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Ohne Schweiß keine Diagnose

Textilforschung. - Stoffwechselprozesse untersuchen Mediziner üblicherweise mit Blut, Speichel oder Urin. Für manche Patienten kommen diese Diagnosemethoden aber nur eingeschränkt oder gar nicht in Frage kommen. Koma-Kranken etwa darf auf keinen Fall Blut entnommen werden. Eine Alternative wäre die Analyse von Schweiß. Als Drogenschnelltest wird sie von der Polizei bereits eingesetzt, doch weitere Anwendungsfelder fehlen schon deshalb, weil sich Schweiß nur schwer in ausreichender Menge sammeln lässt. Wissenschaftler des Deutschen Textilforschungszentrums Nord-West haben dieses Problem nun mit Hilfe einer Socke gelöst.

    Hans Jürgen Buschmann ist Leiter der Arbeitsgruppe Polymer- und Supramolekulare Chemie im Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West in Krefeld, wo die blaue Spezialsocke entwickelt wird. Rein äußerlich unterscheidet sie sich nicht von anderen Socken: Größe 41-42, Baumwoll-Polyamid-Gemisch. Die Oberfläche aber wurde - unsichtbar für das bloße Auge - entscheidend verändert, sagt Hans Jürgen Buschmann: "Auf den Textilien befinden sich Cyclodextrine. Das sind zyklische Zuckermoleküle, die einen Hohlraum besitzen. In diesen Hohlraum werden die Substanzen des Schweiß eingelagert. Damit sind sie nicht mehr frei, können nicht mehr verdampfen oder vom Textil verschwinden."

    Cyclodextrine entstehen durch den enzymatischen Abbau von Stärke, sie sind für Menschen harmlose Moleküle und für den Lebensmittelbereich zugelassen. Allergische Reaktionen auf der Haut wurden auch praktisch nicht nachgewiesen. Ein ideales Molekül also, das zudem noch aus nachwachsenden Rohstoffen umweltschonend gewonnen wird. Die Cyclodextrine werden in der Socke fest verankert, so Buschmann: "Sie müssen dieses Molekül mit einem Ärmchen auf die textile Oberfläche anbinden, weil es sonst nach der Wäsche oder nach der Reinigung einfach weg wäre. Deshalb wird eine chemische Bindung zwischen dem Cyclodextrin und dem Textilmaterial hergestellt." In der Socke lagern sich beim Tragen schon nach einem Tag winzige Schweißmengen ein. Anschließend, erläutert Hans Jürgen Buschmann, waschen die Wissenschaftler den Schweiß mit organischen Lösungsmittel heraus und weisen anschließend mit einem Gaschromatographen die Bestandteile des Schweißes direkt nach. -- Potenzielle Einsatzfelder dieser Diagnostikmethode sehen die Krefelder Forscher überall dort, wo die Blut-, Speichel- oder Urinanalyse Probleme bereitet. Denkbar sind auch Dopingproben: Der Sportler liefert keine Urinprobe mehr ab, sondern seine durchgeschwitzten Socken oder andere Kleidungsstücke mit Hautkontakt. Technisch ist dieses Verfahren fast ausgereift, die nächsten Schritte müssen Mediziner machen: Denn die Diagnosestandards für Schweiß erreichen noch lange nicht das Niveau der Standards von Blut- oder Urinanalysen.

    [Quelle: Mirko Smiljanic]