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Ölsündern auf der Spur

Erschreckend oft verklappen Schiffe ihre Abfälle aus Ölprodukten auf hoher See anstatt sie ordnungsgemäß im Hafen zu entsorgen. Und - wie man im Zusammenhang mit dem gesunkenen Tanker "Prestige" vor der nordspanischen Küste sehen konnte - so mancher Kapitän nutzt sogar skrupellos die sowieso schon katastrophale Situation, um sein Altöl auch noch schnell und billig los zu werden. So stammte beispielsweise das Öl, das an den portugiesischen Küsten gefunden wurde, eindeutig nicht von der "Prestige". Um solche Umweltverschmutzer zu überführen, gibt es Ölprobenkarteien, mit deren Hilfe Chemiker den Meeressündern auf die Spur kommen können. Ein Labor betreibt zum Beispiel das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in der Außenstelle Sülldorf.

Von Annette Winkler | 06.02.2003
    Zwei braune Flaschen - wie die aus der Apotheke - stehen auf dem Labortisch hinter Glas. Ihr Inhalt: Schweröl vom Tanker Prestige:

    Das sind also die beiden Ölproben, wenn Sie sehen, bei 20 Grad, wenn Sie die Flaschen aufschrauben und die Flaschen umdrehen, da läuft nichts aus. Es ist also fest bei 20 Grad im Labor. Es ist toxisch, es ist also hier ein Schweröl aus russischer Produktion. Man kann so leger sagen: der letzte Dreck.

    Gerhard Dahlmann bekommt täglich solche Ölproben zugeschickt - nicht nur von großen Tankerunfällen, sondern vor allem von unauffälligeren Verschmutzungen in der Nord- und Ostsee. Das übliche Verfahren: Marine, Wasserschutzpolizei, Zoll und Bundesgrenzschutz entnehmen Proben von Ölteppichen und schicken sie an das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Dann beginnt die Arbeit für Dr. Gerhard Dahlmann und seine zwei Mitarbeiter: die Analyse. Mittels komplizierter Verfahren, der Gaschromatographie und der Massenspektrographie, wird das Öl genau untersucht, denn es besteht aus Tausenden von organischen Verbindungen:

    Die eigentliche Hauptuntersuchung besteht in der Bestimmung von 400 bis 500 einzelnen Komponenten. Damit erhalten wir eine Art Fingerabdruck des Öls, den wir mit dem Fingerabdruck von Proben aus verdächtigen Schiffen vergleichen.

    Früher musste er dafür haufenweise Ordner durchblättern, heute geht das per Computer. In der Datenbank des Chemikers, die er selbst aufgebaut hat, finden sich 1000 solcher "Fingerabdrücke" von Ölen aus aller Welt. Zum Beispiel Arabisches Schweröl oder Dieselöl aus Libyen. Diese Fingerabdrücke sind in Wirklichkeit Diagramme, mit Kurven und Ausschlägen. Stimmt nun ein solches Diagramm von einem verdächtigen Schiff mit dem Muster der Ölprobe haargenau überein - Volltreffer! Das Strafverfahren kann eingeleitet werden. Das motiviert Mitarbeiterin Gerda Ackermann, die als erste die Ölproben bearbeitet:

    Die Genugtuung zu haben, wenn man dann eben auch ein Schiff auf frischer Tat sozusagen ertappt hat, die dann natürlich auch strafrechtlich verfolgt werden, auch ihre Strafen bezahlen müssen. Ich hätte das nie geahnt, dass so was so häufig vorkommt. Das kriegt man ja als Normalbürger gar nicht mit, da wenn die Schiffe ihre Bilgen ablassen und irgendwelche Tanks reinigen und einfach ihren Müll loswerden wollen, weil es einfach billiger ist. So was erfährt man ja sonst gar nicht.

    Ein kleines Probenfläschchen überführt einen großen Tanker. In drei Vierteln der Fälle sind die Ölexperten in Hamburg erfolgreich. Häufig muss Gerhard Dahlmann als Gutachter im Gericht aussagen. Für den Chemiker, der seit 25 Jahren am Bundesamt arbeitet und die komplizierten Analyseverfahren entwickelt hat, ist das immer wieder Ansporn:

    Etwa 300 bis 400 Ölverschmutzungen in unseren Küstengewässern sind zu viel, pro Jahr, man muss alles tun, um das zu verhindern.

    Deshalb sitzt der 52jährige auch nach einem Acht-Stunden-Tag noch zu Hause in Hamburg am Computer und feilt an Programmen. Hinter dem bescheidenen, ja nüchternen Naturell des Wissenschaftlers verbirgt sich ein wahrer Kämpfergeist, weiß Gerda Ackermann:

    Er ist schon ein Kämpfer und hat auch viel in seiner Freizeit schon gemacht. Und das macht nicht jeder, das heißt für mich schon was, dass er da wirklich mit ganzem Einsatz dabei ist, mit seinem Ehrgeiz.

    Sein guter Ruf führte ihn bis nach Neuseeland. Ein Tanker hatte die neuseeländische Küste verunreinigt. Dahlmann wurde als Gutachter gerufen und musste vor Gericht aussagen:

    Die Verhandlung lief also über fünf Tage, und ich stand also einen Tag lang im Kreuzfeuer zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft.

    Sein Einsatz hatte Erfolg: der Verursacher wurde verurteilt. Hierzulande seien die Strafen für Ölsünder viel zu lasch, klagt Gerhard Dahlmann. Dennoch: Fast 1000 Tanker konnte Dahlmann in den letzten Jahren überführen. Dank seiner Arbeit geht es der Nord- und Ostsee heute wieder nachweislich besser.