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"Österreich ist im Sinne des Bankgeheimnisses keine Steueroase"

Othmar Karas, für die ÖVP im Europäischen Parlament, verwahrt sich gegen den Vorwurf, Österreich stelle dank seines Bankgeheimnisses eine Steueroase dar. Sein Land sei offen für Gespräche über die Ahndung von Steuerhinterziehungen, das österreichische Bankgeheimnis schütze nicht die Rechtsverletzung.

Othmar Karas im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: Gut ein Jahr nach der spektakulären Festnahme von Ex-Postchef Klaus Zumwinkel sieht Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sich fast am Ziel. Das Bankgeheimnis in Europa wankt. Die Schweiz, Luxemburg und Österreich sind angezählt, sträuben sich aber weiter vehement gegen die Lockerung des Bankgeheimnisses zu Gunsten von Ermittlungen gegen mögliche Steuerhinterzieher. – Am Telefon begrüße ich den österreichischen Europapolitiker Othmar Karas. Für die konservative ÖVP sitzt er im Europäischen Parlament. Guten Tag, Herr Karas.

    Othmar Karas: Guten Tag.

    Dobovisek: Warum verteidigt Österreich so vehement das Bankgeheimnis?

    Karas: Zum ersten muss man einmal sagen, dass Ihre Anmoderation eigentlich ein falsches Bild zeichnet. Das Bankgeheimnis in Österreich – und das ist meine vollste Überzeugung und auch ein Grundprinzip – schützt vor Rechtsverletzungen nicht und darf es auch nicht schützen. Österreich ist zu konstruktiven Gesprächen auch zum Aufbau einer ambitionierten europäischen und weltweiten Finanzmarktstruktur jederzeit bereit. Wir wollen diese konstruktiven Gespräche. Das Bankgeheimnis schützt die Privatsphäre, es schützt nicht die Rechtsverletzung.

    Dobovisek: Was ist das Angebot von Österreich?

    Karas: Wir brauchen kein Angebot zu stellen. Wir verhandeln in der Europäischen Union am Aufbau dieses neuen europäischen und globalen Finanzmarktes aktiv mit. Es werden hier dem österreichischen Bankgeheimnis Dinge unterstellt, die der Realität nicht entsprechen. Zum ersten: Das Bankgeheimnis schützt nicht vor Steuerbetrug, weil wir ja die Quellenbesteuerung haben und auf europäischer Ebene die Informationspflicht plus die Quellenbesteuerung. Hier gibt es ein Abkommen. Das zweite, was Österreich natürlich immer wollte, ist, dass die Regelungen nicht nur für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gelten, sondern diese Regelung natürlich auch Drittstaaten wie die Schweiz, wie San Marino, wie Liechtenstein mit aufnehmen muss, damit es zu keinen Wettbewerbsverzerrungen kommt. Und das dritte: Österreich ist genauso wie alle anderen Staaten dem OECD-Beschluss beigetreten, dass wir im Amtshilfeverfahren bei Verfahren und Rechtsverletzungen natürlich jegliche Information geben. Für diese Information ist nicht eine Verurteilung notwendig, sondern es dient auch der Hilfe, um aufzuklären. Daher sage ich auch den Zuhörern, das Bankgeheimnis schützt vor Rechtsverletzungen nicht und es behindert notwendige Aufklärungen nicht.

    Dobovisek: Wenn ich da mal einhaken darf, Herr Karas. Warum wollen dann einige EU-Länder wie zum Beispiel Deutschland Österreich gemeinsam mit der Schweiz und Luxemburg auf eine schwarze Liste setzen?

