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Offene Operation oder minimalinvasives Stenting?

Starke Verengungen im Bereich der Halsschlagadern müssen zum Schutz vor einem Schlaganfall behandelt werden. Doch welche Behandlungsmethode ist die beste? Die konventionelle offene Operation oder das sogenannte neuere, sogenannte minimalinvasive Stenting? Diese Frage gehörte auf der 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie in der vergangenen Woche zu den am heftigsten diskutierten Themen. Anlass war die sogenannte SPACE-Studie, die beide Methoden miteinander verglichen hat.

Von Judith Grümmer | 12.09.2006
    " Sie sehen hier einen so genannten Stent, das ist ein Gitterröhrchen aus einer Metalllegierung, die sich in der Gefäßwand der ehemals verengten Region verankert."

    Der Gefäßchirurg Stefan Slatkowsky zieht einen langen dünnen Katheter aus der sterilen Verpackung. Im Innern des Führungsdrahtes schimmert - vorne an der Spitze - ein Stent, ein eng zusammengeschobenes Metallgitterröhrchen. Der Arzt drückt das Ende des Katheters...

    " Und Sie sehen, dass dieser Stent sich - ich probier das gerade mal - selbst entfaltet. Wie ein Blumenstrauß geht er auf..."

    Zwanzig bis dreißig Mal im Jahr setzt der Chefarzt der Gefäßchirurgischen Klinik Peine solche Gefäßstützen ein, anstatt in einer offenen Operation die Fett- und Kalkablagerungen der verengte Halsschlagader auszuschälen. Beim Einsetzen des Stents ist nur eine örtliche Betäubung nötig.

    " Üblicherweise wird die Leistenschlagader punktiert und dann wird über einen dünnen Führungsdraht dieser Katheter bis zur Halsschlagader vorgeschoben, nachdem die Verengung zuvor geweitet wurde, und wird dann zusätzlich dieser Stent genau an dieser Stelle positioniert."

    Schlüssellochchirurgie oder offene Operation? Welche Methode ist für den Patienten mit verengter Halsschlagader erfolgversprechender?

    Bisher konnten Gefäßchirurgen wie Stefan Slatkowsky auf keine umfangreichen, aussagekräftigen Vergleichsstudien zurückgreifen.

    Die SPACE-Studie ist die derzeitig größte ihrer Art. Hat sie für die Praxis Klarheit geschaffen?

    Der Münchener Gefäßchirurg Prof. Hans-Henning Eckstein ist Mitglied im Komitee der Vergleichstudie.

    " Die Ergebnisse waren so, dass etwa zwischen fünf bis sechs Prozent in beiden Studienarmen während der Operation oder während des Stentings oder kurz danach einen Schlaganfall oder sonstige schwere Komplikationen erlitten haben."

    Mit anderen Worten: Ein klares Ergebnis für die konventionelle oder für die minimalinvasive Methode hat auch diese Studie bisher nicht gebracht.

    Denn das Hauptrisiko bei der Behandlung verengter Halsschlagadern bleibt bei beiden Verfahren bestehen:

    Wenn eine durch Ablagerungen verengte Halsschlagader operiert oder geweitet wird, dann kann dadurch ein Schlaganfall provoziert werden - während der Operation selbst, aber auch in den darauffolgenden Wochen.

    " Die OP hat etwas besser abgeschnitten, aber auch nicht so gut, dass man jetzt sagen könnte, das Stenting darf man nicht mehr machen. Wichtiger ist wahrscheinlich die Frage, wer es macht, welche Erfahrungen, welche Kompetenzen vorliegen."

    Zertifizierte Kompetenzzentren können diese notwendige Erfahrung garantieren - so der Münchener Gefäßchirurg Hans-Henning Eckstein.

    Risiko und Nutzen müssen allerdings in jedem Einzelfall genau gegeneinander abgewogen werden - auch wenn für den Patienten selbst das Einsetzen eines Stents mittels Katheter zunächst weniger belastend ist.

    " Es gibt Situationen, wenn die Verengung sehr weit Richtung Gehirn ist oder es sich um eine zweite Operation in diesem Gebiet handeln würde oder wenn der Patient sagt, eine OP kommt für mich partout nicht in Frage, dann ist die Kathetertherapie sicherlich eine gute Alternative."

    Eine sorgfältige Indikationsstellung fordert auch der Heidelberger Gefäßchirurge Prof. Jens Allenberg.

    Die Zwischenergebnisse der SPACE-Studie konnten ihn bisher nicht davon überzeugen, die konventionelle Operationsmethode als veraltet anzusehen.

    Bisher habe die SPACE-Studie nur die ersten 30 Tage untersucht. Prof. Allenberg wartet auf die Langzeitergebnisse der SPACE-Studie.

    " Die Behandlungsmethode ist die Chirurgie nach wie vor und man müsste jetzt entscheiden, dass ein Patient eine Stentbehandlung bekommt aus ganz besonderen Gründen. Das heißt, er hat ein erhebliches Risikoprofil, dass er zum Beispiel vor sechs oder acht Wochen einen Herzinfarkt hatte, dann möchte man ihm nicht gerne dem Operationsstress aussetzen sondern einen Stent implantieren."

    Die Diskussionen auf der Jahrestagung - so der Heidelberger Gefäßspezialist - machen aber eines deutlich: Die Gefäßchirurgen müssen und wollen sich in Zukunft stärker mit den minimalinvasiven Behandlungsmethoden auseinandersetzen.