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Österreich
Kein eigenständiges Wissenschaftsministerium mehr

Die Entscheidung der neuen Regierung in Österreich, die Wissenschaft dem Wirtschaftsressort zu unterstellen, löst Proteste aus. Die Entscheidung spiegele den Stellenwert von Forschung und Wissenschaft wider, monieren Kritiker.

Von Stephan Ozsváth | 16.12.2013
    Mit Protesten startet die neue Regierung in Österreich. 45.000 Internet-Nutzer drückten über das Wochenende den Gefällt-mir-Button einer Facebook-Seite für ein eigenes Wissenschaftsministerium. 13.000 unterschrieben eine entsprechende Online-Petition. Die Unis in Österreich haben heute Schwarz geflaggt. 200 Studenten erwarteten die neue Regierung vor dem Amtseid vor der Wiener Hofburg und forderten den Präsidenten auf, die neue Regierung nicht zu vereidigen.
    "Es ist ganz klar ein Schlag ins Gesicht für uns Studierende."
    Sagt Julia Freidl, Sprecherin der österreichischen Hochschülerschaft. Für sie ist Wissenschaft künftig ein "Beiwagen" der Wirtschaft. Denn dort sind künftig die zwei W-Ressorts unter einem Dach vereint. Auch die Hochschullehrer sind entsetzt. Wolfgang Schütz und Sonja Hammerschmidt stehen den Medizinischen und Tiermedizinischen Unis in Wien vor.
    "Alle meine Kollegen, die ich zwischenzeitlich gesprochen haben, sind eigentlich teilweise paralysiert - im übertragenen Sinn des Wortes. Obwohl es immer in der Luft lag, dass das passieren wird, und wir konnten es bis zuletzt nicht glauben, dass die wissenschaftlichen Agenden jetzt auf einem Nebengleis stehen."
    "Diese politische Entscheidung ist eigentlich ein Ausdruck dessen, wie der Stellenwert von Forschung, Entwicklung und Wissenschaft in der Gesellschaft Österreichs gesehen wird und spiegelt eigentlich nur das wider. Und ich bin wirklich traurig darüber, ich bin geschockt darüber."
    Geschockt ist auch der bisherige Wissenschaftsminister Karl-Heinz Töchterle. Der Altphilologe kam aus der Wissenschaft. Bevor er Minister wurde, war er Rektor der Universität Innsbruck gewesen. Ihn hat der Rausschmiss kalt erwischt. Der Vizekanzler und Chef der Konservativen, Spindelegger überbrachte ihm die schlechte Nachricht. Karl-Heinz-Töchterle.
    "Das hat mir Michael Spindelegger so erklärt: Er wollte ein Ministerium für Jugend und Familie machen. Und er konnte die Zahl der Ministerien aber nicht vermehren. Also musste ein anderes Ministerium dran glauben. Und das war eben das Wissenschaftsministerium, das jetzt mit dem Wirtschaftsministerium fusioniert wird. Es ist zumindest einmal kein schönes Signal. Gerade auch vor dem Hintergrund der Ökonomisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung."
    Wie es um die Geisteswissenschaften in Österreich künftig stehen wird, ist unklar. Im Koalitionsvertrag ist nur ein dürrer Satz dazu vermerkt. „Potenziale der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften“ sollten gehoben werden. Vizekanzler Michael Spindelegger sagt zur Abschaffung des Wissenschafts-Ministeriums.
    "Ich habe mir vorgenommen, rund um das Thema Forschung - ob Grundlagenforschung, die an den Universitäten betrieben wird, oder angewandte Forschung, die auch in den Betrieben stattfindet - neue Kompetenzen anzusiedeln. Und das ist ein ganz wichtiges Zukunftsthema. Darum ist das jetzt nicht ein Symbol, dass man Wissenschaft nicht ernst nimmt. Sondern es gibt eben eine neue Einheit und einen neuen Minister, der für beides zuständig ist. Aber deswegen wird Wissenschaft und das Ministerium ja nicht abgeschafft - es geht in einem größeren Ganzen auf."
    Bis 2020 sollen zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Unis und FHs ausgegeben werden, nach heutigem Stand entspräche das etwa 6 Milliarden Euro. Die Rede ist im Koalitionsvertrag davon, künftig auch "höhere private Forschungsinvestitionen" auszulösen. Die Frage ist: Wo geht das Geld hin ? Der Schwerpunkt im Koalitionsvertrag liegt klar auf den Naturwissenschaften. So soll "wirtschaftsnahe" Forschung gefördert werden. Schon die Jüngsten Forscher sollen mit Schülerpraktika an Naturwissenschaften herangeführt werden. Der ehemalige Wissenschaftsminister Erhart Busek von den Konservativen vergleicht die Alpenrepublik mit dem Nachbarn Deutschland.
    "In das benachbarte Deutschland blickend, können wir feststellen, dass dort nicht nur mehr Geld, sondern dem auch eine ganze, größere Bedeutung gegeben wird. Wir reden alle ständig über die Bedeutung von Bildung und Wissenschaft, über Innovation, über die Frage der Forschung, was hier alles mehr geschehen soll - die wirkliche Antwort besteht darin, das Ministerium abzuschaffen."