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Offline fühlt sich besser an

Weil viele Internethändler kein weit verzweigtes Filialnetz unterhalten müssen, sind sie oft günstiger als ihre stationäre Konkurrenz. Doch die Kunden können die Waren nicht anfassen. Viele Onlinehändler gehen deshalb offline und eröffnen Showrooms und Ladenlokale - als Zusatzgeschäft.

Von Wolf-Sören Treusch | 28.01.2013
    "Es rechnet sich. Ja, in jedem Falle."

    Tobias Börner von "shoepassion.de" ist überzeugt: Die Entscheidung, Herrenschuhe nicht nur im Internet, sondern auch in einem Laden in Berlin-Mitte zu verkaufen, ist richtig.

    "Wenn hier jetzt jemand reinkommt, kauft ein bis zwei Paar Schuhe plus ein bisschen Zubehör, dann hat man vielleicht einen Warenkorbwert von um die 200, 250 Euro, rechnet das dann hoch, dass es sechs Kunden am Tag sind - allein durch diesen Kundenverkehr trägt sich schon die Fläche, der Aufwand und der Nutzen."

    Der Verkauf im Laden ist eine Art Zubrot, Hauptgeschäft bleibt der Onlinehandel. Der Umsatz liegt im siebenstelligen Bereich, offline ist das kaum zu erreichen. Doch der Laden bietet dem Unternehmen die Chance, eine lang gehegte, alte Idee in die Tat umzusetzen.

    "Wir können Informationen geben in Textform, wir können Bilder, Videos zeigen, alles Mögliche. Was wir nicht können, ist schlichtweg dieses haptische Gefühl zu vermitteln. Es ist noch nicht möglich, den Geruch des Leders zu imitieren im Internet oder wie sich halt so ein Schuh wirklich anfühlt und anfasst. Und dafür ist so ein Showroom, so ein Ladengeschäft schon eine sehr gute Geschichte."

    Immer mehr Internethändler denken so. Auch Benjamin Esser von "urbanara.de", einem Onlineportal für Heimtextilien und Wohnaccessoires.

    "Das ist durchaus ein sehr interessanter 'point of sale‘, muss man sagen, immer noch. Und man darf auch nicht vergessen, dass 90 oder 95 Prozent des Einzelhandels immer noch offline stattfindet. Das heißt wir bewegen uns im Onlinebereich immer noch bei fünf bis zehn Prozent. Und diesen riesigen anderen Kuchen darf man natürlich nicht ganz vernachlässigen."

    Kurz vor Weihnachten eröffnete Benjamin Esser einen so genannten Pop-up-store: Vier Wochen lang verkaufte er seine Produkte in einem Laden am Hackeschen Markt. So erfolgreich, dass er nun an dauerhafte Ladenlösungen denkt. Mut machen ihm die Vorbilder aus den USA.

    "Ich sehe vor allen Dingen Amerika und vor allen Dingen 'Buy-online-shops', die Eigenmarken sind. Die mittlerweile eigene tatsächliche Shops aufmachen. Immer mehr und das auch extrem erfolgreich und sich trotzdem aber vom Charakter her nicht vom Onlineshop entfernen, sondern das sind wirklich Add-on-Vertriebskanäle, und die wollen alles andere als eine reine Offlinemarke werden."

    "Ich glaube, dass diese Unterscheidung und diese Trennung zwischen On- und Offline mittlerweile oder allmählich überholt ist."

    Claudia Helming von "dawanda.de", einem Onlinemarktplatz für Handarbeiten, mit weit über fünf Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr in diesem Bereich Marktführer in Europa. Auch "dawanda.de" hat vor kurzem ein eigenes Ladenlokal eröffnet. Wichtig fürs Image, sagt Claudia Helming.

    "Primär ist unser Anspruch ja auch nicht, damit jetzt belastbare Zahlen zu liefern, sondern an und für sich eine Ausstellungsfläche, einen Showroom zu haben und einen Punkt, wo sich unsere Community treffen kann, sich kennen lernen kann oder wir mit ihnen Workshops veranstalten. Also das ist das primäre Ziel."

    Konkrete Zahlen, wie viele Onlinehändler tatsächlich offline gehen, gibt es noch nicht. Aber die Gruppe derer, die höhere Lager- und Personalkosten bewusst in Kauf nehmen, um im Stadtbild vertreten zu sein, wird erkennbar größer.

    "Es gab auch den Trend, dass offline online ging, und dementsprechend ist das die logische Ergänzung. Also heutzutage gibt es einfach Marken, das sind reine Onlinemarken, die sind im Internet entstanden und es gibt keinen Grund, warum die nicht offline, also wirklich spürbar und anfassbar sein sollten."