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Österreich: Erfolg durch niedrige Arbeitskosten

Österreich ist ein wirtschaftliches Erfolgsmodell. Im direkten Vergleich mit Deutschland gibt es bei den südlichen Nachbarn mehr Wachstum und weniger Arbeitslose. Die Arbeitsmarktexpertin am Institut für Wirtschaftsforschung in Wien, Gudrun Biffl, führt diesen Vorsprung auf niedrigere Unternehmenssteuern und preiswertere Arbeitskosten in ihrem Land zurück. Darüber hinaus sei es in Österreich "relativ leicht", Personen zu kündigen.

Moderation: Dirk Müller |
    Müller: Lange Zeit wurde der südliche Nachbar etwas geringschätzig als Alpenrepublik bezeichnet, mitunter belächelt, mitunter bemitleidet. Das kleine Land Österreich, ökonomisch kaum von Bedeutung, ohnehin stockkonservativ verknöchert, allemal für Mozartkugeln gut genug. Wer die Augen allerdings weit genug öffnet, wird feststellen, Österreich ist längst ein wirtschaftliches Erfolgsmodell und dies ganz besonders im direkten Vergleich mit Deutschland. Mehr Wachstum und weniger Arbeitslose. Die aktuelle Arbeitslosenquote liegt bei rund 4,4 Prozent, in Deutschland bei 11 Prozent. Am Telefon sind wir nun verbunden mit Doktor Gudrun Biffl vom Institut für Wirtschaftsforschung in Wien. Guten Morgen.

    Biffl: Guten Morgen.

    Müller: Frau Biffl, seit wann sind die Österreicher nicht nur bessere Skifahrer?

    Biffl: Das heißt, seit wann sind wir auch am Arbeitsmarkt besser als die Deutschen?

    Müller: Genau, so war es gemeint.

    Biffl: Sie wissen, dass wir ein Problem, wenn man es so sagen will, nicht haben, dass die Deutschen haben. Wir haben von der Osterweiterung profitiert, wohingegen die deutsche Wiedervereinigung für Deutschland natürlich eine große institutionelle und finanzielle Belastung war. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist, dass wir mit der Osterweiterung Handelsverbesserungen haben, verstärkten Handel, von dem profitieren wir, und wir haben es irgendwie doch geschafft, von der Osterweiterung wirtschaftlich zu profitieren und wahrscheinlich, würde ich meinen, auch unsere Arbeitsmarktstrukturen und Regelungen sind etwas anders, die also eine rasche Anpassung, einen Strukturwandel leichter machen als jetzt eventuell in Deutschland.

    Müller: Frau Biffl, Österreich hatte in den 70er, 80er Jahren ja auch massive wirtschaftspolitische Problem, dann ist reformiert worden. Welche Strukturen sind angegangen worden?

    Biffl: Den Strukturwandel. Wir sind natürlich schon eher von unserer Wirtschaftsstruktur der deutschen Struktur ähnlich und wir sind in hohem Maße in die deutsche Wirtschaftsstruktur eingebunden als sehr, sehr wichtiger Zulieferer vor allem für die Industriebereiche, die jetzt Deutschland in starkem Maße an die osteuropäischen Nachbarn verlieren, zum Teil sogar noch weiter. Wir haben es offensichtlich geschafft, dass unsere Zulieferung, wenn sie nicht mehr nach Deutschland geht, in die Länder geht, die genau diese Produktion übernommen haben. Das heißt, wir sind irgendwo in gewissen Nischen als Spezialisten drinnen, so genannte flexible Spezialisierung und das hat uns bis jetzt geschützt.

    Müller: Wie geht Österreich mit dem Kündigungsschutz um?

    Biffl: Da haben wir eine deutlich andere Situation als Deutschland. Das ist in Österreich relativ leicht, das ist vergleichbar mit Holland oder Dänemark, Personen zu kündigen und wieder neue aufzunehmen, das heißt, es ist mit wenig Kosten für den Betrieb verbunden. Wir haben daher eine deutlich höhere Fluktuation als in Deutschland und ich nehme an, dass in Zeiten wie diesen, wo es einen starken Strukturwandel gibt, wo sich auch die Betriebe sehr unsicher sind, wo sie hineingehen sollen, dass es wichtig ist, dass es relativ leicht ist, sich von Leuten zu trennen. Aber für die Leute ist es auch wieder leicht, woanders hineinzukommen.

    Müller: Das heißt, Gewerkschaften und Arbeitnehmer haben diese Strukturreform, ein lockerer Kündigungsschutz als in Deutschland akzeptiert?

    Biffl: Das ist aber schon eine lange Sache, es war noch nie so schwierig wie in Deutschland.

    Müller: Wie steht es um das Verhältnis der Arbeitskosten? Ist Österreich tatsächlich preiswerter als Deutschland?

    Biffl: Eindeutig. Österreich liegt unter dem Schnitt des deutschen Lohnniveaus und dann noch eine Sache, die Sie vielleicht auch überraschen wird, Österreich hat wesentlich größere Lohnunterschiede als Deutschland. Das heißt, wir haben eine wesentlich größere Lohnspanne, allein im industriell-gewerblichen Bereich ist Österreich nur vergleichbar mit Kanada und USA. Das heißt, wir haben eigentlich einen Niedriglohnarbeitsbereich, ohne dass es die Leute bemerken.

    Müller: Und beim Thema Steuern?

    Biffl: Da haben wir auch Maßnahmen getroffen, vor allem in jüngerer Zeit, dass es für Unternehmen einen Anreiz bedeutet, nach Österreich zu kommen, in Österreich zu produzieren oder die Produktion nicht in dem Maße in unsere östlichen Nachbarländer zu verlagern, wie es eventuell in Deutschland der Fall ist.

    Müller: Wie ist das konkret gemacht worden? Mit geringeren Unternehmenssteuern, wie das hier beispielsweise derzeit akut diskutiert wird?

    Biffl: Das ist ein Effekt, ja.

    Müller: Unternehmenssteuersenkung?

    Biffl: Ja.

    Müller: Wie sieht es mit Gewerbesteuer aus?

    Biffl: Das Gewerbesystem ist, glaube ich, noch eines der schwierigsten. Allein die Regelungen des Gewerbesystems, das Ständeorganisationsprinzip, das haben wir noch. Das verändert sich sehr, sehr langsam. Da haben wir eindeutig Rigiditäten.

    Müller: Doktor Gudrun Biffl war das vom Institut für Wirtschaftsforschung in Wien.