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Ohne Schreibblockaden durch die Nacht

"Es wäre schön, wenn ihr jetzt mal fünf Minuten lang alles aufschreibt was Euch einfällt… was will ich diese Nacht schaffen. Ab jetzt bitte einfach schreiben den Stift nicht absetzen im Schreibfluss drin bleiben."

Von Hilde Braun | 11.03.2011
    20.30 Uhr. In einem Seminargebäude der Ruhruniversität Bochum ist der Startschuss für die Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten gefallen. Circa 30 Studierende sind gekommen, im Gepäck haben sie Laptop, Bücher und manche auch einen Schlafsack. Zum Einstieg gibt Katinka Netzer ihnen die Möglichkeit Schreibblockaden durch eine kurze kreative Schreibübung abzubauen.

    "Also, wenn Euch gerade mal nichts einfällt, dann schreibt ihr: Mir fällt jetzt gerade nichts ein. … wie doof ist das denn, das ist ganz egal. Irgendwann kommt ihr wieder zu dem Thema."

    Stefanie Lux ist eine der Studierenden, die diese Nacht zum Schreiben nutzen will. Sie studiert Anglistik und Theaterwissenschaften im 7. Semester und hat einen Durchhänger in ihrer Bachelorarbeit.

    "Man schiebt es halt immer wieder auf, ich habe halt noch meine B. A. Prüfungen, für die ich noch lernen muss. Dann guckt man halt, schreibt man jetzt, lernt man jetzt, schreibt man jetzt, lernt man jetzt. Irgendwie macht man alles nicht so halb und nicht so halb. Und dann habe ich mir gedacht, wenn ich mir jetzt eine ganze Nacht vornehme, nur zu schreiben, dann klappt es vielleicht."

    Für Mike Gorges wird die Zeit langsam richtig knapp. Er muss Ende des Monats seine Masterarbeit in Germanistik abgeben. Der 26-Jährige hat sich ein klares Ziel gesetzt. Das erste Hauptkapitel muss in der Nacht fertig werden. Mit Kaffee im Aufenthaltsraum hält er sich immer wieder wach. Um 23 Uhr zieht er eine erste Bilanz. Die meiste Arbeit machen für ihn die formalen Anforderungen an die Masterarbeit.

    "Ja, am meisten Zeit hat gefressen, die Überarbeitung vom Fußnotenapparat. Ich habe den Eindruck, dass da inzwischen deutlich genauer hingeguckt wird und wenn man jetzt nicht zum zweiten Guttenberg werden will, dann sollte man diese erhöhten Anforderungen berücksichtigen."

    Mitternacht. Stefanie Lux braucht dringend eine Pause. Rücken und Schulter sind verspannt und werden jetzt von Birte Viermann sanft bearbeitet. Sie bietet Kurzmassagen an, die körperliche Blockaden lockern sollen.

    "Die Idee ist, dass die Leute hinterher konzentrierter weitermachen können. Wenn ich mich auf meinen Körper konzentriere, einen Moment atme oder entspanne, ist es oft so, dass ich die Welt freier sehe oder eine neue Idee habe."

    Um 2 Uhr morgens braucht Mike Gorges einfach mal Ruhe. Auch wenn er die Nacht durcharbeiten will, zieht er sich kurz in den eigens dafür hergerichteten Ruheraum zurück, lehnt sich zurück in bunte Kissen bei gedimmtem Licht. Hinlegen will er sich aber auf keinen Fall, auch wenn er todmüde ist.

    "Ja ein wenig geschlaucht, ich sehe, die Ersten haben auch schon die Segel gestrichen, aber das Ziel ist noch nicht erreicht, von daher durchhalten und weitermachen."

    Um wach zu bleiben, wird in dieser Schreibnacht nicht nur eine kurze Nachtwanderung angeboten. Kostenlose Getränke und Kleinigkeiten zu essen, sorgen für die nötige körperliche Energie. Maike Wiethoff ist Mitarbeiterin des Schreibzentrums an der Ruhruniversität, das die Schreibnacht organisiert hat. Hauptmanko für aufgeschobene Hausarbeiten ist neben der mangelnden Eingrenzung des Themas einer Arbeit ihrer Meinung nach auch das mangelnde Angebot an der Hochschule für wissenschaftliches Schreiben.

    "Wir sind vier Mitarbeiterinnen für 35.000 Studierende, das ist ein bisschen knapp. Und wir sind auch noch zuständig für die Doktoranden und die Hochschullehrenden."

    Tutoren verschiedener Fächer stehen die ganze Nacht für Fragen oder Schreibblockaden der Studierenden zur Verfügung. Konzentriertes Arbeiten bietet der Arbeitsraum, in dem Gespräche untersagt sind. Zum Dehnen und Strecken bietet Maike Wiethoff Schreibtischyoga an.

    "Okay, dann nehmt jetzt Euren rechten Arm in die linke Hand und streckt ihn und zieht ihn über dem Kopf zur Seite so feste wie es geht."

    Um fünf Uhr morgens holt sich Mike Gorges seinen achten Kaffee. Jetzt ist Frühstückszeit und Ende mit dem Schreiben. Er hat das Ziel der Nacht so gut wie erreicht, das erste Hauptkapitel seiner Masterarbeit ist fast fertig.

    "Ja, das Ziel ist fast geschafft, neun von zehn. Soweit zufrieden, ich bin eigentlich ganz stolz, dass ich länger durchgehalten habe als andere."

    Die Nacht durchgehalten haben übrigens insgesamt 16 Studierende.