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Österreichische Asylpolitik
Iraker und Afghanen kehren zurück

Österreich will künftig nur noch 80 Asylanträge pro Tag bearbeiten. Dadurch wird nicht nur ankommenden Flüchtlingen die Aussicht auf ein schnelles Verfahren erschwert. Auch die bereits in Österreich auf die Bearbeitung ihres Asylantrages wartenden Migranten spüren den Druck. Immer mehr entscheiden sich inzwischen zur Rückkehr in die Heimat - so auch in Salzburg.

Von Susanne Lettenbauer | 22.02.2016
    Grenzübergang Spielfeld an der österreichisch-slowakischen Grenze
    Grenzübergang Spielfeld an der österreichisch-slowakischen Grenze (dpa / picture-alliance / Gyorgy Varga)
    Unauffällig und mit gesenktem Kopf stehen die Männer an diesem Morgen in der Abflughalle des Salzburger Flughafens. Freunde aus den Asylunterkünften begleiten sie. Sie unterhalten sich leise. Zwei Männer aus dem Irak und einer aus Afghanistan halten Briefumschläge und Bordkarten in der Hand.
    Es sei ein zwiespältiges Gefühl, sagt Halgur Abdulla aus dem kurdischen Autonomiegebiet im Nordirak. Vor sieben Monaten sei er aus seiner Heimatstadt Slemani mit dem Auto, Boot und am Ende auch zu Fuß bis nach Österreich gekommen. Damals herrschte im Norden des Irak der IS-Terror, das sei vorbei, sagt der 21-Jährige, deshalb fliege er wieder zurück. So habe er es der Rückkehrerberaterin der Caritas erklärt. Ein wichtiger Grund sei aber, so sagt er es jetzt am Flughafen, die lange Wartezeit gewesen. In den sieben Monaten habe er nur einen Deutsch-Kurs besuchen können, auf die Anhörungen zum Asylantrag musste er bis heute warten.
    Er fühle sich schlecht und gut gleichzeitig, erzählt der 25-jährige Iraker Aidar. Heute fliege er wieder zurück nach Diwaniyah im Südirak. Seine Eltern seien ziemlich alt, sie seien krank geworden, er könne in der Situation nicht mehr länger in Österreich bleiben und auf die Anhörungen warten.
    Der dritte Rückkehrer aus Afghanistan, der noch am selben Tag in Kabul ankommen wird, möchte lieber nichts sagen. Begleitet werden die drei Männer von der Caritas-Mitarbeiterin Daniela Lukic. Energisch erklärt sie das Prozedere:
    "Ich begleite die Herren zum Check-in, dann bekommen sie von mir die Reintegrationshilfe vom Ministerium, das sind in dem Fall 370 Euro pro Person. Ich erkläre Ihnen dann, was sie weiterhin zu tun haben beim Umsteigen. Dann fliegen sie mal alle nach Wien, dort werden sie von einem Mitarbeiter der IOM abgeholt und zum nächsten Flugzeug begleitet nach Istanbul, und von dort geht's für zwei Herren in den Irak, und einer fliegt nach Afghanistan nach Kabul."
    Caritas-Mitarbeiter begleiten rückkehrwillige Asylbewerber
    Daniela Lukic betreute das Rückkehrgesuch der drei jungen Männer in den vergangenen vier Wochen. Sie sprach mit den Flüchtlingen über die Situation in ihren Heimatländern. Sie begleitet sie nach Wien zu den Botschaften. Neue Pässe mussten beantragt werden, ein Rückkehrvisum wurde ausgestellt. Die übliche Vorgehensweise. Zwei- bis dreimal pro Woche begleiten Caritas-Mitarbeiter rückkehrwillige Asylbewerber zum Salzburger Flughafen. Das Flughafenpersonal weiß Bescheid. Seit Herbst sei die Zahl der Flüge merklich gestiegen, sagt die Leiterin der Caritas Salzburg, Gerlinde Hörl:
    "Wir haben zur Zeit tatsächlich einen erstaunlichen Hype um Rückkehrer unter Asylwerbenden, und da muss man jetzt ganz klar dazu sagen, sehr viele unserer aktuellen Rückkehrenden sind noch nicht sehr lange in einem Asylverfahren hier in Österreich."
