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Ohne Abitur zur Professur

Ex-Außenminister Joschka Fischer nimmt Abschied aus dem Bundestag und wird Dozent an der amerikanischen Universität Princeton. Die Karrieren von Politikern nach dem Ausscheiden aus Spitzenämtern werden immer beachtlich.

Von Burkhard Müller-Ullrich |
    Die nachdienstlichen Karrieren deutscher Kanzler und Minister werden immer glamouröser. Das liegt zum einen am Methusalemkomplex und daran, dass die Herrschaften immer früher mit dem Regieren anfangen. Da bleibt dann nach der letzten Abwahl und dem pathetischen Ausscheiden aus der Politik noch eine Menge Lebensabend übrig. Zum anderen handelt es sich um Persönlichkeiten mit einem Hang zu - höflich ausgedrückt - biografischen Enormitäten.

    Das Gasprom-Abenteuer des Arbeiter-Sohnes Schröder ist ja der krönende Abschluss einer geradezu amerikanisch anmutenden Karriere, wobei hier ein gelinder Irrtum vorliegt, denn die Tellerwäscher-Romantik gilt in den Vereinigten Staaten zwar fürs Wirtschaftsleben, aber die politische Klasse ist viel dynastischer organisiert als bei uns und für Aufsteiger viel undurchlässiger. Ein Schröder und ein Fischer hätten es in den USA also schwerer gehabt, an die Staatsspitze zu rücken, letzterer wäre wegen seiner wilden Vergangenheit als Polizistenverprügler sowieso in kein hohes Amt gelangt, weil die Amerikaner, wenn es drauf ankommt, stetigen Charakteren mehr vertrauen als dramatisch gewandelten und theatralisch geläuterten.

    Just jener Joschka Fischer orientiert sich jetzt im Ultrafrühpensionsalter von 58 Jahren akademisch nach Amerika. Im Januar hatte er derartige Absichten noch beharrlich geleugnet und Journalisten, die darüber berichteten, mit gerichtlicher Verfolgung bedroht. Dabei war bloß noch nicht klar, ob Harvard oder Princeton. Nun läuft es also auf Princeton hinaus, ein Lehrstuhl in New Jersey - Herz, was willst Du mehr? Ohne Abitur zur Professur, das ist natürlich traumhaft, doch während sich die Welt ins Traumhafte entstellt, tauchen ein paar Fragen auf.

    Was zum Beispiel zeichnet Joschka Fischers bisheriges Wirken gegenüber demjenigen anderer deutscher Außenminister wie Genscher oder Kinkel, Brandt oder Scheel derart aus, daß man in den renommiertesten Bildungsanstalten der Welt gerade von ihm lernen möchte? Die deutsche Außenpolitik bestand und besteht bekanntlich darin, den Friedensbringer in aller Welt zu spielen, vorausgesetzt, die Amerikaner greifen mit ihren Mitteln ein, sobald es irgendwo gefährlich wird. Professor Fischer, der sich wohl erinnern wird, dass er in den Straßen von Frankfurt einst die Gleichung "USA - SA - SS" skandierte, kann seinen amerikanischen Studenten höchstens als Anschauungsobjekt für eine Praxis des Irrtums dienen. Vermutlich ist das das Ziel moderner Pädagogik.