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Offene Grenzen

Babylonisches Stimmengewirr im Hamburger Rathaus: Vertreter aus fast allen Kontinenten sind zur Eröffnung des Kongresses über den Europäischen Hochschulraum gekommen. Die Experten aus Politik und Hochschule sind sich einig: Innerhalb Europas ist das Wechseln von einem Land zum anderen für Studenten einfacher geworden. Aber die Situation in Nordamerika und in

Von Jens Wellhöner |
    Großbritannien trübt die gute Stimmung. Denn die neuen Bachelor- und Master-Abschlüsse werden dort häufig nicht anerkannt. Vicky Lewis, vom Internationalen Büro der britischen Universität Bournemouth:

    Nur wenige Kollegen aus Großbritannien sind hierher nach Hamburg gekommen. Daran können sie sehen: Das neue europäische Abschlusssystem hat bei uns keine Priorität. Meine Landsleute vom Nutzen der neuen Abschlüsse zu überzeugen: Das wird ein harter, langsamer Kampf!

    Auch in den USA und Kanada sieht es nicht besser aus. Nordamerikaner sind zur Kongresseröffnung in Hamburg überhaupt nicht erschienen. Vicky Lewis aber kennt viele ihrer US-amerikanischen Kollegen:

    Nur die, die sich speziell für den Internationalen Austausch interessieren, kennen das neue europäische System überhaupt. Ich glaube, die Amerikaner sind aufgeschlossen gegenüber europäischen Studenten. Aber sie wissen noch einfach zu wenig über den Bologna-Prozess.

    Die Mitarbeiter der Brüsseler Academic Cooperation Association ACA verstehen sich als Motoren des Projekts "Einheitlicher Europäischer Hochschulraum". Bernd Wächter, Präsident der ACA, über die Reaktionen aus den USA und Großbritannien:

    Es ist überraschend, weil unser System mit den Bachelor- und Master-Abschluss doch aus dem angelsächsischen Bereich kommt. Es ist übrigens nicht das erstemal, dass wir so etwas aus den USA und England hören, das war schon vor Bologna so.

    Ein Unterschied zwischen den Abschlüssen in Großbritannien und denen im übrigen Europa liegt nach wie vor in der unterschiedlichen Studiendauer. Paul Hodges, von der Roehampton-University in London:

    Wir haben ein 3 plus 1-System, bei dem der Student nach drei Jahren seinen Bachelor bekommt und nach einem weiteren Jahr den Master. In Europa dauert das noch immer jeweils 1 bis 2 Jahre länger. Und wir wollen unser bewährtes System behalten. Wir sprechen natürlich mit unsere Kollegen vom Kontinent. Aber, sie wissen, die Beziehung zwischen England und Europa ist
    interessant.

    In den angelsächsischen Universitäten komme es auch viel mehr auf das praktische Können der Studenten an, weniger auf ihr Wissen, im Gegensatz zu der Ausbildung auf deutschen Unis, so Jochen Hellmann, Leiter des Internationalen Büros der Uni Hamburg:

    Was die überseeische Hoschulwelt angeht, müssen wir uns darauf einstellen, dass in Zukunft darauf geguckt wird, nicht, was jemand gemacht hat sondern was jemand kann. Die Amerikaner schauen immer danach, passt dieser neue Student in unser Studienprogramm oder nicht. Und das wird sich durch die neuen Grade weder verbessern noch verschlechtern.

    Eine Lösung für das derzeitige Dilemma: Das sogenannte Diploma Supplement. Ein Zusatz zum Bachelor- oder Master-Abschluss. In ihm wird genau aufgeführt, welche Lehrveranstaltungen und Prüfungen ein Student absolviert hat.

    Das Fazit der Experten in Hamburg: Zuerst einmal muss der Innereuropäische Hochschulraum fertig und alle Abschlüsse wirklich vergleichbar sein. Die Abstimmung mit den Universitäten in Nordamerika und Großbritannien muss bis dahin noch etwas warten.