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Ökonomie und Nächstenliebe

Klingel, Hallo Morgen Frau Lindner, morgen Herr Dewert, sie haben Urlaub?

Von Silke Tornede |
    "Was gibt es zu essen?" "Nudeln"

    Christiane Lindner-Angermann arbeitet in den von Bodelschwinghschen Anstalten in Bielefeld – die größte diakonische Einrichtung Europas. Sie leitet dort eine Wohngruppe für geistig Behinderte, ist für neun Mitarbeiter und 26 Bewohner verantwortlich.

    Es ist einfach so, dass ich bei meiner Arbeit merke, wie schwierig es ist, diese Dinge wie den theologisch-christlichen Hintergrund, wie kann ich den vereinbaren mit den anderen Anforderungen, die an mich gestellt werden.

    Leere Kassen, wenig Personal, sich verschärfende soziale Probleme und gleichzeitig der Wunsch, das christliche Profil nicht aus dem Blick zu verlieren – das Aufbaustudium "Diakoniemanagement" der kirchlichen Hochschule Bethel setzt genau bei diesen schwierigen Arbeitsbedingungen an. Es richtet sich speziell an Mitarbeiter in mittleren Führungspositionen in diakonischen und caritativen Unternehmen – Pfarrer, Sozialarbeiter, Diakone zum Beispiel. Teamleiterin Christiane Lindner-Angermann gehört zu den ersten zwölf Absolventen.

    Mich hat es sofort angesprochen ... Da geht es um die Frage, wie bringe ich modernes Management mit den christlichen Werten zusammen.
    Und wichtig ist für mich, dass da überwiegend Leute sind, die aus der Praxis kommen. Die wissen, worüber sie reden.

    Vergleichbare Angebote gibt es nicht, entsprechend groß war das Interesse. Mehr als 90 Mitarbeiter aus ganz Deutschland haben sich erkundigt. Das Echo überrascht die Initiatoren, die Professoren Alfred Jäger und Matthias Benad, nicht. Immerhin gibt es in Deutschland rund 30.000 Diakonieunternehmen. In diesen sozialen Einrichtungen sei das Thema Management lange Zeit vernachlässigt worden, sagt Kirchenhistoriker Matthias Benad.

    Zunächst einmal haben alte Einrichtungen ihren Leitungsstil gehab, der ist meistens sehr patriarchalisch gewesen, der konzentrierte sich meistens auf Vorsteher oder Direktor solcher Einrichtungen, und der war dann für alles zuständig. Mit der Verkomplizierung der gesetzlichen Grundlagen diakonischer Arbeit, mit der größeren Bedeutung ökonomischer Faktoren, führt es dazu, dass es immer schwieriger wird, Theologie und Leitungskompetenz und ökonomische Kompetenz zu verbinden.

    Entsprechend vielschichtig ist das berufsbegleitende Studium. Personalmanagement, Finanzverwaltung, Theologie und Ethik – mit diesen und anderen Themen beschäftigen sich Christiane Lindner-Angermann und die anderen Studierenden jetzt nach Feierabend. Der viersemestrige Studiengang orientiert sich dabei an dem St. Gallener Management-Modell. Es geht neben der Ökonomie auch auf Sinn- und Wertfragen beim Führen eines Unternehmens ein, sagt Matthias Benad.

    Es kann nicht nur darum gehen, dass die Kasse stimmt, .... Dass sind wichtige Voraussetzungen für die Arbeit, aber Diakonie hat ein eigenes Profil. Sie thematisiert die Frömmigkeit der Menschen, ihr woher, ihr wohin, ihr Angenommensein durch Gott.

    In den kommenden Jahren will die kirchliche Hochschule Bethel das Angebot im Bereich Diakoniewissenschaften ausbauen. Neben dem Master soll es einen PhD, also einen Doktorstudiengang geben, erläutert Alfred Jäger.

    Wir sind im Augenblick dabei diesen Studiengang zu entwickeln, und früher oder später wird es auch Bachelor-Studiengänge geben müssen.

    Wir betreten an der Stelle buchstäblich Neuland. … mit dem Ziel, ein Kompetenzzentrum für Diakoniewissenschaften zu schaffen, das nicht nur deutschlandweit seine Bedeutung hat, sondern auch sich orientiert im Rahmen eines neuen Europa.

    Anmeldungen für den nächsten Masterstudiengang gibt es schon. Voraussetzungen sind ein abgeschlossenes Studium und mindestens drei Jahre Berufs- und Leitungserfahrungen. Außerdem kostet das Angebot rund 6.000 Euro. In den meisten Fällen teilen sich Arbeitgeber und Absolventen die Kosten.

    Mir geht es darum, dass ich für mich selber mehr Sicherheit erlange, in meinem beruflichen Handeln.

    Sagt Christiane Lindner-Angermann. Und auch die Einrichtungen würden erkennen, dass sie von der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter profitieren, ergänzt Alfred Jäger.

    Hintergrund . . . ist die Einsicht von Diakoniechefs, die erst langsam sich gebildet hat, dass Führung in diakonischen Unternehmen ein eigenes Thema nicht nur ist, sondern werden muss. Dass es eine Kompetenz voraussetzt, die man nicht einfach hat, sondern die man sich aneignen muss. Führen ist eine Kunst, auf allen Ebenen.


    Weitere Infos unter Tel. 0521 – 144 29 13.