Theodor Blank, der sich im Auftrage des Kanzlers Konrad Adenauer um die Sicherheit, also die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, kümmerte, 1953 in einer Parlamentsdebatte. Was er als quasi jungfräuliche Geburt einer Armee aus dem Nichts beschrieb, hatte tatsächlich eine an politischen Schach- und Winkelzügen reiche Vorgeschichte. Denn das "Amt Blank" und wenig später die Gründer der Bundeswehr, sie mussten auf eine ‚Funktionselite’ zurückgreifen, die durch den nationalsozialistischen Angriffskrieg belastet war wie kaum eine andere Gruppe: jene Berufssoldaten, die nach 1945 in einer Studie des Soziologen Helmut Schelsky noch vor den Flüchtlingen als "soziale Absteiger" par excellence auftauchten.
Die Ausgangslage für Offiziere war also denkbar schlecht – und dennoch schafften sie es, für ihre Rückkehr zu den Waffen, für ihren "Verteidigungsbeitrag", von der jungen Bundesrepublik einen hohen Preis zu erlangen. Die Stimmung in der Bevölkerung allerdings war anders – aber diesen Unmut über eine mögliche Wiederkehr des privilegierten Offizierstandes verwendete Theodor Blank in seiner Bundestagsrede als Argument für jene angeblich so notleidenden Berufssoldaten – auf die er als Quasi-Verteidigungsminister dringend angewiesen war:
Es gab in Deutschland eine Zeit, da galt der Soldat als der erste Mann im Staat. Nach dem Zusammenbruch schlug diese übersteigerte Auffassung in eine ungerechte Abwertung und Herabsetzung um.
Um den "Staat im Staate", den Militarismus, mit Stumpf und Stiel auszurotten, hatten die Alliierten im Kontrollratsgesetz Nummer 34 nicht nur das Militärversorgungsrecht ein für allemal abgeschafft, sondern auch jede Form des Zusammenschlusses ehemaliger Berufssoldaten verboten. Damit war ein Kristallisationspunkt geschaffen: Die Soldaten fühlten sich diffamiert, bauten informelle, halblegale Netzwerke auf, die nicht nur ihre materiellen Belange, sondern vor allem eine "Politik der Ehre", der Rehabilitierung voranbringen sollten. Binnen weniger Jahre war der Einfluss der – übrigens unter tätiger Hilfe der Adenauer-Regierung – im Verband Deutscher Soldaten zusammengefassten Hilfsorganisationen so stark, dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung allen Ernstes die Gründung einer eigenständigen "Soldatenzeitung" erwog.
Was im Einzelnen wie eine Posse wirken mag, was stellenweise die Züge politischen Schmierentheaters annimmt, stellte in der Gesamtheit gesehen ein gravierendes Problem dar. Die Radikalisierung insbesondere jüngerer Offiziere mündete Anfang der Fünfziger im Engagement für die sog. ‚Sozialistische Reichspartei’ des fanatischen Ernst Otto Remer, der als Kommandeur des Wachbataillons den Aufstand vom 20. Juli 1944 niedergeschlagen hatte. Zumindest in Niedersachsen wurden die Berufssoldaten zur wahlentscheidenden Gruppe. Und im Wettlauf um deren Gunst hatte die SPD das Nachsehen, weil trotz vielerlei Konzessionen der Parteispitze unter Kurt Schumacher die Basis über "Offizierspensionen" murrte und die Parteizeitungen einen Radikalpazifismus pflegten, den viele Feldgraue als beleidigend empfanden. Die Soldatenorganisationen aber nutzten diese Konkurrenz der Parteien, um den Preis für ihre Einbindung in den demokratischen Staat weiter hochzutreiben. Unterhaltszahlungen, die die Alliierten dann doch zumindest für über 65-Jährige zugelassen hatten, wurden von den Ländern erhöht, der Kreis der Berechtigten ausgeweitet – und zwar immer mit dem Blick auf den Bund, der diese finanzielle Last würde übernehmen müssen.