    Bei den Flüchtlingen klang das anders, sieben Monate hätten sie gewartet, ohne Jobperspektive oder Asylbewilligung.
    Im gesamten letzten Jahr seien 85 Rückkehrer aus Salzburg ausgeflogen worden, zählt Hörl auf. Während im ersten Halbjahr vor allem Migranten aus den Westbalkanstaaten in die Heimat zurückkehrten, waren es seit Herbst 2015 vor allem Iraker und Afghanen. Da diese aber großteils keine Papiere hätten, dauere das Verfahren noch so lange. Die Botschaften seien dabei kooperativ, betont die Sozialarbeiterin:
    "Sehr oft müssen die Personen bei der Botschaft vorsprechen, reisen also nach Wien an, haben vielleicht noch irgendwelche Fotos von Identitätsdokumenten, werden dort auch noch mal zusätzlich befragt nach Verbindungen zum Heimatland etc. Und wenn dann für die Botschaften unmissverständlich feststeht, das es ein eigener Staatsangehöriger ist, dann werden auch Ausreisezertifikate ausgestellt, also da gibt es eigentlich eine reltiv gute Zusammenarbeit."
    Rund 4.000 Asylbewerber sind derzeit im Land Salzburg untergebracht
    Auch Syrer wollten gern wieder nach Hause, aber da gebe es aus Sicherheitsgründen noch starke Bedenken vonseiten der Behörden, so Hörl. Rund 4.000 Asylbewerber sind derzeit im Land Salzburg untergebracht. Zehn Prozent von ihnen wählen die freiwillige Ausreise. Die Flüchtlinge verfolgen die politische Diskussion in Österreich sehr genau, kennen auch die beschlossene Obergrenze und dass nur noch 80 Asylanträge pro Tag gestellt werden dürfen. Bei der Rückkehrerberatung erfahren sie aber auch, dass das österreichische Innenministerium ihnen die 370 Euro als Eingliederungshilfe auf den Rückflug mitgibt. In ihrer Heimat werden sie im Idealfall nicht alleingelassen. Spezielle Resettlement-Programme der Internationalen Organisation für Migration IOM -Netzwerkes stellen den Rückkehrern in Sachleistungen bis zu 3.000 Euro zur Verfügung. Bei dem letzten Vernetzungstreffen der IOM- und Projektpartner aus den Heimatländern habe sie Erfolgsgeschichten gehört, erzählt Salzburgs Caritas-Chefin stolz:
    "Ich habe mich unglaublich gefreut über Fotos von Klienten von mir, die nach Pakistan in einen sehr ländlich geprägten Raum zurückgekehrt sind. Da habe ich sie auf Traktoren fahren gesehen und eben auch ihre eigene Landwirtschaft bewirtschaften sehen, wo es um die Ausstattung noch einmal gegangen ist. Das war ein ganz, ganz schönes Bild."
    Im Irak gibt es diese Rückkehrerprogramme nicht. Halgur und Aidar wollen sich erst mal Arbeit suchen, bei ihren Familien bleiben. Mit ihren Freunden in Salzburg wollen sie telefonisch Kontakt halten. Die Freunde, ebenfalls Flüchtlinge, die aber in Salzburg bleiben, macht der Abschied nachdenklich:
    "Ich habe versucht, ihn davon abzubringen, ihn umzustimmen, aber er wollte wieder heim. Er ist der Einzige, der sich um seine Eltern kümmern kann. Sie sind krank geworden, also muss er nach Hause. Wenn ich in der Situation wäre, würde ich genauso entscheiden. Das wäre meine Pflicht."