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Ohne Mimik kaum Gefühle

Neurologie. - Die Empathie, das Einfühlungsvermögen in andere, ist ein wichtiges Mittel menschlicher Kommunikation. Tatsächlich wird dieses Vermögen durch die Mimik beeinflusst. Wie groß dieser Einfluss ist, haben jetzt Münchner Wissenschaftler untersucht.

Von Maria Mayer | 12.08.2008
    Weint ein kleines Kind, fangen oft auch die anderen Kinder in der Gruppe an zu weinen. Ob Trauer, Freude oder Zorn - Gefühle sind ansteckend, nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen. Jeder kennt das. Warum ich fühle, was du fühlst- dafür bietet die Wissenschaft eine Erklärung. Empathie entstehe unter anderem dadurch, dass ein Mensch die Mimik seines Gegenübers unbewusst nachahmt und über die nachgeahmte Mimik auch die entsprechenden Gefühle des Gegenübers empfindet. Die Gesichtsmuskeln drücken auf die Emotionszentren im Gehirn. So die "facial feedback" Hypothese, der der Münchner Psychologe Andreas Hennenlotter vom Klinikum rechts der Isar auf den Zahn gefühlt hat.

    "Die Idee ist eigentlich relativ alt und sie besagt, dass die Gesichtsmimik Emotionen verstärken kann. Des weiteren gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass dieser Effekt eventuell auch eine wichtige Rolle bei der sozialen Übertragung von Gefühlen spielen kann. Die neuronalen Grundlagen von diesem Effekt sind bisher jedoch noch nicht bekannt und das haben wir untersucht."

    Wir - das ist neben Hennenlotter sein Münchner Kollege Bernhard Haslinger, ein Neurologe . Wie wirken die Zornesfalten zwischen den Augenbrauen auf das Zorneszentrum im Gehirn, den so genannten Mandelkern? Das haben die beiden mit dem bildgebenden Verfahren der Kernspintomographie überprüft. Haslinger hat für die Experimente das Lifestyle-Medikament Botolinumtoxin verwendet. Es glättet bekanntlich Falten. Normalerweise verwendet Haslinger das Nervengift ausschließlich zur Behandlung von Krankheiten wie zum Beispiel Bewegungsstörungen oder Krämpfe. Haslinger:

    "Wir haben einen Muskel, der die vertikalen Zornesfalten im Gesicht erzeugt und auch einen Muskel, der die horizontale Falte erzeugt, mit Botolinumtoxin behandelt . wir haben uns wirklich nur auf diesen Muskel konzentriert, weil das der wesentliche Muskel ist bei Gesichtsausdrücken wie Wut und Zorn."

    Haslinger hat das Botolinumtoxin in sehr kleiner Dosis an sieben Injektionspunkten gespritzt, je drei mal links und rechts oberhalb der Augenbrauen und einmal an der Nasenwurzel. Zwei Wochen später - als die Lähmungswirkung am größten war, wurden die 19 behandelten Frauen mit 19 unbehandelten Frauen verglichen. Sie mussten Gefühle imitieren, schildert Hennenlotter:

    "Die Probanden liegen im Kernspintomographen und sehen über einen kleinen Spiegel, der über ihnen angebracht ist, Gesichtsausdrücke mehrere Sekunden lang und haben die Aufgabe die Gesichtsausdrücke möglichst gut nachzumachen, zu imitieren."

    Das Ergebnis: je stärker die Mimik - desto aktiver der Mandelkern. Je schwächer die Mimik – desto weniger aktiv der Mandelkern. Bei den botoxbehandelten Frauen war letzteres deutlich häufiger der Fall. Hennenlotter:

    "Wir haben das so interpretiert , dass das sensorische feedback aus der Haut und den Muskeln, was aus der Gruppe der gebotoxten Probanden verringert ist im bestimmten Teil des Gesichts, dass es dadurch zu weniger Modulation in diesem Mandelkern kommt."

    Oder anders gesagt: Je weniger Zornesfalten zwischen den Augenbrauen, desto schwächer tritt das Zorneszentrum im Hirn in Aktion . Aufgrund der Versuche von Haslinger und Hennenlotter könnte man spekulieren, dass Menschen mit stark botoxbehandelten Gesichtern nicht nur seltener in Rage geraten, sondern auch weniger Mitgefühl entwickeln können. Hennenlotter:

    "Wenn jemand mimisch nicht mehr auf sein Gegenüber reagieren kann, dann hat er natürlich diesen Verstärkungseffekt in diesen neuronalen Strukturen nicht mehr, und dadurch könnte man auch vermuten , dass die Gefühlsübertragung nicht mehr in dem Ausmaß funktioniert, wie sie funktioniert bei einem Menschen, der eine gesunde Gesichtsmimik hat."

    Ob sich dieser Zusammenhang eindeutig belegen lässt müssen weitere Experimente noch zeigen.