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Ohne Rücksicht auf die Umwelt

In Rumänien ist das Holz von guter Qualität und der Preis dafür attraktiv. Das ruft nicht nur Holzverarbeitungsfirmen auf den Plan, sondern auch die staatlichen Forstämter, die ebenfalls an dem florierenden Geschäft teilhaben wollen. Fachleute warnen bereits vor großflächigem Kahlschlag.

Von Thomas Wagner | 29.12.2005
    Sie fielen mit ihren Kettensägen und Äxten wie die Invasoren ein, erinnert sich Gheorghe Togoe, ehemaliger Waldbesitzer in der westrumänischen Gemeinde Bocsa. Kaum hatte er seinen 5000 Quadratmeter großen Privatwald an die staatliche Forstverwaltung verkauft, rückte der Trupp eines privaten Holzeinschlagunternehmens an - und säbelte fast alles nieder, was Äste, Blätter oder Nadeln hatte:

    "Ich habe mich richtig mies gefühlt, als ich das gesehen habe. Das sah aus wie ein Verbrechen, wie wenn einer einen Menschen umbringt. Das hat mir in der Seele wehgetan, als ich sehen musste, wie die rücksichtslos alles umgesägt haben."

    Gheorghe Togoe ist ein alter Mann; er geht an Krücken. Selbst konnte er seinen Wald nicht mehr bewirtschaften. Deshalb hat er an die Forstverwaltung verkauft. Knapp 1000 Euro hat er dafür bekommen - ein Nasenwasser, findet er. Denn die Forstverwaltung hat nicht die Fläche an sich, aber sehr wohl das Holz und das Recht zum Einschlag an ein Privatunternehmen weiterverkauft. Die bezahlten für jeden Baumstamm rund 200 000 rumänische Lei, das sind rund sechs Euro. Für die Forstverwaltung ist dieser Zwischenhandel ein gutes Geschäft. Auf die Frage, weshalb er nicht selbst an die privaten Holzerzeuger verkauft hat, antwortet Gheorghe Togoe:

    "Na ja, die haben kein Interesse an den Wäldern an sich, sondern nur an dem Holz. Und hätte ich nur das Holz verkauft, müsste ich weiterhin über Jahre hinweg Steuern für die Fläche zahlen und auch noch für die Aufforstung sorgen. Das wäre kein gutes Geschäft."

    Die Forstverwaltungen hingegen müssen, da sie selbst staatlich sind, keine Steuern zahlen. Und die Wiederaufforstung können sie wesentlich effektiver bewerkstelligen als der Eigentümer eines Kleinwaldes. So fließen Tag für Tag erkleckliche Summen in die Kassen der Forstverwaltungen. Denn Gheorghe Togoe ist kein Einzelfall:

    "Das ist die Regel, dass das so läuft. Wenn die Holzfirmen in einen Wald hineinkommen, dann bleibt nur Kahlschlag übrig. Bei meinem Nachbarn beispielsweise im Wald ist nur etwas Jungwuchs übrig geblieben, sonst gar nichts."

    Die Nachfrage nach rumänischem Holz ist groß. Das hängt mit der besonderen Güte zusammen. Ghiorghioni Ionesie, Holzhändler aus der westrumänischen Stadt Caran Sebes und bezeichnenderweise gleichzeitig als Parlamentsabgeordneter Mitglied im Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

    "Das rumänische Holz, vor allem aber die Buche aus dem Westen, aus dem Banat, zeichnet sich durch eine besondere Dichte des Holzes aus. Sie gehört deshalb zu den gesuchtesten Hölzern in Europa."

    Ein Grund mehr, weswegen in den rumänischen Wäldern die Kettensägen knattern und die Äxte ohne Unterlass schwingen. Das Wort vom Kahlschlag in den rumänischen Wäldern machte vor allem nach der Flutkatastrophe im Frühjahr die Runde. Weil viele Flächen abgeholzt wurden, sei der Untergrund abgerutscht, was die Hochwasserlage noch begünstigt habe, hieß es in rumänischen Zeitungen. Die staatlichen Forstbehörden wehren sich allerdings gegen die Kahlschlag-Vorwürfe. Mihai Bona von der westrumänischen Forstdirektion Resita weist darauf hin, dass ökologisch besonders wertvolle Waldbestände überhaupt nicht angetastet würden:

    "Im Einzugsbereich der Forstdirektion Resita gibt es immerhin vier Nationalparks. Das sind geschützte Waldgebiete, richtige Urwälder, wo es seit Jahrzehnten und Jahrhunderten keinen menschlichen Eingriff gegeben hat. Wir überlassen die Waldflächen sich selbst. Mittlerweile kommen Besucher von überall her, auch aus Deutschland, um sich diese Nationalparks anzuschauen."

    Einschläge würden, so der Forstamts-Sprecher, nur im Rahmen verbindlicher Einschlagspläne genehmigt. Die allerdings legen die Forstämter selbst fest. Und wie viel nun genau in den vergangenen Jahren abgeholzt wurde - die Antwort auf diese Frage bleibt Mihai Bona schuldig. Auch der Abgeordnete Ghirghioni Ionesie will von Kahlschlag nichs wissen - allerdings nur, was seinen Wahlkreis angeht:

    "Der Fehler liegt im System. Im östlichen Landesteil, in der Moldau zum Beispiel, wo wir die größten Überschwemmungsschäden hatten, gab es eine regelrechte Invasion arabischer Holzaufkäufer. Und dort gab es wirklich Kahlschlag; das Holz wurde fast ausnahmslos für die arabischen Länder geschlagen."

    Doch Gheorghe Togo, der Ex-Waldbesitzer, ist sich nicht so sicher, dass dieses Problem nur im Osten Rumäniens auftritt. Sein ehemaliger Wald befand sich schließlich im Westen des Landes. Und:

    "Wenn ich heute zu meinem ehemaligen Wald gehe, muss ich einen Riesenumweg machen. Denn der Fluss, der durch dieses Dörfchen fließt, hat seinen Lauf verändert, weil der Grund keinen Halt mehr hat. Und ich komme nur noch über Umwege zu dieser Fläche, die ich verkauft habe."