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Offene Hintertüren für den Staat

Das Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet derzeit eine neue Verordnung zur Telekommunikation, die die staatlichen Optionen zum Abhören von Telefon und Datenverkehr regeln soll. Bei der ersten Anhörung zu dieser Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV), die vergangenen Dienstag in Bonn stattfand, nahmen zahlreiche Kritiker ihre Chance wahr, heftig gegen das weitreichende Vorhaben zu wettern.

Peter Welchering | 07.04.2001
    Die Reihen der zur ersten Anhörung in Sachen Telekommunikations-Überwachungsverordnung TKÜV angereisten Kritiker waren bunt gemischt: So entsandten verschiedene Verbände, darunter auch der Verband der Telekommunikations- und Mehrwertdiensteanbieter, die Parteien sowie auch die Internetselbstverwaltung ICANN Vertreter zu dem Treffen in die ehemalige Bundeshauptstadt, um ihre Bedenken gegen die Verordnung zu äußern. Doch auch der Bundesdatenschutzbeauftragte, der zentrale Kreditausschuss und Vertreter der Opposition demonstrierten Ablehnung gegenüber den "Big Brother"-Plänen der Bundesregierung.

    Die in der TKÜV vorgesehenen Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation seien zu aufwendig, kostspielig und bürokratisch, so die Hauptkritikpunkte der Gegner. Überdies seien einzelne Bestimmungen nicht eng genug ausformuliert und ließen einen zu großen Auslegungsspielraum. Schon die Definition von Telekommunikation zeigte, wie weit die Ansichten auseinanderliegen: Während der Regierungsentwurf vorsieht, neben Telefon, Fax und SMS auch sämtliche Internetdienste in den Wirkungsbereich der Verordnung einzubeziehen, forderten die TKÜV-Gegner zumindest die gesonderte Behandlung der Datennetze. So sollen laut Regierungsentwurf alle Internetknotenpunkte in Deutschland auch überwacht werden können. Die Infrastruktur dafür sollen allerdings die Betreiber der Hauptrechner aufbringen. Unterstützung gegen diese enorme Belastung erhielten die Netzbetreiber auch von der Datenschutzbeauftragten in Nordrhein-Westfalen Bettina Sokol, die sich für eine Definition aller protokollnummer-basierten Dienste als so genannteTeledienste aussprach. Damit würde dieser Telekommunikationsverkehr von der bestehenden Teledienstverordnung erfasst, die dem Datenschutzbedürfnis der Bürger eher gerecht werde. Jochen Jakob, Datenschutzbeauftragter der Bundesregierung, schlug dagegen vor, etwa Short Message-Dienste, Internet-Telefonie, E-Mail und Chats als herkömmliche Telekommunikation aufzufassen – somit würden nur alle anderen Internetdienste als Teledienste klassifiziert.

    Unter den politischen Vertretern überwog die Ablehung der TKÜV in ihrer derzeitigen Form: So empfahlen FDP und Bündis 90 / Die Grünen eine Überarbeitung der jetzigen TKÜV-Fassung, die PDS sah gar eine Verletzung von Bürgerrechten in der Verordnung. Diese Sicht teilte auch Martina Krogmann, Internetbauftragte der CDU/CSU-Budestagsfraktion: So kritisierte die Abgeordnete einerseits die viel zu hohen Kosten für die Dienstanbieter, andererseits seien Datenschutzrechte der Bürger in Gefahr.