Montag, 06. Mai 2024

Archiv


Offene Grenzen

Heute Nacht um 0.00 Uhr ist es soweit. Neun EU-Staaten treten dem Schengen-Abkommen bei. Das heißt: die Grenzkontrollen fallen, so auch zwischen Deutschland, Polen und Tschechien. In der Bevölkerung gibt es Befürchtungen: die Kleinkriminalität könne zunehmen, die Grenzregion unsicherer werden. An der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder dagegen wird die offene Grenze gefeiert.

Von Claudia van Laak | 20.12.2007
    "Dieses Thema ist für mich sehr wichtig. Ich habe die ukrainische Staatsbürgerschaft, deshalb brauche ich für Polen ein Visum."

    Katarina Antipowa sehnt den Wegfall der Grenzkontrollen herbei. Immer wenn die ukrainische Studentin über die Oderbrücke geht, um sich in Slubice mit polnischen Freunden zu treffen, wird ihr Pass abgestempelt. Sie holt das Dokument aus ihrer Tasche, blättert es auf.

    "Also für Deutschland habe ich eine Aufenthaltserlaubnis, das sieht so aus. Und für Polen ein Multivisum. Sie könne das sehen. Jedes Mal bekomme ich einen Stempel in den Pass und mein Pass geht langsam zu Ende."

    Ab morgen ist es mit der Stempelei und dem Kauf neuer, teurer Pässe vorbei. Endlich, sagt Katarina Antipowa. In der Bevölkerung ist die Stimmung weniger euphorisch. Das Geschäft mit Sicherheitsschlössern in Frankfurt/Oder boomt - ein Zeichen dafür, dass die Ressentiments gegenüber den polnischen Nachbarn tief sitzen. Für die Mitglieder des Asta völlig unverständlich - in den Räumen der Studentenvertretung hängen deutsche und polnische Flaggen einträchtig nebeneinander. Robert Richter - Öffentlichkeitsreferent des Asta - trägt einen Anstecker an seiner braunen Cordjacke, der ebenfalls eine deutsche und eine polnische Flagge zeigt.

    "Weil ich aus Deutschland komme und in Polen wohne. Das ist ein Anstecker, der die deutsch-polnische Freundschaft zum Ausdruck bringt. Den kann man hier erwerben im Asta-Shop und ist sehr beliebt, wird sehr gerne genommen."

    Zwar haben für viele der 5000 Viadrina-Studierenden schon die Weihnachtsferien begonnen, trotzdem organisieren Aktive drei Partys auf beiden Seiten der Oder. Um 0.00 Uhr wollen sich alle auf Brücke treffen, das Feuerwerk bewundern und auf den Wegfall der Grenzkontrollen anstoßen.

    "Weil dass für uns eine große Erleichterung ist, dass, wenn man in eine Vorlesung muss, nicht mehr diese Grenzkontrollen hat.

    Dadurch haben wir einfach bessere Möglichkeiten, auch das Collegium Polonicum zu nutzen, dort auch Veranstaltungen anzubieten und mit unseren polnischen Studenten mehr zu unternehmen."
    Das Collegium Polonicum ist eine gemeinsame Einrichtung der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan und der Viadrina. Es befindet sich in Slubice, der früheren Frankfurter Dammvorstadt, gleich hinter der Oderbrücke. Ab morgen ist das Collegium Polonicum noch leichter zu erreichen als bislang. Alexander Friedrich vom Asta ist überzeugt davon, dass der Wegfall der Grenzkontrollen psychologische Auswirkungen haben wird.

    "Das ist immer noch so, dass die Grenze in den Köpfen etwas trennt. Also man merkt es halt im Unterbewusstsein schon. Und ich denke, wenn die Kontrollen wegfallen, dass es dann nur noch irgendeine Brücke über irgendeinen Fluss ist, die zwei Städte verbindet. Und ich denke schon, dass es eine große Wirkung hat."

    Der Asta nimmt den Wegfall der Grenzkontrollen zum Anlass, eine Busverbindung zwischen Frankfurt/Oder und Slubice zu fordern. Der Bus könnte das polnische Studentenwohnheim, das Collegium Polonicum und die Einrichtungen der Viadrina miteinander verbinden. Christian Nitsche vom Asta:

    "Wir sind auch schon kräftig am Arbeiten, Vorschläge zu entwickeln, wie wir möglichst schnell und möglichst gut eine Busverbindung einrichten können. Wir stehen auch in Kontakt mit der Stadt und den Verkehrsbetrieben und hoffen, dass das möglichst bald umsetzbar wird."

    In Slubice ist man noch skeptisch, die Stadt Frankfurt/Oder dagegen unterstützt die Forderung der Universität. Deshalb wird morgen den ganzen Tag lang ein Bus die beiden Partnerstädte an der Oder verbinden - ihren Pass kann Katarina Antipowa dann zuhause lassen.