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Ohne Arbeitsplatz-Nachweis kein Studium

Rund 28.000 Bürger aus Nicht-EU-Ländern kommen jedes Jahr zum Studium an italienische Hochschulen. In puncto akademischer Einwanderung hat es in der Vergangenheit nie Probleme gegeben. Doch wegern der Zunahme illegaler Einwanderer müssen jetzt Studierende aus Nicht-EU-Ländern eine Arbeitserlaubnis vorweisen.

Von Thomas Migge |
    "Man darf die politische Dimension dieser Entscheidung nicht vergessen: Ich denke mir, dass hier ganz bewusst Ausländer, wenn sie nicht aus dem Gebiet der Europäischen Union kommen, ausgegrenzt werden sollen. Das ist eine rein politische Entscheidung."

    Pascal Mahubi aus Algerien ist sauer auf die italienische Regierung. Erlaubt sie ihm doch nicht sein Studium der Kunstgeschichte fortzusetzen. Der 25jährige aus Algier studiert seit vier Jahren an der Universität in Perugia. Eine bei Ausländern beliebte Hochschule, die international einen ausgezeichneten Ruf geniesst. Vor allem bei jenen Studierenden, die aus dem nichteuropäischen Ausland kommen. Pascal wird sich in diesem Herbst nicht mehr einschreiben können. Oder genauer: er darf es nicht mehr:

    "Das alles ist nicht richtig nachzuvollziehen. Plötzlich erwartet man von uns ausländischen Studierenden, dass wir einen Arbeitsplatz nachweisen müssen, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Das ist doch verrückt. Ich will ja nicht arbeiten in Italien, sondern studieren. Das stimmt doch irgendetwas nicht."

    Wie Pascal Mahubi denken viele der ausländischen Studierenden in Italien. Rund 28.000 Bürger aus Nicht-EU-Ländern kommen jedes Jahr zum Studium an italienische Hochschulen. Wie zum Beispiel nach Perugia. In puncto akademischer Einwanderung hat es in der Vergangenheit nie Probleme gegeben. Im Gegenteil: studierwillige Bürger aus Nicht-EU-Staaten erhielten immer schnell eine Einreiseerlaubnis nach Italien. Doch die seit einigen Monaten zu beobachtende und weltweit für Schlagzeilen sorgende drastische Zunahme illegaler Einwanderer - die von Nordafrika aus Richtung Süditalien kommen - hat zu einem Stimmungswandel geführt. Vor allem innerhalb der rechtsgerichteten Regierung von Silvio Berlusconi, erklärt Bruno Piatelli, Kunsthistoriker an der Universität Perugia:

    "Die Linksregierungen haben sich so einen Schritt nie erlaubt, denn sie wussten ja, dass Italien einen historischen Auftrag in der Ausbildung junger Leute zu erfüllen hat, die vor allem aus Afrika bei uns studieren wollen. Schon während des Faschismus kamen viele Studierende aus den damals so genannten afrikanischen Provinzen. Dieses Interesse ausländischer Studierender an unseren Hochschulen begann nach dem letzten Krieg im großen Stil. Meine Kollegen und ich sind sehr aktiv, um die aktuelle Regelung rückgängig zu machen."

    Das seit Mitte Februar geltende neue Ausländerrecht Italiens sieht nun vor, dass alle Nicht-Europäer nur dann ein Recht auf Einreise haben, wenn sie einen Arbeitsplatz nachweisen können. Arbeitsplätze vermitteln italienische Konsulate im Ausland, in dem sie von Unternehmen und Geschäftsleuten aber auch von Privatleuten aus Italien damit beauftragt werden, entsprechendes Person mit Zeitverträgen anzuwerben. Eine in puncto Arbeitsplatzvermittlung vielleicht sinnvolle Regelung. In Puncto ausländischer Studierender aber ist sie verheerend: Arbeitssuchende und Studierende werden in einen Topf geworfen, schimpft Bruno Piatelli:

    "Italien durchlebt einen kräftigen Rechtsruck, der sogar mit konservativen Traditionen bricht, waren es doch die Christdemokraten, die in den 50er und 60er Jahren unsere Hochschulen für junge Leute aus dem Nahen Osten, aus Nord- und Schwarzafrika öffneten. Die Christdemokraten setzten sich intensiv für bilaterale Kulturpolitik ein und sahen darin die Möglichkeit, für Italien im Ausland zu werben. In jenen Ländern, die für die italienische Außenpolitik wichtig waren und sind. Heute denkt man anders."

    Das Zentralbüro für ausländische Studierende in Italien mit Sitz in Rom protestiert seit Wochen gegen die neue Regelung, die auch noch in einem anderen Punkt kritisiert wird. Das neue Ausländerrecht sieht ebenfalls vor, dass ausländische Studierende keine finanzielle Unterstützung mehr vom Staat erhalten. In vielen Fällen ist diese Unterstützung aber lebenswichtig, denn viele der Familien der Studierenden können nicht allein für die hohen Lebenshaltungskosten in Italien aufkommen: das sind vor allem die Studiengebühren in Höhe von 2.000 Euro im Jahr und ein Schlafplatz in Wohngemeinschaften, der nicht unter 400 Euro im Monat zu finden ist. Auch in diesem Fall werden studierwillige Nicht-EU-Bürger wie Einwanderer behandelt. Das Zentralbüro für ausländische Studierende in Italien fordert deshalb, dass Ausländer, die sich an Hochschulen einschreiben wollen, die Einreisebedingungen erleichtert werden sollen. Die Regierung sieht das anders: ihrer Meinung nach nutzten bisher zu viele Einwanderer das Argument, in Italien studieren zu wollen, um dann in Wirklichkeit als Schwarzarbeiter unterzutauchen.

    Pascal Mahubi findet so eine Argumentation hahnebüchen. Er will sich deshalb im kommenden Studienjahr in Frankreich an einer Universität einschreiben.