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Östliche Weisheiten

Eine Woche lang war eine Gruppe von deutschen Wissenschaftsjournalisten in China unterwegs, um die chinesische Wissenschaftslandschaft kennen zu lernen. Eingeladen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft besuchten sie zehn verschiedene Universitäten. Es war eine Premiere nicht nur für die deutschen Teilnehmer, sondern auch für die chinesischen Wissenschaftler, die oft zum ersten Mal Kontakt mit Wissenschaftsjournalisten hatten.

Moderation: Monika Seynche |
    Monika Seynche: Für uns dabei war Uli Blumenthal, der seit gestern wieder in Deutschland ist. Herr Blumenthal, China gilt ja in vielen Bereichen als Boom-Land Nummer eins. Hatten Sie den Eindruck, dass es auch für die Wissenschaft zutrifft?

    Uli Blumenthal: Dieses Boom-Land China wird ja immer verbunden mit zweistelligen Zuwachsraten, und auch diesen Eindruck konnte man gewinnen, wenn man einige Beispiele sich vor Augen hält, die wir in China gesehen haben. Da ist zum Beispiel die Jiaotong-Universität in Schanghai. Sie hat sechs Campi, also sechs mal einen riesengroßen Campus, wie ihn eine deutsche Universität hat. Der größte ist drei Quadratkilometer groß, das sind 300 Hektar, also unvorstellbare Dimensionen. Der Kostenpunkt für diesen einen großen Campus war fünf Milliarden RMB, das ist die chinesische Landeswährung. Umgerechnet 500 Millionen Euro hat man in fünf Jahren dort hineingesteckt, hat diesen Campus aufgebaut, ohne technisches Gerät. Das sind Dimensionen, für Deutschland völlig unvorstellbar. Eine zweite Zahl vielleicht dazu, das ist das Budget der NSFC, die National Natural Science Foundation of China, das ist die Parallelorganisation zur DFG, zur Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die hat 2006 einen Etat von 350 Millionen Euro gehabt. Das ist zwar weniger als die DFG in Deutschland, aber allein die Steigerungsraten, die man dort anstrebt, sind wirklich atemberaubend. Gegenüber dem Etat 2001-2005, den will man verdoppeln und 2006 bis 2010 zwei bis drei Milliarden Euro erreichen und damit hat man beispielsweise, mit dem Etat 2005, zehntausend einzelne Projekte gefördert. Und vielleicht eine dritte Zahl, die nicht unbedingt ein Beispiel für eine boomende Wissenschaftslandschaft ist: 300.000 Wissenschaftler verlassen jedes Jahr China und 100.000 kehren zurück. Aber man setzt wirklich sehr stark finanzielle Mittel ein, Programme, um beispielsweise die Wohnraumsuche zu erleichtern, um diese Wissenschaftler wieder zurück zu holen. 100.000 jährlich kommen zurück von diesen 300.000.

    Seynche: Das heißt, man finanziert oder tut sehr viel Geld in das System hinein. Kommt denn da wirklich auch was raus? Also ist das drin, was drauf steht?

    Blumenthal: Wir haben zwei Beispiele rausgesucht, die das ein bisschen illustrieren, wie kompliziert es ist für uns, von draußen reinzuschauen. Das ist einmal die chinesische Landwirtschaftsuniversität in Peking. Die arbeiten an gentechnisch veränderten Pflanzen, also Pflanzen, die kälteresistent sind, Pflanzen, die resistent gegen Krankheitserreger sind, wo Mais und Reis im Vordergrund stehen. Dort ist auch eins von drei Referenzlabors, was sich beispielsweise beschäftigt mit der Frage Sicherheit bei gentechnisch veränderten Pflanzen. Sicherheit als Referenzlabor auch, um zu sagen, dort gibt es keine Übertragungsprobleme und so weiter. Allerdings gesehen haben wir davon nicht viel. Wir haben gar nicht gesehen, womit die arbeiten. Uns konnte auch kein Wissenschaftler sagen, welche Gene genau sie ändern. Das Verrückteste war dann: Da hat man ganz stolz auf einen Flur verwiesen, den wir besucht haben, und gesagt: Das ist der önologische Flur. Wir haben einen Weinkeller gesehen, der nachgebildet wurde. Man hat ganz stolz Weiß- und Rotweinflaschen gezeigt, die aus der Universität herauskommen. Also das war schon ein bisschen verwirrend für uns.

    Ein anderes Beispiel war ein motortechnisches Institut. Dort war eine Halle, wo Versuchsfahrzeuge standen. Das war wie ein riesiges Parkhaus in Deutschland. Dann haben wir ein Akustiklabor gesehen, wo ein Auto drinstand, Rollstände. Dort forscht man, sagte man uns, an Brennstoffzellenfahrzeugen. Allerdings haben wir keine einzige Brennstoffzelle gesehen. Und am Abend hatten wir ein Treffen mit dem Präsidenten dieser Universität. Auf die Frage: Wir haben keine Brennstoffzellenlabors gesehen, keine arbeitenden Wissenschaftler, sagte der Universitätspräsident: 1995 ist ein Kollege aus Kanada zurückgekommen, der hat bei Ballard gearbeitet - das ist eine kanadische Firma, führend bei Brennstoffzellen -, und der hat dann in China eine Firma gegründet und seitdem beherrschen wir diese Technik.

    Seynche: Jetzt hört man immer wieder, dass Internetseiten in China gesperrt werden, dass Zugang zu Informationen reglementiert wird. Inwieweit betrifft das denn die Wissenschaft?

    Blumenthal: Wir waren im Rechenzentrum der Universität in Peking. Dort haben wir einen Vortrag gehört in einem ganz kleinen Kinosaal. Auf einmal wurde die Wand transparent und wir haben irgendwelche Bilder gesehen über Internetverbindung. Allerdings sind das alles china-interne Verbindungen. Die Anbindung an das Ausland ist sehr stark reglementiert. Es gibt sozusagen kostenpflichtige Angebote, die müssen Studenten kaufen, aber sie können sie gar nicht kaufen, und wenn, dann stimmt es auch, dass teilweise selektiv bestimmte Seiten gesperrt werden, bestimmte Themen, bestimmte Suchbegriffe gesperrt werden.