis zu zehn Läden und 13 Dienstleister Lebens-mittel, Kleidung, Möbel, Baumaterial sowie Restaurant, Beratung und Planung an. Doch zur Zeit steht ein Drittel leer. Das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energiean-wendung (IER) der Universität Stuttgart hat die Rommelmühle untersucht:

Von Cajo Kutzbach |
    Also wir haben unterschiedliche bestehende Ökokaufhäuser betrachtet. Wobei man bei dem, was man als Ökokaufhaus betrachtet, verschiedene Definitionen haben kann: Also vier bis fünf existierende Ökokaufhäuser in Deutschland und es gibt weitere 15 plus X Initiativen. Bei diesen bestehenden Ökokaufhäusern unterscheidet sich schon deutlich, dass die Größe wesentlich kleiner ist. Es gibt einige spezialisierte Häuser, die dann Secondhand-Markt im Vordergrund haben.

    berichtet die Diplom Ökologin Beate Gebhardt. Andere sind eher Ökobaumärkte. Die Rommelmühle ist das größte Öko-Kaufhaus. Aber die Zukunft ist ungewiss, seit der Besitzer der Gebäude Insolvenz angemeldet hat.

    Das Hauptproblem ist die Lage am Rande von Bissingen, ziemlich weit weg vom Bal-lungszentrum Stuttgart. Autofahrer können nicht, wie gewohnt von der Schnellstraße ins Einkaufszentrum abbiegen, sondern müssen durch den Ort. Die 6 Buslinien bieten nur im Berufsverkehr mehr als einen Halbstundentakt. Deshalb kommen viel weniger, als die er-warteten 1200 Kunden.

    Das führte öfter zu Pleiten und leerstehenden Läden. Diese tristen Flächen drücken auf die Stimmung und bringen keine Miete. Die Konsumzurückhaltung der Verbraucher kam hinzu. Damit kippte das Kaufhaus jetzt den Finanzplan der Besitzer. Und das ist nicht die erste Pleite: 1999 erwischte es den Bauträger und 2000 die Ökobank, die der größte An-teilseigner war.

    Dabei ist die ökologische Bilanz des gesamten Ökozentrums hervorragend. Die Mühle produziert sogar Strom. Dr. Christian Weber vom IER :

    Das Energiekonzept der Rommelmühle: die Verbindung von Blockheizkraftwerk und Wasserkraftnutzung führt zu deutlichen Energieeinsparungen beim Verbrauch von fossilen Ressourcen und zu deutlichen Emissionsminderungen bei Klimagasen, aber auch bei anderen Schadstoffen.

    Und zwar zwischen 54 und 85 Prozent, und das in einem Altbau von 1906. Natürlich lässt sich dieses Konzept nicht überall hin übertragen, aber:

    Wenn es sich anderswo umsetzen lässt, dann ist das auf jeden Fall ein Beitrag zum Klimaschutz und zur Emissionsverminderung.

    Diese Bilanz wäre auch dann noch gut, wenn man nicht, wie so oft in Ökoläden, am Licht gespart hätte. Der Kunde vergleicht unbewusst mit der Lichtflut der Kaufhäuser und hat Assoziationen wie "schummrig, schmuddelig, zweite Wahl".

    Der häufige Wechsel führt auch dazu, dass keine einheitliche Linie erkennbar ist, wie sie der Kunde beim Begriff "Kaufhaus" erwartet. Er findet mehrere Laden unter einem Dach. Wahrscheinlich wird sich deshalb der Trend fortsetzen und die meisten Läden werden zu Büros für Dienstleistungsbetriebe, die keine Laufkundschaft brauchen. Die Frage ist, ob sich damit genügend hohe Mieten erwirtschaften lassen.

    Das Ökokaufhaus in der Rommelmühle scheitert also am Standort. Aber in den 35 Woh-nungen in Mühle und Nebengebäuden lebt es sich gut, fand Beate Gebhardt:

    Im Vergleich zu dem, was wir in der Bundesrepublik sehen, können fast alle Bewohner oder Mitarbeiter, die in der Rommelmühle arbeiten oder leben, kontrolliert biologische Lebensmittel konsumieren. Das zeigt sich auch in anderen Bereichen, dass hier überdurchschnittliches ökologisches Verhalten praktiziert wird.

    Obwohl fast jeder ein Auto hat, weil auch das Carsharingprojekt scheiterte, wird zum Bei-spiel weniger gefahren. Man kann also, trotz der Pleite, von der Rommelmühle lernen.