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Ölpreisschock - und was macht die EU?

Das Benzin in Deutschland bleibt erst einmal teuer, so die Einschätzung der Bundesregierung und auch der Wirtschaft. Die Diskussion um Gegenmaßnahmen, wie etwa eine sinnvolle Energiepolitik, läuft auf Hochtouren: Man müsse verstärkt auf Biokraftstoffe setzen und den Verbrauch drosseln, heißt es. Unterdessen werden auch aus der Tschechischen Republik deutlich steigende Benzinpreise gemeldet. Vor allem deutsche Tanktouristen treiben den Preis nach oben. Wie und ob die Europäische Union auf den Ölpreis-Schock reagieren sollte, daüber macht sich in unserer heutigen Europakolumne Alois Berger Gedanken.

    Wahrscheinlich wird es wieder nichts mit dem Aufschwung in Europa. Daran ist nicht zuletzt der hohe Ölpreis schuld. Die amerikanische Regierung hat jetzt sogar angefangen, die nationalen Erdölreserven frei zu geben, um ihre Wirtschaft zu entlasten. Und was macht die Europäische Union?

    Hoffentlich nichts. Denn alles, was die EU jetzt auf die Schnelle tun könnte, wäre noch schlechter für die Zukunft als der hohe Ölpreis. Energiesparprogramme, Förderung alternativer Energien, das alles läuft ohnehin seit vielen Jahren. Da ist die Europäische Union weltweit führend. Natürlich stimmt es, dass man noch mehr Energie einsparen könnte, dass die EU noch mehr für die Umstellung auf nachwachsende Rohstoffe tun könnte. Aber dafür müssten die Bürger auch bereit sein, mitzumachen. Solange die Mehrheit der Bevölkerung eine erfolgreiche Energiepolitik daran misst, wie billig der Sprit an der Zapfsäule ist, solange wird sich nichts ändern.

    Das Problem ist nicht, dass Öl derzeit so teuer ist, sondern, dass Öl in der Vergangenheit so billig war. Deshalb wurde zuwenig in Energiesparmaßnahmen investiert, deshalb verbrauchen unsere Autos und unsere Fabriken mehr Benzin und Öl als notwendig wäre. Und deshalb trifft uns der hohe Ölpreis so hart.

    Jahrelang hat die Europäische Kommission immer wieder versucht, die Autoindustrie zu verpflichten, sparsamere Motoren zu entwickeln. Stichwort: Drei-Liter-Auto. Aber das ließ sich bisher nie durchsetzen. Auch deshalb nicht, weil die deutsche Regierung sich dagegen sperrte. Und weil die Fahrzeuge auch noch immer größer werden, verbrauchen wir auch in Europa von Jahr zu Jahr mehr Benzin statt weniger.

    Dabei ist das Grundproblem seit langem bekannt. Die weltweiten Ölvorkommen sind begrenzt. Irgendwann in den nächsten Jahrzehnten werden sie zu Ende gehen. Dazu kommt, dass große Teile der Ölvorkommen in Ländern wie dem Irak, Iran, Libyen oder Saudi Arabien liegen. Länder, von denen man besser nicht abhängig sein sollte. Außerdem ist Erdöl sowieso zu schade, um es zu verbrennen. Die meisten Kunststoffe und selbst Medikamente werden aus Öl gemacht. Mit dem Öl, das noch bleibt, sollten wir sparsamer umgehen.

    Auch wenn sich die Lage in den nächsten Wochen entspannen und der Ölpreis wieder sinken sollte, langfristig führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen unabhängiger werden vom Öl. Das heißt: Umsteuern auf andere Energiequellen, auf Windkraft, Sonne und Biokraftstoffe. Vor allem aber heißt das: Energie sparen.

    Der Schock der letzten Tage könnte heilsam sein. Vor allem, weil er die Länder und die Branchen am härtesten trifft, die in der Vergangenheit am wenigsten getan haben, um ihren Energieverbrauch zu senken. Deutschland mit seiner Ökosteuer steht da gar nicht so schlecht da. In Ländern wie Griechenland oder Spanien richtet der Ölpreis derzeit viel größeren Schaden an.

    Damit werden auch die Grenzen einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik deutlich. Natürlich ist es vernünftig, möglichst viele Maßnahmen für eine bessere Energiepolitik europaweit zu beschließen. Aber es hat keinen Sinn, beim Umsteuern auf die langsamste EU-Regierung zu warten. Soviel Zeit haben wir nicht mehr. Ohne Alleingänge – wie im Fall der deutschen Ökosteuer – wird es auch in Zukunft nicht gehen.

    Die Europäische Union braucht keine einheitliche Energiepolitik um jeden Preis. Was Europa braucht, ist ein Wettbewerb um die beste Energiepolitik. Der hohe Ölpreis hat die Spielregeln für alle deutlich gemacht: Wer den Ölverbrauch reduziert, hat langfristig bessere Chancen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung.

    Alois Berger ist freier Journalist in Brüssel. Unter anderem schreibt er für die Süddeutsche Zeitung und die Berliner Zeitung.