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Ohne Phosphor geht nichts

Umwelt. - Der aggressive Phosphor genießt zu unrecht einen zweifelhaften Ruf, glüht er doch teuflisch und entzündet sich selbst. Doch in der Biologie ist das Element nicht zu ersetzen, etwa in Knochen und Erbgut. Doch die Ressourcen gehen langsam zur Neige - wegen zu sorglosem Umgang.

Von Michael Fuhs |
    Die Mistfladen an den Häuserwänden im Schweizer Dorf Avers-Juf könnten ein Vorbild sein. Dem Fachmann zeigt das Foto aus dem Jahr 1950, dass die Welt, was den Phosphor angeht, damals noch in Ordnung war. In dem Dorf haben die Bauern früher einen geschlossenen Phosphorkreislauf betrieben, erklärt Paul Brunner, Leiter des Instituts für Abfallwirtschaft, Wassergüte und Ressourcenmanagement der Technischen Universität Wien. Phosphor ist im Boden gespeichert. Von dort gelangt er in die Gräser.

    "Die Schafe haben die Gräser gefressen. Die Schafe haben dabei natürlich Milch, Fleisch, aber auch Mist produziert. Die Bauern haben den Mist an die Häuser gestrichen, an der Hausfassade ist der Mist getrocknet, hat dann im Winter als Brennstoff gedient und der Brennstoff nach dem Verbrennen hat dann die Asche geliefert, da drin war der Phosphor und dieser Phosphor wurde wiederum aufs Feld gegeben und das war der geschlossene Kreislauf."

    Heute wird der Mist nicht mehr so effektiv zum Düngen benutzt. Denn wer Vieh hat, hat nicht genug Land, und wer Land hat, hat nicht genug Vieh. Stattdessen benutzen viele Landwirte Phosphordünger, der aus Lagerstätten gewonnen wird. Gegen diese Verschwendung kämpft Ewald Schnug, Leiter des Instituts für Pflanzenernährung und Bodenkunde an der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft.

    "Das Problem ist, dass Phosphor eine begrenzte Ressource ist. Phosphordüngemittel erschöpfen sich. Bei heutigen Extraktionsraten in etwa zwischen 50 und 250 Jahren. Das heißt nicht, dass dann kein Phosphor mehr da ist, das heißt, dass es dann schwieriger wird, Phosphor zu gewinnen, teurer wird, Phosphor zu gewinnen."

    Dabei bräuchte man eigentlich überhaupt keinen zusätzlichen Phosphor. Tiere und Menschen scheiden den größten Teil des kostbaren Elements wieder aus. Man dürfte die Exkremente nur nicht wie Abfall behandeln, der vom Regen über die Flüsse in das Meer getragen wird. Das ist nicht nur Verschwendung, sondern hat gleichzeitig ernsthafte Folgen für die Umwelt. Nils Vagstad vom norwegischen Institut für Landwirtschaft und Umweltforschung:

    "Das führt dazu, dass Algen wachsen. Einige davon sind problematisch. Die Blaualgen, wir nennen sie Cyanobakterien, produzieren Gifte, die gefährlich für Tiere und Menschen sind. Letztes Jahr waren sie über die ganze Ostsee verbreitet."

    In den letzten 15 Jahren ist der Phosphorzufluss geringer geworden, vor allem auch wegen der Wende in Osteuropa. Nils Vagstad befürchtet aber, dass dort wieder mehr Phosphorabfälle produziert werden, je besser es den Ländern geht.

    "Tierzucht und Ackerbau sind zu einem großen Teil örtlich getrennt. Eine Maßnahme wäre, eine beide besser zu integrieren. Dadurch könnte man sicherstellen, dass der organische Dung besser genutzt wird und nicht als Abfall behandelt wird. "

    Verschärft wird das durch die Futtermittelimporte. Mit dem Futtermais für die heimischen Tiere wird auch der Phosphor importiert. So verarmen andere Länder, während sich in Deutschland immer mehr Phosphor sammelt - auch davon landet ein großer Teil im Meer. Paul Brunner:

    "Der Phosphorverlust in der Landwirtschaft ist ganz wesentlich zu groß. In zweiter Linie kann man auch in der Abfallwirtschaft und der Abwasserwirtschaft mehr dazu beitragen, dass Kreisläufe geschlossen werden."

    Denn im Abwasser sammeln sich die Exkremente der Menschen. Auch sie enthalten einen Teil des Phosphors, der dem Kreislauf entzogen ist. Heute landet er im Klärschlamm. Da er zu sehr mit Schwermetallen belastet ist, wird er immer weniger zur Düngung der Felder benutzt. Stattdessen wird er verbrannt. Wissenschaftler arbeiten bereits an Technologien, Phosphor und Schwermetalle in der Asche voneinander zu trennen. Die Frage ist, ob das zu vertretbaren Preisen geht, sagt Paul Brunner. Wenn ja, könnten Landwirte wie früher die Bewohner von Anvers-Juf mit Asche düngen und so den Phosphorkreislauf so zumindest teilweise wieder schließen.