In Bonn aber – und da zeigt sich nicht zum einzigen Mal die von Manig akribisch herausgearbeitete politische Dialektik jener frühen Jahre – in Bonn kamen diese Litaneien und ihre unverhohlen nationalistische Begleitmusik nicht gut an. Als ein württembergischer Bischof per Denkschrift gar beklagte, Berufssoldaten würden nunmehr in totalitärer Art diffamiert wie zuvor in KZ oder Internierungslagern eingesperrte Gruppen, platzte dem Bundespräsidenten Heuss der Kragen, und er sprach von "Generälen, die wieder Morgenluft wittern". Dahinter steckte insbesondere bei Kanzler Adenauer die Sorge, dass einige übers Ziel hinausschießende Hitzköpfe den gesamten Soldatenstand bei jenen westlichen Partnern desavouieren könnten, die auf eine Wiederbewaffnung drängten und dafür eine wenn auch begrenzte Souveränität der Bundesrepublik zu gewähren versprachen. Und so kam es Anfang 1951 zu einer, wie Manig es nennt, "Ehrenerklärungsmanie". Adenauer, Heuss und später auch Blank konnten zwar keine juristische Rehabilitierung aussprechen, versuchten aber die Wogen zu glätten, indem sie "dem Soldaten" unverbindlich Respekt zollten:
Die Bundesregierung weiß um die Nöte der ehemaligen Soldaten. Sie weiß, dass die Mehrzahl von ihnen sich ordentlich und tapfer durch das Leben geschlagen und sich nicht in radikalistischen Strömungen verloren hat. Der deutsche Soldat hat tapfer, treu und gehorsam seine Pflicht getan.
Der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher allerdings sah die Gefahr, dass sich die Politik im Schlepptau von Partikularinteressen wiederfinden könne. Und damit hatte er Recht: Denn hinter den Kulissen ließen die mittlerweile in Bonn "akkreditierten" Soldatenbünde ihre Verbindungen spielen, erreichten etwa im Amt Blank den Verzicht auf die Vorbildfunktion der Männer des 20. Juli für die geplanten Streitkräfte. Andererseits aber fürchteten ehemalige Berufssoldaten, die nun auf eine Rückkehr in bürgerliche, respektable Verhältnisse hoffen konnten, nichts mehr, als mit Rechtsradikalen in einen Topf geworfen zu werden. Das ist einer Geschichtsschreibung, die Soldatenverbände nach 1945 meist nur unter dem Aspekt des mehr oder weniger latenten Rechtsextremismus betrachtete, zumeist entgangen. Doch aufschlussreiche Details wie etwa zum ersten Treffen der Waffen-SS in Verden, bei dem 1952 allein das in eine Hetzrede umfunktionierte Grußwort des ehemaligen Fallschirmjägergenerals Ramcke die auf Reputation bedachte Veranstaltung "umkippen" ließ, sind nötig zum Verständnis eines politischen Prozesses, in dessen Verlauf binnen eines knappen Jahrzehnts aus einer bewunderten Elite des Nationalsozialismus angesehene Bürger der Bundesrepublik wurden. Das alles ist so vorzüglich recherchiert, dass Manig die Fakten sprechen lassen und sich zum Schluss jeder Bewertung enthalten kann: Da bei den ersten Bewerbungen um Offiziersstellen alle Erwartungen übertroffen wurden, folgert der Historiker, dass die Integration dieser Berufsgruppe, deren "Entschuldung" richtungsweisend für alle anderen Funktionseliten war, mit wesentlich geringeren Konzessionen, um einen weit niedrigeren "politischen" Preis möglich gewesen wäre.
Die Ausgangslage für Offiziere war also denkbar schlecht – und dennoch schafften sie es, für ihre Rückkehr zu den Waffen, für ihren "Verteidigungsbeitrag", von der jungen Bundesrepublik einen hohen Preis zu erlangen. Die Stimmung in der Bevölkerung allerdings war anders – aber diesen Unmut über eine mögliche Wiederkehr des privilegierten Offizierstandes verwendete Theodor Blank in seiner Bundestagsrede als Argument für jene angeblich so notleidenden Berufssoldaten – auf die er als Quasi-Verteidigungsminister dringend angewiesen war:
Es gab in Deutschland eine Zeit, da galt der Soldat als der erste Mann im Staat. Nach dem Zusammenbruch schlug diese übersteigerte Auffassung in eine ungerechte Abwertung und Herabsetzung um.
Um den "Staat im Staate", den Militarismus, mit Stumpf und Stiel auszurotten, hatten die Alliierten im Kontrollratsgesetz Nummer 34 nicht nur das Militärversorgungsrecht ein für allemal abgeschafft, sondern auch jede Form des Zusammenschlusses ehemaliger Berufssoldaten verboten. Damit war ein Kristallisationspunkt geschaffen: Die Soldaten fühlten sich diffamiert, bauten informelle, halblegale Netzwerke auf, die nicht nur ihre materiellen Belange, sondern vor allem eine "Politik der Ehre", der Rehabilitierung voranbringen sollten. Binnen weniger Jahre war der Einfluss der – übrigens unter tätiger Hilfe der Adenauer-Regierung – im Verband Deutscher Soldaten zusammengefassten Hilfsorganisationen so stark, dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung allen Ernstes die Gründung einer eigenständigen "Soldatenzeitung" erwog.
