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Öl für den Westen

Die Pipeline vom aserbaidschanischen Baku in die türkische Stadt Ceyhan gilt als eine der wichtigsten der Welt. Sie soll den westlichen Industriestaaten die Unabhängigkeit vom arabischen und russischen Öl sichern und den jungen südkaukasischen Staaten wirtschaftlichen Aufschwung bringen. Heute wird zum ersten Mal Öl in Baku eingeleitet; im Herbst soll der erste Tropfen im 1765 Kilometer entfernten Ceyhan eintreffen. Gesine Dornblüth berichtet.

25.05.2005
    Ian Cummens, Projekt-Manager bei BP in Georgien, verstaut seine Sporttasche im Laderaum des Hubschraubers. Er wird die Nacht im Bauarbeiter-Camp in Akhaltsikhe verbringen, nicht weit weg von der türkischen Grenze, an einer der letzten Baustellen der Pipeline. Cummens ist verantwortlich dafür, dass die Röhren pünktlich am richtigen Ort liegen, dort, wo noch gebaut wird. Vor dem Einsteigen blickt er noch einmal auf die Karte:

    "Wir sind jetzt in Tiflis. Wir stoßen bei Marneuli auf die Pipeline, etwa 50 Kilometer von der Grenze nach Aserbaidschan. Wir fliegen dann entlang der Pipeline bis nach Akhaltsikhe. Aus der Luft bekommt man einen besseren Überblick über die Bauarbeiten."

    Ruckelnd setzt sich der Hubschrauber in Bewegung. Die Pipeline Baku-Ceyhan verläuft größtenteils unter der Erdoberfläche. Derzeit zieht sich von Baku bis ins türkische Ceyhan eine etwa zehn Meter breite Schneise. Darunter wurde das Rohr vergraben. In wenigen Jahren soll nichts mehr davon zu sehen sein. Auf der linken Seite taucht die aserbaidschanische Ebene auf.

    Das Unternehmenskonsortium unter der Leitung von BP muss sich den Vorwurf gefallen lassen, in Aserbaidschan mit einem korrupten und undemokratischen Regime zusammenzuarbeiten. Aserbaidschan gehört das Öl, das durch die neue Pipeline exportiert werden soll. Kritiker fürchten, dass von den Milliarden aus dem Ölgeschäft nicht viel bei der Bevölkerung ankommen wird. Der aserbaidschanische Umweltschützer und Menschenrechtsaktivist Mayis Gulaliyev:

    "Viele Menschen in Aserbaidschan verbinden große Hoffnungen mit der Pipeline Baku-Ceyhan. Sie hoffen, dass alle politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme mit Hilfe dieses Projektes gelöst werden. Ich glaube das nicht. Nicht nur die aserbaidschanischen Unternehmer und Beamten sind korrupt, sondern auch die ausländischen Investoren machen mit. Sie wissen genau, dass sie, um in Aserbaidschan erfolgreich zu investieren, Bestechungsgelder zahlen müssen. Sie passen sich dem Regime an."

    Die aserbaidschanische Regierung weist diese Vorwürfe zurück. Man tue alles, um einem Missbrauch der Gelder vorzubeugen. Aserbaidschan sei ein stabiles Land. Menschenrechtler Mayis Gulaliyev sieht auch das anders:

    "Die Stabilität wird nur vorgetäuscht. Wir haben zurzeit eine verdeckte Revolution. Die Bevölkerung ist jeden Moment bereit, auf die Straße zu gehen und ihre Rechte einzufordern."

    Am vergangenen Wochenende tat sie das bereits. Mehrere hundert Oppositionelle demonstrierten in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku gegen das autoritäre Regime und für freie Wahlen. Sie wurden von Sicherheitskräften nieder geknüppelt, es gab etliche Festnahmen. Die Wortführer der Opposition waren schon im Vorfeld verhaftet worden. Die Manager von BP wollen sich zu politischen Fragen in Aserbaidschan nicht äußern.

    Der Hubschrauber fliegt dicht über dem Boden einen steilen Hang hinauf. Die Schneise, unter der die Pipeline liegt, windet sich in einem weiten Bogen. Ian Cummens beugt sich zum Fenster:

    "Die schwierigsten Gebiete sind für uns die Höhenlagen. Da, sehen Sie? Da liegt noch Schnee. Vor wenigen Wochen war er noch zwei Meter hoch. Wir konnten seit Oktober dort nicht sicher arbeiten."

    In Georgien verläuft die Pipeline dicht am Borjomi Nationalpark vorbei. Das sei ein Risiko, sagen georgische Umweltschützer. Denn die junge Republik setzt vor allem auf Öko-Tourismus. Die Pipeline könnte Touristen abschrecken. Die Manager von BP und georgische Experten beteuern jedoch, der Nationalpark sei nicht gefährdet. Ebenso wenig wie die berühmten Mineralquellen von Borjomi. David Glendinning ist einer der Manager im Tifliser Büro von BP:

    "Die Pipeline Baku-Ceyhan wurde mit extrem hohen Standards gebaut. Technische, Umweltschutz- und Sicherheitsnormen entsprechen mindestens den EU-Standards. Dass so viele internationale Teilhaber das Projekt finanzieren, hat dazu geführt, dass diese Pipeline im Vergleich zu anderen noch transparenter ist. Denn es gibt sehr viele externe Organisationen, die den Bau beobachten."

    Nach einer knappen Stunde landet der Hubschrauber am Rand von Akhaltsikhe nahe der türkischen Grenze. Ian Cummens fährt direkt zur Baustelle. Neben Briten arbeiten hier auch Inder, Russen, Georgier und Türken. Die Pipeline hat Jobs in die entlegenen Gegenden des Kaukasus gebracht - wenn auch nur für eine begrenzte Zeit.