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Offenheit mit geringen Einschränkungen

Telekommunikation. - Der wesentliche Unterschied zwischen Linux und anderen Betriebssystemen ist seine Offenheit. Das heißt: Wer will, kann beliebig weit in die Tiefen des Systems eindringen und sogar den Programmcode des Betriebssystems verändern. Dieses Prinzip auf Mobiltelefone zu übertragen, ist der Wunsch vieler Anhänger der Linux-Gemeinde.

Von Thomas Reintjes |
    Handys mit Linux sind eigentlich nichts Neues. Es gibt sie, millionenfach. Dennoch kann dabei von Offenheit keine Rede sein. Denn die Software, die schließlich die Funktionen des Mobiltelefons verfügbar macht, ist bei heutigen Linux-Handys genauso geschlossen wie bei vielen anderen Telefonen. Das Hinzufügen oder Verändern von Anwendungen ist in diesem Fall nicht möglich. Es gibt bereits Ansätze das zu ändern, etwa das von Google angestoßene Android-Projekt. Dieses ist allerdings noch nicht so weit, dass es mit Handys ausgeliefert wird. Anders als Qtopia. Diese Anwendungs-Suite steht unter der üblichen offenen Lizenz GPL jedem zur Verfügung. Knut Yrvin von der norwegischen Entwicklerfirma Trolltech präsentierte sie auf dem Linux-Tag. Er bezeichnet Qtopia als Erfolg, schließlich sei es schon mit zehn Millionen Motorola-Handys in China ausgeliefert worden. Allerdings weiß Yrvin auch, dass Linux auf Handys noch einen entscheidenden Nachteil hat.

    "”Linux wird meist auf PCs mit Stromanschluss benutzt. Oder auf Laptops mit einem großen Akku. Linux ist es gewohnt, viele Services laufen zu haben. Aber in Telefonen muss jede Hardware-Komponente, die gerade nicht gebraucht wird, ausgeschaltet werden. Und wenn dann jemand anruft, leuchtet es auf wie ein Weihnachtsbaum. Da wird gerade einiges an Entwicklungsleistung hineingesteckt.""

    Mit dem Energieproblem hat auch der Neo Freerunner zu kämpfen. Bei der Präsentation des Geräts auf dem Linux-Tag versagten die Akkus in Serie. Dabei lohnt der Freerunner einen Blick. Entwickelt wird das Smartphone von Openmoko Incorporated, auch die Software auf dem Gerät heißt Openmoko – was für offene Mobilkommunikation steht. Wenn das Touchscreen-Handy in etwa einem Monat erscheint, soll es das erste komplett quelloffene Mobiltelefon sein.

    "Das bedeutet, ich kann in ein Source-Code-Repository gehen und kann dann zum Beispiel sehen, wie Openmoko seine SMSen verschickt. Und ich kann zum Beispiel sagen: ‚Oh, ich brauche aber dringend eine SMS-Serienbrieffunktion.’ Und wenn Openmoko die nicht liefert, kann ich tatsächlich in den Code reingehen, kann die nachrüsten und kann mir ein Software-Image bauen, was ich dann wieder aufs Gerät bringe, was dann diese Funktion hat","

    sagt Michael Lauer, freier Programmierer und aktiv im Openmoko-Projekt. Dessen Ziel ist es, Transparenz möglichst in alle Bereiche zu bringen. Neben dem Gerät selbst, wird deshalb auch dessen Entwicklungsprozess im Internet dokumentiert. Während andere Hersteller möglichst für sich behalten wollen, wenn sie etwas an einer Komponente eines Modells verändern, liegt bei Openmoko alles offen. Alles, bis zu einer gewissen Grenze. Marketing-Entscheidungen etwa behält man auch hier lieber für sich. Und im Gerät bildet der GSM-Stack, das Mobilfunk-Herzstück, die einzige Ausnahme. Dass sich die Konstrukteure ansonsten auf dem freien Komponentenmarkt bedienen, bedeutet aber nicht nur mehr Offenheit, sondern ist auch eine Einschränkung. Lauer:

    ""Das heißt, wir müssen leider für die Offenheit auch einen gewissen Preis zahlen, der sich zum Beispiel jetzt beim Freerunner in der Nicht-Verfügbarkeit von UMTS widerspiegelt. Oder auf der anderen Seite, wir hatten keine Ressourcen, um ein komplett neues schickes schmales Gerätedesign zu machen, sodass das Aussehen des Freerunners natürlich auch etwas polarisiert. Die einen finden es sehr schick, die anderen finden es einfach nicht konkurrierbar für den Massenmarkt, weil es nicht so dünn ist wie man das erwarten würde von einem Lifestyle-Handy. Auch hier muss man natürlich wieder sagen: Das sind derzeit die Preise, die man für die Offenheit dieser ganzen Geschichte bezahlen muss."

    Zum Teil falle es schwer, überhaupt Komponenten zu finden, die derart zugänglich sind, wie es sich die Openmoko-Gemeinschaft vorstellt. Auf der Suche nach einem Grafikbeschleuniger etwa, habe man erst nach vielen Gesprächen in Asien den scheinbar einzigen infragekommenden Hersteller gefunden, der sich mit dem Konzept einverstanden erklärte. Die Wünsche der Gruppe von Enthusiasten, die sich um das Openmoko-Projekt gebildet hat, gehen sehr weit. So weit, dass die Geldgeber beim taiwanesischen Mutterkonzern FIC schon einmal ins Schwitzen kommen. Lauer:

    "Das Tüpfelchen auf dem I ist die Verfügbarkeit von Schaltplänen. Da muss man leider sagen, kann auch Openmoko nicht hundertprozentig das liefern, was wir als Freie-Software-Enthusiasten gerne hätten, denn da sind auch natürlich wirtschaftliche Interessen und Ängste vor Kopien und Nachbauten, begründete Ängste vorhanden. Und das bedeutet, dass obwohl wir bei Openmoko sehr viel Druck ausüben und versuchen so viel wie möglich an Schaltplänen zu veröffentlichen, das nur teilweise hinbekommen."

    Ob Schaltpläne oder nicht – für den Massenmarkt, das ist auch Michael Lauer klar, zählt nur, ob die Anwendungen auf dem Handy den Bedürfnissen der Nutzer gerecht werden. Weil sich ein solches offenes Handy aber besonders leicht an individuelle Wünsche anpassen lässt, könnte sich Openmoko zumindest eine Nische erschließen.