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Ohne Röhre

Magnet-Resonanz-Tomographen liefern brillante Bilder aus dem Inneren des Körpers. Organe, Gefäße und Nerven sind klar erkennbar. Viele Patienten fühlen sich allerdings unwohl, wenn sie in die enge Röhre eines Kernspintomographen geschoben werden. Vor allem deshalb wurden "offene Geräte" entwickelt - ohne Röhre - mit freiem Zugang von beiden Seiten.

Von Michael Engel |
    Das wiederum brachte Wissenschaftler im Universitätsklinikum Magdeburg auf die Idee, die Kernspintomographie nicht nur zur Diagnose, sondern auch bei Operationen als bildgebendes Überwachungssystem einzusetzen. Wie das funktioniert hat sich Michael Engel angesehen.

    Der Patient leidet an Leberkrebs. Nur mit einer örtlichen Betäubung - im Bereich des Bauchraums - wird der 55-Jährige behandelt: Unter einem offenen Kernspintomographen. Da es keine Röhre gibt, bleibt genügend Platz für das OP-Team. Ärzte wollen unter Sichtkontrolle durch die Bauchdecke hindurch einen Schlauch zu dem Tumor vorschieben.

    "Wir sehen in aller Regel den Tumor viel besser früher, als wir rein mit Computertomographie gearbeitet haben. Also bei vielen Patienten ein großer Vorteil, weil wir den Tumor einfach besser sehen, und wenn ich ihn besser sehe, kann ich ihn natürlich auch besser therapieren, "

    so der Radiologe Prof. Jens Ricke. Millimeter für Millimeter schieben Ärzte den Katheter in Richtung Tumor - den Blick dabei immer auf den Bildschirm gerichtet. Schon nach wenigen Minuten ist die Prozedur beendet. Die Katheterspitze liegt jetzt genau im Zentrum des bösartigen Gewebes.

    Danach beginnt die Strahlentherapie - und zwar von innen: Eine Radiosonde, die durch den Katheter geschoben wird, soll das Krebsgewebe gezielt abtöten. Prof. Peter Malfertheiner beurteilt den Einsatz der Kernspintomographie bei operativen Eingriffen als "Quantensprung".

    "In diesem Bereich gibt es, wie wir gesehen haben, die Möglichkeit, dass wir kleinste Läsionen im Leberbereich wegtherapieren können und damit natürlich sehr gewebsschonend vorgehen. Ich selbst bin sehr beeindruckt über die Möglichkeiten. Und wir werden sicherlich diese Möglichkeit vielen Patienten zum Nutzen angedeihen lassen. "
    Insgesamt, so der Leberexperte, muss lange nicht so viel gesundes Gewebe zerstört werden wie etwa bei einer herkömmlichen Bestrahlung von außen: Um das Patienten-schonende Verfahren einsetzen zu können, waren allerdings zahlreiche Anpassungen notwendig. Kernspintomographen entwickeln nämlich ein extrem starkes Magnetfeld, erklärt Prof. Ricke:

    "Sie können keinen normalen Monitor in ein solches Gerät bringen, weil das Magnetfeld von enormer Stärke ist. Der Monitor geht entweder aus oder er knallt ihnen mit Wucht an den Magneten, weil das ja magnetisches Material ist. Die Lösung hier ist beispielweise eine Projektion, die über ein Spiegelsystem auf eine Milchglasscheibe im Magneten fällt. Der Effekt ist derselbe wie bei einem Monitor. Aber sie haben eben eine amagnetische Milchglasscheibe im Gerät."

    Auch Katheter und chirurgische Instrumente bestehen aus Keramik oder nichtmagnetisierbaren Titanlegierungen. Bei schnell wachsenden Tumoren, die in kurzer Zeit viele Töchtergeschwülste erzeugen, ist der bildgeführte Einsatz von Kathetern wenig erfolgversprechend. Handelt es sich dagegen um eine geringe Anzahl solider Tumoren im Bereich von Leber oder Darm, sei das Verfahren der Bestrahlung von innen von Vorteil, urteilt Prof. Hans Lippert, Chirurg im Magdeburger Universitätsklinikum.

    "Die Patienten werden älter. Sie haben viele Therapien über sich ergehen lassen. Und wenn man jetzt noch mit schweren Begleitreaktionen rechnen muss, dann ist das für sie eine zusätzliche Belastung. Kann man die ihnen ersparen, dann ist das wirklich eine Innovation und ein Gewinn an Lebensqualität."

    So gilt die Technik zum Beispiel bei einer Unverträglichkeit gegenüber Chemotherapeutika als echte Alternative.

    In Magdeburg ist das Gerät nun schon seit sechs Monaten im Einsatz. Manfred Weise, der mit seinen 65 Jahren schon 24 Metastasen überlebt hat, ist dankbar für diese Art von Apparatemedizin:

    "Bei einer Chemotherapie hat man mehr Nebenwirkungen als bei diesen Eingriffen, die man bei mir gemacht hat. Und ich fühle mich ganz gut dabei, bei dieser Sache."