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Offene Konkurrenz

Die Ankündigung von Wikipedia Mit-Begründer Jimmy Wales, eine eigene Suchmaschine starten zu wollen, hat dieser Tage für Aufsehen gesorgt. Doch im Gegensatz zu Wikipedia, das sich nur aus Spenden finanziert und quasi der Internet-Gemeinschaft "gehört", will Wales die neue Suchmaschine mit seinem eigenen Unternehmen betreiben.

Von Marcus Schuler |
    Der Mit-Erfinder der freien Online-Enzyklopädie will den Wikipedia-Erfolg wiederholen. Allerdings gibt es Unterschiede: Das Unternehmen, das die neue Suchmaschine betreiben soll, gehört unter anderem Jimmy Wales. Während Wikipedia keine kommerziellen Interessen verfolgt, soll mit Wikia Search, Geld verdient werden. Und zwar mit Werbung, die allerdings von den Suchergebnissen deutlich getrennt, eingeblendet werden soll. Das Prinzip jedoch, dass die Internetgemeinde kostenlos Inhalte beisteuert, diese pflegt und überwacht, soll bestehen bleiben. Jimmy Wales:

    "Am wichtigsten ist der Aufbau einer echten, aus Redakteuren bestehenden Community, die sich um die Inhalte kümmert. Erst mit einer Gemeinschaft im Rücken, lässt sich solch ein Projekt realisieren. Während es recht schwierig ist, einen Menschen auszutricksen, gelingt einem das bei einem Computer relativ leicht. Wichtig scheint mir deshalb ein System zu haben, das den Menschen Spaß macht und das sie einander Vertrauen lässt."

    Die Online-Enzyklopädie hat sich sowohl in englischer als auch deutscher Sprache eine gute Reputation erarbeitet. Sie gilt - von Ausnahmen abgesehen, als mittlerweile recht zuverlässig.

    "Computer sind da schlecht, wo es um eine redaktionelle Beurteilung, um Qualitätskontrolle geht. Und wenn man dann noch viele Menschen an der Überwachung und Pflege um einer besseren Qualität willen beteiligt, dann hat man einen optimierten, offenen Prozess."

    Jimmy Wales sagt: Google und die anderen Suchmaschinen liefern zu viel Spam, zu viele ungenaue und manipulierte Suchergebnisse, die mit dem gesuchten Begriff oft nichts mehr zu tun haben. Mit Wikia Search, das im Laufe des Jahres in einer Beta-Version Online gehen soll, will er deshalb einen neuen Weg einschlagen. Das Hauptstichwort lautet: Offenheit.

    "Das oberste Ziel sollte Transparenz sein. Das heißt, wir werden alle Such-Algorithmen frei veröffentlichen, damit die Nutzer die Suchmaschine testen und optimieren können und verstehen lernen, wie wir Internetseiten bewerten."

    Aber woher speist sich dieser Enthusiasmus von Jimmy Wales, das schier Unmögliche zu versuchen? Zwei Dinge sind es, die den 40-jährigen Amerikaner und seine 38 Mitarbeiter offenbar beflügeln. Der Glaube daran, dass eine große Gemeinschaft weniger Fehler macht, als einzelne Menschen. Und dass Open Source, also die Offenlegung von Programmcode, ebenfalls zu einem besseren Netz führt. Doch gerade der Suchmaschinenmarkt ist hart umkämpft. Nial Kennedy ist ein bekannter Blogger aus San Francisco, der diesen Markt ständig beobachtet:

    "Monatlich werden Hunderte von Millionen Dollar ausgegeben, um das Netz nach neuen Seiten abzusuchen und zu archivieren. Deshalb wird sich Wikia Search auf einen kleineren Umfang von Suchergebnissen beschränken müssen. Die große Herausforderung wird also darin bestehen, möglichst alle relevanten Begriffe, an die ein Nutzer auch nur denken könnte, zu beinhalten: Vom Rezept für Hüttenkäse bis zur Urlaubsplanung."

    Zwar hat das Unternehmen von Wales in den vergangenen Monaten Kapitalspritzen in Höhe von mehreren Millionen Dollar erhalten, unter anderem auch vom Online-Kaufhaus Amazon, aber diese reichen nach Expertenschätzung kaum aus, um Google und Yahoo gefährlich zu werden. Skepsis ist auch angebracht, was die User-Beteiligung angeht. Immerhin handelt es sich bei Wikia Search um ein kommerzielles Projekt. Die Frage wird deshalb sein, ob sich überhaupt genügend User finden, die bereit sind, kostenlos Internetseiten für ein kommerzielles Projekt zu bewerten und dessen Suchindex zu pflegen. Niall Kennedy:

    "Es gibt eine bestehende Nutzerschaft und das ist ein Problem. Selbst wenn man dieselben Suchmöglichkeiten anbietet, muss man die Leute erst mal von Google wegbekommen. Problematisch könnte es auch bei der Frage werden: Wer steckt eigentlich hinter den bearbeiteten Suchergebnissen von Wikia Search? Wenn man zum Beispiel nach Urlaubsmöglichkeiten in Orlando sucht, wer präsentiert da die Top-Hotels? Oder gibt es beispielsweise finanzielle Anreize dafür, die Universal Studios gegenüber Disney World vorzuziehen?"