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Offenlandarten-Projekt

Immer mehr Tierarten sind vom Aussterben bedroht. Einer der Gründe: Die intensive Nutzung landwirtschaftlicher Flächen. In Hessen wollen Jäger, Landwirte und Naturschützer diese Entwicklung stoppen: In dem Projekt "Offenlandarten" unter Federführung des Hessischen Landesjagdverbandes haben sie sich zusammengeschlossen, um hessenweit Lebensräume für bedrohte Tiere zu schaffen. Für das Projekt interessieren sich mittlerweile auch Naturschützer in anderen Bundesländern und auf europäischer Ebene.

Von Claudia Stiel |
    Einer der Gewinner des "Offenlandarten-Projektes" vom Hessischen Jagdverband ist die Feldlärche: Eine Vogelart, die auf der Roten Liste, dem Verzeichnis der in Deutschland gefährdeten Arten steht. Gab es zu Beginn des Projektes noch 96 Brutpaare pro 100 Hektar, so hat sich diese Zahl mittlerweile verdoppelt. Auch für Meister Lampe fällt die Bilanz des Hessischen Jagdverbandes positiv aus: In den letzten fünf Jahren hat sich der Bestand der Feldhasen in den beteiligten Revieren von rund 19 auf 22 pro 100 Hektar erhöht. Insgesamt wurde auf rund 1.000 Hektar stillgelegter landwirtschaftlicher Flächen in Hessen neuer Lebensraum für bedrohte Tiere geschaffen. Projektleiter Wilfried Graf:

    Wir haben auf diesen Offenlandarten-Flächen fünfzehn verschiedene Kräuter- und Gräserarten eingesät, eine Mischung, die zwischen zwei Prozent Beimischung zum Beispiel beim Fenchel liegt und 15 Prozent Beimischung beim Waldstaudenroggen, dann haben wir den alten Flachs, auch Leinen genannt, alles Arten, die für die Ernährungsphysiologie der Bodenbrüter sehr wichtig sind. Wichtig deshalb, weil diese Arten auch gewährleisten, dass wir bei Käfern und Schmetterlingen eine ausreichende Reproduktion haben. Es geht also hier auch darum, den Nahrungskreislauf zu schließen.

    Neben ausreichend Nahrung sollen bedrohte Tiere auf den eingesäten Flächen vor allem auch Unterschlupf finden. Denn der wird ihnen mit der Ernte meist genommen. Ziel der Naturschützer ist es daher, die einzelnen Reviere quasi mit einem Netz von Ökoflächen zu überziehen. Bis jetzt beteiligen sich an dem Modell schon mehr als 40 Gemarkungen, die über ganz Hessen verstreut sind. Finanziert wird das Projekt zum überwiegenden Teil aus der Jagdabgabe des Landes Hessen. Und mit den Finanzen steht und fällt auch das Modell. Denn ob in Zukunft Geld vom Land, dem Bund oder auch aus EU-Töpfen fließt, ist noch unklar. Doch weil mittlerweile auch andere Bundesländer an dem Projekt Interesse haben, ist Graf optimistisch.

    Grundsätzliche Einverständniserklärungen zum Vorgehen und zur Strategie liegen vor von Bayern, von Niedersachsen, von Thüringen und von Hessen, also vier Bundesländer mitten im Zentrum der Bundesrepublik. Und die Einverständniserklärungen oder die grundsätzliche Bereitschaft, dort mitzumachen, sind jeweils abgesichert durch Gespräche mit den obersten Jagdbehörden, mit den Jagdgenossenschaftsverbänden und den Landesjagdverbänden.

    Der Erfolg soll sich sogar auf europäischer Ebene fortsetzen: In Zusammenarbeit mit internationalen Jagdverbänden laufen bereits die Planungen für ein weiteres Projekt. Das soll den Schutz von Wildtieren in ganz Europa verbessern. Denn nur auf rund 40.000 der etwa sechs Millionen Hektar stillgelegter Ackerflächen in Europa herrschen gute Lebensbedingungen für Wildtiere. Auch für das europäische Vorhaben steht das "Offenland-Projekt" Pate. Wilfried Graf:

    Wir haben ein solches Vorbild gesetzt, dass die Nachfrage größer ist, als wir sie im Moment unter dem Gesichtspunkt der verfügbaren Haushaltsmittel abdecken können.

    Zwar müssen die Naturschützer wohl bei den Behörden weiter um finanzielle Unterstützung werben. Eines dürfte aber sicher sein: Die Begeisterung von Jägern und Landwirten wird so schnell nicht erlahmen. Denn die verfolgen neben dem Naturschutz auch ganz eigennützige Interessen: Je mehr Tiere sich auf den Feldern tummeln, umso höher ist der Wert der Reviere.