    Karas: Das ist der nächste Punkt. Wir sind massiv dagegen, dass sozusagen schwarze Listen hier erstellt werden auf Lust und Tollerei. Schwarze Listen müssen natürlich in einem geordneten Verfahren nach klaren Kriterien erstellt werden. Österreich stellt klar, dass eine solche Liste von OECD-Daten nur dann infrage kommt, wenn diese auch innerhalb der OECD ausgearbeitet wurden und nicht einfach zum politischen, tagespolitischen Spiel werden. Wir sehen das Bankgeheimnis nicht als Teil einer Steueroase, weil mit einer Steueroase ja verbunden wäre, als könnte man sich wegen des Bankgeheimnisses Steuern ersparen. Wir müssen den Finanzmarkt neu denken. Wir müssen auch transparenter werden. Ich selbst bin Berichterstatter für die Bankenrichtlinien im Europäischen Parlament, die gestern Abend mit 21 zu vier im Ausschuss für Wirtschaft und Währung beschlossen wurde, wo es um die Neuregelung der Aufsicht, wo es um die Weitergabe von Krediten zwischen Banken, wo es um Großkredite geht, wo es um mehr Transparenz bei den Veröffentlichungspflichten von Rating-Agenturen geht. Wir sind sehr offen, alle diese Fragen anzudiskutieren, aber nicht mit Schuldzuweisungen und mit Kriminalisierungen, wo sie nicht am Platz sind.

    Dobovisek: Ist denn Österreich eine Steueroase?

    Karas: Österreich ist im Sinne des Bankgeheimnisses keine Steueroase, weil bei jeglicher Rechtsverletzung, bei jeglicher Nichteinhaltung der Steuergesetzgebung oder bei Fragen der Amtshilfe im Verfahren das Bankgeheimnis nicht schützt, sondern das Bankgeheimnis schützt ausschließlich die Privatsphäre.

    Dobovisek: Aber wenn Österreich sich jetzt gegen entsprechende internationale Informationen über zum Beispiel Banktransfers sperrt, stellt es sich dann nicht gleich mit Liechtenstein?

    Karas: Wer sagt Ihnen, dass Österreich sich gegen internationale Abkommen sperrt?

    Dobovisek: Das habe ich nicht gefragt, sondern gegen einen internationalen Austausch, was das Bankgeheimnis angeht.

    Karas: Es gibt eine Vereinbarung im Zusammenhang mit der Zinsbesteuerung, dass hier zwei Verfahren möglich sind: der Informationsaustausch und die Quellenbesteuerung und die Einbindung der Drittstaaten. Diese Regelung, die in Vehra beschlossen wurde, ist noch nicht ausgelaufen. Wir verhandeln eine Neuregelung. Die Quellenbesteuerung ist Teil des gängigen nationalen Rechts in der Mehrheit der Mitgliedsstaaten und es wird soeben debattiert, wie man mit diesem Vehra-Beschluss und mit der Informationspflicht und/oder Quellenbesteuerung umgeht. Diese Frage ist noch nicht abgeschlossen. Wir verhandeln. Wir wollen gemeinsame Regelungen haben. Wir sehen das eine nicht in Verbindung mit dem anderen, mit dem Bankgeheimnis, und lassen uns da auch nicht in eine Defensive drängen. Wir sind alle Teil des Ganzen und suchen nach gemeinsamen, ambitionierten, europäischen und in diesen Fragen auch weltweiten Regelungen. Die Quellenbesteuerung, sagen mir viele Länder, ist die bessere Lösung, aber ob die Quellenbesteuerung europäisch bleibt, oder wir nur auf die Informationspflicht zurückgehen, das wird derzeit verhandelt und das ist noch offen. Österreich ist offen für die Gespräche, für gemeinsame Lösungen, für gemeinsame Kriterien, die für alle gelten, für ein geordnetes Verfahren.

    Dobovisek: Das sehen Sie so, das sehen aber andere Länder anders, zum Beispiel Peer Steinbrück in Deutschland, zum Beispiel Frankreich.

    Karas: Ich habe den Eindruck, dass hier manchmal auch man Schuldige sucht und einfach öffentlich attackiert wird, weil das manchmal innenpolitisch ganz gut ankommt. Das ist nicht mein Stil. Ich bin auch im Europaparlament dafür, dass man aufeinander zugeht, wenn man miteinander Probleme hat, dass man sich nicht über die Öffentlichkeit etwas ausrichtet, sondern sich zusammensetzt. Dann kann man manche Missverständnisse beseitigen, oder man kommt zum Ergebnis, Ja, hier ist etwas zu tun, dann wird man gemeinsam nach Lösungen suchen. Mit Schuldzuweisungen aus innenpolitischer Sicht hat man noch nie eine gemeinschaftliche Lösung im schnellsten Weg erreicht.

    Dobovisek: Der österreichische Europaabgeordnete Othmar Karas. Vielen Dank für das Gespräch.

    Karas: Herzlichen Dank!