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Ölförderung in der Tiefsee
Pipelines überwachen, ohne nass zu werden

Erdölvorkommen in der Tiefsee werden für die Rohstoffindustrie zunehmend interessanter. Da es sich bei den Bohrstellen unter Wasser oft um umweltsensitive Bereiche handelt, sind Rohrleitungen notwendig, die besonders sicher sind. Um diese zu überwachen, haben norwegische Wissenschaftler das System SmartPipe entwickelt.

Von Bernd Schlupeck | 02.09.2014
    Die Fahne von Norwegen weht im Wind. Im Hintergrund: das Meer
    Dass SmartPipe funktioniert, hat ein sechsmonatiger Testlauf im Fjord vor Orkanger gezeigt, 40 Kilometer von Trondheim entfernt. Von allen Sensoren wurden zuverlässig Signale empfangen. (picture alliance / ZB)
    Sieben Jahre und 13,5 Millionen Euro habenOle Oystein Knudsen und sein Team in das Projekt Smart Pipe investiert. Ergebnis: ein System, mit dem Unterwasser-Öl-Pipelines von der Plattform aus kontinuierlich überwacht werden können. Es soll kleinste Risse und eine fortschreitende Materialermüdung frühzeitig erkennen, um so Leckagen zu vermeiden.
    "Am Anfang hatten wir nur die Software und suchten nach einem geeigneten System, um diese einzusetzen. Also haben wir uns auf dem Markt umgeschaut. Das hat insgesamt etwa zwei Jahre gedauert. Dann gab es Probleme mit der Finanzierung, was oft der Fall ist bei neuen Technologien. Schließlich haben wir das System in zwei Jahren aufgebaut und mussten es dann noch ein Jahr testen",
    erklärt Ole Oystein Knudsen, Projektleiter und Wissenschaftler der unabhängigen Forschungsorganisation SINTEF die lange Entwicklungszeit.
    Um SmartPipe zu testen, haben die Forscher die Miniversion einer Pipeline konstruiert. Sie ist 216 Meter lang, 25,4 Zentimeter im Durchmesser – und mit handelsüblicher Analyse-Elektronik ausgestattet.
    Insgesamt bestehe das System aus vier Komponenten, sagt der norwegische Forscher. Da sind zunächst die Sensoren, die alle 24 Meter auf die Außenhaut der Stahlröhre geklebt sind. Diese messen permanent Temperatur, Druck und Durchfluss und erfassen Neigung, Wanddicke und Dehnung. Zweite Komponente ist ein kabelloses Datenübertragungssystem entlang der Röhre. Lithium-Ionen-Batterien zur Energieversorgung und ein Computer zur Datenanalyse auf der Plattform komplettieren den Aufbau.
    "Um etwa eine Aussage über Korrosion zu machen, analysieren wir die Wanddicke der Pipeline. Dazu produziert ein Ultraschallsender Töne, die innerhalb der Röhre als konstantes Echo hin- und herwandern. Der Sensor misst dann das Zeitintervall zwischen zwei Tönen, woraus wir dann eine mögliche Verringerung der Wanddicke berechnen. Das geht auf zehn Mikrometer genau. Diese Daten werden dann eingesammelt und bis zum Ende der Röhre gesendet. Am Förderkopf der Pipeline angekommen, werden die Signale umgewandelt und über ein Glasfaserkabel an die Plattform geleitet. Dort werden die Daten per Computer ausgewertet, so dass der Operator in der Lage ist, zu reagieren."
    Problem: Wie gelangen die gesammelten Daten vom Sensor zur Plattform?
    Bei der Entwicklung des Systems standen die Forscher vor zwei Problemen. Erstens: Wie können die Sensoren dauerhaft wasserdicht verpackt werden? Zweitens: Wie gelangen die gesammelten Daten vom Sensor zur Plattform? Das erste Problem konnte relativ einfach gelöst werden: Um die Sensoren gegen Nässe zu schützen, werden sie vor der Installation in kleine Stahlröhrchen gesteckt, die dann versiegelt werden. Zusätzlichen Schutz bietet der Plastikmantel rund um die Pipeline, der gleichzeitig zu schnelles Auskühlen und Schäden durch Schleppnetzfischerei verhindert.
    Das Problem der Datenübertragung war schwieriger zu lösen. Denn sie sollte kabellos über elektromagnetische Wellen erfolgen. Daher entschieden die Forscher sich, das Übertragungssystem in den Plastikmantel einzubauen.
    "Man muss sich das wie bei einem Handy vorstellen. Allerdings würden die Funkwellen in der Tiefsee nur etwa einen Meter weit kommen. Innerhalb des Mantels können die Daten nun mehrere hundert Meter entlang der Pipeline übermittelt werden. Jeder Sensor kann dabei Daten empfangen und weiterschicken bis sie schließlich an der Plattform ankommen."
    Weitere Tests unter Realbedingungen geplant
    Dass SmartPipe funktioniert, hat ein sechsmonatiger Testlauf im Fjord vor Orkanger gezeigt, 40 Kilometer von Trondheim entfernt. Von allen Sensoren wurden zuverlässig Signale empfangen. Nun muss das System seine Funktion noch unter Realbedingungen beweisen: Denn der Fjord vor Orkanger ist nicht die Tiefsee, wo auf etwa 2.000 Metern ein Schwerdruck von über 200 bar herrscht. Und die Teströhre erreicht nicht annähernd die Ausmaße handelsüblicher Pipelines. Aber:
    "Wir planen ein Up-Scaling des Prototyps, weitere Tests in der Tiefsee und wollen in einem Jahr eine marktfähige Version anbieten. Das System soll dabei nicht mehr als fünf Prozent der Pipeline kosten; ein Meter kostet derzeit 1.100 bis 1.500 Euro."
    Einziger Nachteil: SmartPipe kann nicht bei bestehenden Pipelines nachgerüstet werden.