Was im Einzelnen wie eine Posse wirken mag, was stellenweise die Züge politischen Schmierentheaters annimmt, stellte in der Gesamtheit gesehen ein gravierendes Problem dar. Die Radikalisierung insbesondere jüngerer Offiziere mündete Anfang der Fünfziger im Engagement für die sog. ‚Sozialistische Reichspartei’ des fanatischen Ernst Otto Remer, der als Kommandeur des Wachbataillons den Aufstand vom 20. Juli 1944 niedergeschlagen hatte. Zumindest in Niedersachsen wurden die Berufssoldaten zur wahlentscheidenden Gruppe. Und im Wettlauf um deren Gunst hatte die SPD das Nachsehen, weil trotz vielerlei Konzessionen der Parteispitze unter Kurt Schumacher die Basis über "Offizierspensionen" murrte und die Parteizeitungen einen Radikalpazifismus pflegten, den viele Feldgraue als beleidigend empfanden. Die Soldatenorganisationen aber nutzten diese Konkurrenz der Parteien, um den Preis für ihre Einbindung in den demokratischen Staat weiter hochzutreiben. Unterhaltszahlungen, die die Alliierten dann doch zumindest für über 65-Jährige zugelassen hatten, wurden von den Ländern erhöht, der Kreis der Berechtigten ausgeweitet – und zwar immer mit dem Blick auf den Bund, der diese finanzielle Last würde übernehmen müssen.
In Bonn aber – und da zeigt sich nicht zum einzigen Mal die von Manig akribisch herausgearbeitete politische Dialektik jener frühen Jahre – in Bonn kamen diese Litaneien und ihre unverhohlen nationalistische Begleitmusik nicht gut an. Als ein württembergischer Bischof per Denkschrift gar beklagte, Berufssoldaten würden nunmehr in totalitärer Art diffamiert wie zuvor in KZ oder Internierungslagern eingesperrte Gruppen, platzte dem Bundespräsidenten Heuss der Kragen, und er sprach von "Generälen, die wieder Morgenluft wittern". Dahinter steckte insbesondere bei Kanzler Adenauer die Sorge, dass einige übers Ziel hinausschießende Hitzköpfe den gesamten Soldatenstand bei jenen westlichen Partnern desavouieren könnten, die auf eine Wiederbewaffnung drängten und dafür eine wenn auch begrenzte Souveränität der Bundesrepublik zu gewähren versprachen. Und so kam es Anfang 1951 zu einer, wie Manig es nennt, "Ehrenerklärungsmanie". Adenauer, Heuss und später auch Blank konnten zwar keine juristische Rehabilitierung aussprechen, versuchten aber die Wogen zu glätten, indem sie "dem Soldaten" unverbindlich Respekt zollten:
Die Bundesregierung weiß um die Nöte der ehemaligen Soldaten. Sie weiß, dass die Mehrzahl von ihnen sich ordentlich und tapfer durch das Leben geschlagen und sich nicht in radikalistischen Strömungen verloren hat. Der deutsche Soldat hat tapfer, treu und gehorsam seine Pflicht getan.
Der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher allerdings sah die Gefahr, dass sich die Politik im Schlepptau von Partikularinteressen wiederfinden könne. Und damit hatte er Recht: Denn hinter den Kulissen ließen die mittlerweile in Bonn "akkreditierten" Soldatenbünde ihre Verbindungen spielen, erreichten etwa im Amt Blank den Verzicht auf die Vorbildfunktion der Männer des 20. Juli für die geplanten Streitkräfte. Andererseits aber fürchteten ehemalige Berufssoldaten, die nun auf eine Rückkehr in bürgerliche, respektable Verhältnisse hoffen konnten, nichts mehr, als mit Rechtsradikalen in einen Topf geworfen zu werden. Das ist einer Geschichtsschreibung, die Soldatenverbände nach 1945 meist nur unter dem Aspekt des mehr oder weniger latenten Rechtsextremismus betrachtete, zumeist entgangen. Doch aufschlussreiche Details wie etwa zum ersten Treffen der Waffen-SS in Verden, bei dem 1952 allein das in eine Hetzrede umfunktionierte Grußwort des ehemaligen Fallschirmjägergenerals Ramcke die auf Reputation bedachte Veranstaltung "umkippen" ließ, sind nötig zum Verständnis eines politischen Prozesses, in dessen Verlauf binnen eines knappen Jahrzehnts aus einer bewunderten Elite des Nationalsozialismus angesehene Bürger der Bundesrepublik wurden. Das alles ist so vorzüglich recherchiert, dass Manig die Fakten sprechen lassen und sich zum Schluss jeder Bewertung enthalten kann: Da bei den ersten Bewerbungen um Offiziersstellen alle Erwartungen übertroffen wurden, folgert der Historiker, dass die Integration dieser Berufsgruppe, deren "Entschuldung" richtungsweisend für alle anderen Funktionseliten war, mit wesentlich geringeren Konzessionen, um einen weit niedrigeren "politischen" Preis möglich gewesen wäre.