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"Ohne Rücksicht auf eigene Verluste"

Den tropischen Regenwald zu erhalten ist eines der zentralen Ziele der Umweltbewegung. Einer, der sich dafür vehement einsetzte, war der Schweizer Bruno Manser. Seit Anfang der 90er-Jahre kämpfte er gegen die Abholzungen auf der Pazifikinsel Borneo und für die Rechte der Ureinwohner. Von seiner letzten Reise nach Borneo kehrte er nicht mehr zurück. Dieser Tage fand eine Feier zum Gedenken an den hartnäckigen Umweltaktivisten statt.

Von Stephan Haufe |
    "Als Kind der Zivilisation, das so in der Beziehungslosigkeit der Stadt lebt, wollte ich zurück zu den Wurzeln und bin eben darum zum Handwerk gekommen, wollte aber so weit zurück, bevor noch das Geld in unserem Weltwirtschaftssystem aufgetaucht ist, das heißt, wo die Menschen wirklich von der Natur noch gelebt haben."
    Bruno Manser drängt es in die freie Natur. Bereits als Jugendlicher reizt ihn der Regenwald von Borneo, wie er in einem Schulaufsatz schreibt. Er möchte eine Riesenschlange fangen und erfahren, welche Pflanzen, Fleisch fressen. 1984 setzt der damals 30-jährige Schweizer seinen Wunsch in die Tat um und begibt sich nach Sarawak, dem Regenwaldgebiet im Nordwesten von Borneo. Dort im malaysischen Teil der Pazifikinsel schließt sich der ausgebildete Meistersenn dem Naturvolk der Penan an, die zu den letzten Waldnomaden der Erde gehören.

    Sechs Jahre lebt der schlanke, mittelgroße Mann mit dem stoppeligen Bart und der Nickelbrille wie einer der ihrigen. Seine Erkenntnisse über das bis dato völlig unbekannte Jäger- und Sammlervolk verarbeitet er auf mehr als 1500 Seiten Tagebuch. So hinterlässt er nicht nur einen wertvollen ethnologischen Fundus, sondern auch das Dokument eines Überlebenskampfes.

    Seit Ende der Siebziger Jahre wird der Lebensraum der Penan, der urtümliche Regenwald, Stück für Stück dezimiert. Malaysische Holzfirmen fällen täglich etwa 20.000 bis 40.000 Bäume. Manser war Anfang der 90er Jahre klar, dass innerhalb von 10 Jahren die letzten unberührten Gebiete zerstört sein werden, falls niemand Einhalt gebietet. Er zitiert einen Einheimischen:

    "Er sagt, so lange, die Leute in Japan und Europa Holz aus unserem Wald kaufen, so lange werden die Holzfällercompanies weiter machen. Nur dann ist eine Chance, wenn diese Länder dieses Holz nicht mehr kaufen."

    Der Naturromantiker wandelt sich zu einem radikalen Umweltaktivisten. Unter seiner Ägide blockieren die Penan Bulldozer der Holzfällerbetriebe und fordern von der malaysischen Regierung ihr Recht auf den Wald ein. Sein Ziel ist ein generelles Verbot von Tropenholz und ein Schutzgebiet für die Waldnomaden.

    1990 kehrt Manser in die Schweiz zurück. Offensiv prangert er den Hunger des Westens nach billigen Rohstoffen an. Durch spektakuläre Aktionen rüttelt er die Öffentlichkeit auf. 1993 tritt der charismatische Umweltschützer in einen 60-tägigen Hungerstreik vor dem Berner Bundeshaus, dem Schweizer Parlamentsgebäude. Er fordert den Importstopp jeglicher Tropenhölzer und eine Deklarationspflicht für alle Hölzer. Trotz großer Unterstützung kann er die Schweizer Bundesversammlung nicht zu einem solchen Schritt bewegen. Manser hält Vorträge im In-und Ausland, knüpft Kontakte zu NGO’s, der EU, der UNO und Regierungsstellen. Um erneute Aufmerksamkeit auf die rasante Abholzung der Regenwaldgebiete zu lenken, stürzt er sich an einem Seil von der Klein-Matterhorn-Bahn in 800 Meter Tiefe.

    "Ich habe niemanden in meinem Leben kennengelernt, bisher, der so stur, wenn man es so sagen will, seinen Weg gegangen ist, ohne Rücksicht auf eigene Verluste," sagt John Künzli, der mehrere Jahre als Sekretär des Bruno-Manser-Fonds tätig war. Der Fond setzt sich bis heute für die Ziele seines Gründers ein.
    288 Schweizer Gemeinden haben mittlerweile das Regenwaldholz verboten, doch die Penan sind dadurch nicht zu retten. Obwohl ihr Überlebenskampf weltweite Aufmerksamkeit auslöst, ist die totalitäre Regierung von Malaysia keineswegs dazu gewillt, den Penan ein eigenes geschütztes Reservat zuzusprechen. Bruno Manser wird vielmehr als Störer und gefährlicher Eindringling empfunden und zur persona non grata erklärt. Auch sein Wille, sich mit dem malaysischen Gouverneur von Sarawak zu versöhnen, ändert daran nichts. Im Mai 2000 bricht er abermals zu den Penan auf. Da er nicht nach Malaysia einreisen darf, nimmt er einen beschwerlichen Weg durch den Regenwald. Auf dieser Tour verliert sich seine Spur. Am wahrscheinlichsten halten seine Freunde, dass er im Auftrag von Holzfirmen und der Regierung umgebracht worden ist.