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Ökonom: Fehleranalyse ist Reaktion auf die Kritik der akademischen Welt

Die kritische Bilanz des IWF zur Griechenlandhilfe sei ein klares Signal, sagt Guntram B. Wolff vom Brüsseler Bruegel-Institut. Künftig werde der IWF nicht mehr alle Programme mittragen. Das bedeute jedoch nicht automatisch einen Schuldenschnitt für die unterstützenden Länder, ergänzt er.

Guntram B. Wolf im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 06.06.2013
    Sina Fröhndrich: Berlin im Mai vor drei Jahren an einem Freitag: Im Bundestag wird heftig gestritten, denn es geht um viel Geld: Hilfskredite für Griechenland. 22 Milliarden Euro stellt Deutschland bereit. Insgesamt soll Athen 110 Milliarden Euro bekommen.

    Dass das nicht reichen würde, darüber mag an diesem Tag noch keiner so richtig laut nachdenken. Aber genau so kommt es, und das liegt wohl auch daran, dass die internationalen Geldgeber die Situation in Griechenland vielleicht unterschätzt haben. Der Internationale Währungsfonds ist jetzt mit sich selbst ins Gericht gegangen.
    Man habe Fehler gemacht bei der ersten Griechenland-Rettung. Man sei etwa zu optimistisch gewesen, was die wirtschaftliche Entwicklung Athens angehe.

    Über dieses Schuldeingeständnis habe ich gesprochen mit Guntram Wolff vom Bruigel-Institut in Brüssel. Hat ihn diese Selbstanalyse des IWF überrascht?

    Guntram B. Wolff: Nein. Der IWF war eigentlich von Anfang an bei dem griechischen Programm relativ kritisch und hat eigentlich auch schon in den ersten Dokumenten, die der IWF veröffentlicht hat zu Griechenland, klar Zweifel angedeutet, dass die griechischen Staatsfinanzen nicht tragfähig sind. Diese Botschaft war relativ früh schon beim IWF da. Der IWF hat sich dann aber trotzdem entschieden, das Programm mitzutragen, unter anderem auch aus Gründen der Finanzstabilität.

    Fröhndrich: Jetzt haben Sie gesagt, dass Sie diese Selbstanalyse nicht überrascht hat. Trotzdem hat der IWF die ersten Hilfen damals mitgetragen, 2010 für Griechenland, das erste Hilfspaket. Warum kommt man dann jetzt mit dieser Fehleranalyse? Wie erklären Sie sich das, wenn man von vornherein ja skeptisch war?

    Wolff: Wie gesagt, am Anfang musste man eine schwierige Entscheidung fällen, nämlich ob man grundsätzlich einem Programm zustimmt oder nicht, und am Anfang haben die Bedenken doch klar überwogen, dass ein Schuldenschnitt die Finanzstabilität im Euro-Raum, aber auch in Griechenland massiv gefährden würde. Insofern gab es klare Finanzstabilitätsgründe, um einem Programm zuzustimmen. Die Fehleranalyse jetzt deute ich auch als eine Reaktion auf die doch zunehmende Kritik auch aus der akademischen Welt, die argumentiert, dass man einen Schuldenschnitt früher hätte machen müssen, und die Frage ist eigentlich, warum man in 2011, also ein knappes Jahr nach Beginn des Programms, warum man da nicht schneller hin zu einer Entscheidung finden konnte, in der Privatgläubiger stärker beteiligt werden an den Kosten. Das hat zu lange gedauert damals und in dieser Zeit haben sehr, sehr viele private Gläubiger ihre Schulden abstufen können und wurden ersetzt durch öffentliche Gelder. Insofern haben wir da wertvolle Zeit und wertvolles Geld auch verloren.

    Fröhndrich: Und wenn wir jetzt nach vorne gucken und diese Selbstkritik von gestern Abend nehmen, wie könnte sich das jetzt auf künftige Hilfsprogramme für andere Länder auswirken? Ist das ein Signal, künftig gibt es gleich einen Schuldenschnitt?

    Wolff: Ich glaube, das Signal, das gesendet wird, ist, dass der IWF nicht mehr bereit sein wird, Programme mitzutragen, von denen der IWF überzeugt ist, dass sie nicht tragfähig sind. Das heißt nicht, dass man dann automatisch einen Schuldenschnitt machen wird, aber das heißt, dass potenziell es mehr Programme geben wird, in denen der IWF nicht beteiligt ist, sondern die europäischen Institutionen das selber machen wollen. Oder es kann auch bedeuten, dass die europäischen Institutionen ebenfalls stärker auf langfristige Tragfähigkeit schauen werden.

    Fröhndrich: Aber es deutet sich schon an, dass die internationalen Geldgeber sich nicht so ganz einig sind. Die EU-Kommission hat die Selbstkritik heute auch zurückgewiesen und hat mit Unverständnis reagiert. Wie einig ist sich denn die sogenannte Troika eigentlich?

    Wolff: Na gut, ich glaube, die Troika ist sich natürlich nicht einig bei diesen Fragen. Da gibt es sehr unterschiedliche Einschätzungen bezüglich nicht nur der Tragfähigkeit, sondern auch bezüglich der Risiken, die ein möglicher Schuldenschnitt bedeuten würde für andere Länder, für die Integrität des Euro-Raumes als Ganzem. Sicherlich eine wichtige Motivation aufseiten der EZB und auch der Europäischen Kommission ist zu sagen, Mensch, wir sind in einem Euro-Raum, wir sind in diesem Euro-Raum für länger als nur für eine temporäre Periode und wir denken, dass ein Programm, selbst wenn die Tragfähigkeit in Zweifel steht, sich potenziell lohnt, weil man verhindern möchte, dass es größere Verwerfungen gibt. Und das ist natürlich eine andere Motivation als für eine internationale Organisation, wie dem IWF, der weniger motiviert ist durch die langfristige Perspektive einer gemeinsamen Währung und natürlich auch wiederum Interessen von asiatischen und lateinamerikanischen und US-amerikanischen Mitgliedern auch im Blick haben muss.

    Fröhndrich: Soweit der Ökonom Guntram Wolff vom Bruegel-Institut in Brüssel.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.