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Ökologische Auswirkungen durch Offshore-Windenergieanlagen

Seit 1990 ist der Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung in Deutschland um das Fünfzehnfache gestiegen. Von 0,4 auf 6,4 Milliarden Kilowattstunden. In den ersten neun Monaten dieses Jahres gingen fast 900 neue Windturbinen ans Netz. Das sind 22 Prozent mehr als Ende des Jahres 1999. Die Windenergie ist längst aus den Kinderschuhen heraus und sie macht sich seit geraumer Zeit auf zu neuen Ufern. Rund 20 Anträge liegen derzeit für die Nord- und Ostsee im offshore-Bereich vor. Deshalb fand am gestrigen Dienstag im Kieler Landeshaus eine vom Umweltministerium des Landes veranstalteter Workshop zum Thema offshore-Windkraftanlagen und deren ökologische Auswirkung statt.

Von Annette Eversberg |
    Auf dem Workshop konnte der schleswig-holsteinische Umweltminister Klaus Müller auf den hohen Anteil der Windkraft in Schleswig-Holstein verweisen. Bereits 20 Prozent der Energie des Landes wird mit Hilfe von Windkraftanlagen erzeugt. Im Einzelbetrieb oder in Windparks. Nach den guten Erfahrungen onshore, will Klaus Müller den Weg frei machen für offshore-Anlagen, bei denen jedoch eine genaue Planung vorausgesetzt wird.

    Klaus Müller: Wir reden von großen Gebieten, an die 100 Quadratkilometer, wir reden von bis zu 130 Meter hohen Spargeln, d.h. mit dementsprechenden Rotoren. Das kann schon zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen, aber wir wissen es eben nicht, das muss man vorher raus finden.

    Offshore-Anlagen im Meer stehen mitten in einem Ökosystem. Und wie sich solche Anlagen dort auswirken, darüber weiß man noch sehr wenig. Das Bundesamt für Naturschutz in Bonn leistet Unterstützung mit Hilfe von Karten, in denen die ökologisch wichtigen Gebiete verzeichnet sind, wo nicht gebaut werden soll. Dennoch gibt es Unklarheiten.

    Klaus Müller: Das, was aber klar ist, ist: sowohl der Nationalpark Wattenmeer als auch die vom Land gemeldeten Natura-2000-Gebiete sind tabu. Da wollen wir das nicht. Das ist auch nicht verantwortbar. Aber es gibt noch eine ganze Reihe von Gebieten, wo sich die Experten streiten, wo dann die Abwägung einzeln erfolgen muss. Gilt hier der Vogelzug als ein Beispiel in einem höheren Gewicht oder der Ausbau in klimavertägliche Energieerzeugung. Das muss man im Einzelfall klären.

    Und es gibt noch viele Fragen. Wie wirkt sich beispielsweise das Fundament einer Anlage auf die Artenzusammensetzung im Meer aus? Seehunde sowie Wale und Robben sind Tiere, die sich mit Hilfe von Schallwellen im Meer orientieren. Die Seehunde jagen nach einer Studie des Instituts für Meereskunde in Kiel gerade dort, wo es mögliche Standorte für offshore-Windkraftanlagen gibt. Dabei können die Schallwellen der Anlagen Störfaktoren sein. Ob dies mehr ist, als der Schiffslärm muß erst erforscht werden. Ebenso wenig weiß man, wie sich Windkraftanlagen auf den Flug und den Lebensraum der Vögel in der Nordsee auswirken, erläutert Dr. Henning von Nordheim vom Bundesamt für Naturschutz:

    Dr. Henning: Wir wissen sehr wohl, was im Wattenmeer selber passiert. In der offenen See der Nordsee sind leider sehr, sehr wenige Studien einfach mangels Geldmasse durchgeführt worden, so dass wir dort überhaupt kein geschlossenes Bild haben. Gleichwohl laufen jetzt gerade Studien ab, mit Radaruntersuchungen den Vogelzug zu untersuchen. Leider müssen wir sagen, sind wir gerade dabei, die Erkenntnisse zu beschaffen.

    Die Naturschützer von NABU und WWF haben insgesamt noch Vorbehalte gegen die Windparks auf See. Ingo Ludwichowski vom NABU sieht die offshore-Anlagen vor allem als Möglichkeit der Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung. Aus Klimaschutzsicht werde das Ziel verfehlt, weil das Einsparpotential von CO2 unter einem Prozent liege. Ulrich Rösner vom WWF in Husum befürchtet, dass der Schiffsverkehr in der Deutschen Bucht noch stärker gefährdet werden könne. Vor allem, weil manövrierunfähige Schiffe dann leicht an den Windkraftanlagen zerschellen und ökologischen Schaden anrichten können. Es ist also noch Klärungsbedarf, an dem die Antragsteller von offshore-Anlagen nicht vorbeikommen. Der Staatssekretär im Schleswig-Holsteinischen Energieministerium, Wilfried Voigt, ist der Auffassung, dass alle gemeinsam handeln müssen.

    Wilfried Voigt: Wir gehen davon aus, und dieser Prozess ist im übrigen schon im Gang, dass sich sowohl die Windkrafthersteller wie auch die Planungsbüros und Antragsteller sozusagen zusammenschließen und bündeln werden. Und das ist auch ein Ziel, was die Landesregierung verfolgt.

    Ein wichtige Maßnahme ist schließlich die Umweltverträglichkeitsprüfung, wie sie gegenwärtig auch in Dänemark läuft. Uwe Carstensen vom Bundesverband Windenergie sieht darin keine große Hürde.

    Uwe Carstensen: In der ersten Phase werden alle Daten, die zur Verfügung stehen, über alle empfindlichen Bereiche gesammelt, konzentriert. Und dann wird eine erste Vorauswahl getroffen für die Standorte. Dann anschließend wird es eine etwa zweijährige Untersuchung vor Ort geben. Mit Schiffen, mit Radar, mit Schiffen und Bodenuntersuchung. Und dann wird man nach insgesamt drei Jahren wissen, sollen wir es jetzt machen oder nicht. Und ich vermute, dass dann zunächst mit einer Baustufe angefangen wird an einem bestimmten Standort. Ich denke mal, 50 bis 100 Anlagen, wird man dort hinstellen. Und dann wird man erst einmal wieder zwei Jahre warten und gucken, wie sich das entwickelt, und dann wird man peu à peu diese Standorte weiter ausbauen.