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Ohne Sensationen oder Überraschungen

Die SPD Mecklenburg-Vorpommern steht vor einer glänzenden Zukunft. Sie wird, solange die CDU die 50-Prozent-Hürde nicht schafft, der entscheidende politische Faktor im Land sein - ob in einer Koalition und in welcher, entscheiden die Wähler am Sonntag.

Von Peter Marx | 29.08.2011
    Die Versteigerung stockt. Kaum einer will spenden, kaum einer interessiert sich für das Affengemälde, für das, in Fünf-Euro-Schritten, mitgesteigert werden kann. Ministerpräsident Erwin Sellering auf der Bühne ist Hauptredner, Ehrengast, Grundstein-Verleger und Versteigerer in einer Person. Die Prominenz der Hansestadt Rostock wartet ab. Nach zehn Minuten legt Sellering eine Verschnaufpause ein:

    "Dies ist ein Termin als Ministerpräsident, und dass wir Wahlkampfzeiten haben, das ist ein Zufall. Aber ich kann nicht die wichtigen Termine lassen, die man als Ministerpräsident macht, nur weil wir im Wahlkampf sind. Und da muss ich sagen, für dieses Land sind die Zoos sehr wichtig."

    Der Ministerpräsident schaut hinab auf die Hautevolee von Rostock, von denen die meisten ihn nicht wählen werden. Was den SPD-Politiker aber nicht stört. Heute geht es ihm um das neue Affenhaus des Rostocker Zoos, ein circa
    40-Millionen-Projekt mit dem Kunstnamen "Darwineum".

    Sellerings Liebe für Affen und Zoos ist zwar neu, passt aber gut zu seinem Image als "DDR-Versteher", mit dem er schon seit Monaten versucht, bei den ostdeutschen Wählern zu punkten. So passt auch, was der gebürtige Westfale aus Sprockhövel im Ruhrgebiet, der seit 2008 das Land regiert, über sich selbst sagt:

    "Ich habe jetzt gelesen, ich sei ein westdeutscher Politiker. Das stimmt natürlich nicht, sondern im bin im Westen geboren, und hier im Osten habe ich mich in die Politik begeben, weil es einfach so spannend war, Anfang der 90er-Jahre. Ich wollte die Entwicklung mitgestalten und bin hier Mitglied der SPD geworden. Ich würde schon sagen, ich bin ein ostdeutscher Politiker; alles, was Politik betrifft, ist ostdeutsch an mir."

    Die DDR ist für Sellering deshalb kein Unrechtsstaat gewesen; die Mauer lediglich eine bedauerliche Fehlentscheidung der damaligen Regierung und vor der Lebensleistung der DDR-Einwohner hat er hohen Respekt. Einsichten, die in Mecklenburg-Vorpommern nur vom Spitzenkandidaten der Linken, Helmut Holter, erwartet werden. Doch der ist vorsichtiger im Umgang mit der DDR-Geschichte und schaut noch gelassen zu, wie der SPD-Frontmann seinen ureigensten Wählerkreis beackert.

    Für die gemeinsame rot-rote Zukunft, wie sie Sellering mehrfach angedeutet hat, will Holter nichts riskieren, schon gar keinen Krach mit den Sozialdemokraten. Der 58-Jährige ist nach den ersten Wahlumfragen deutlich gefügiger geworden, denn seine Partei dümpelt derzeit zwischen 17 bis 19 Prozent rum: Viel zu wenig, um als selbst ernannter Ministerpräsidentenkandidat von CDU oder SPD ernst genommen zu werden.

    "Ich will Ministerpräsident werden. Der Traum hat sich nicht erledigt. Ob er sich am 4. September erfüllt, das muss man hinterfragen."

    Ja, sagen Spötter, nur das Jahrzehnt habe er vergessen zu erwähnen, wann die Links-Partei den Ministerpräsidenten im Land stellen werde. Und der wird sicher nicht mehr Helmut Holter heißen. Sollte die Linke bei diesen Landtagswahlen nicht deutlich zulegen, 2006 waren es damals noch als PDS
    16,8 Prozent, dürfte er die längste Zeit Spitzenmann seiner Partei gewesen sein. So nimmt ihm der linke Flügel der Landespartei sehr übel, dass alle ihre Kandidaten auf der Landesliste ausgebootet und auf die hinteren Plätze verbannt worden sind. Holter gab dabei die Regieanweisungen und sorgte dafür, dass nur SPD-freundliche Kandidaten auf gute Listenplätze kamen.

    "Wer in die Politik geht, spielt immer mit einem Risiko. Und man kann nicht Politik machen mit einem doppelten Boden, sondern man muss sich solchen Herausforderungen stellen."

    Ein "Putsch von oben", nannte es damals die Schweriner Volkszeitung, und die Ostseezeitung meldete: Holter macht Linke hübsch für Sellering.

    "Wir haben mit dem Parteitag im April klare Signale in die Öffentlichkeit und an die SPD gesendet. Wir haben erstmalig einstimmig beschlossen, dass wir in die Regierung zurück wollen. Wir haben ein Wahlprogramm, das unsere Schlüsselvorhaben bestimmt. Wir haben das diskutiert und auch geschaut, was die anderen aufschreiben."

    Der bisherige Fraktionschef der Linken im Landtag gehörte - von 1998 bis 2006 - beiden rot-roten Landesregierungen als Arbeitsminister an. In seinem Wahlbüro bereitet er sich mit Parteifreunden auf den Endspurt im Wahlkampf vor. Die Stimmung ist noch gut, obwohl die Linke bei der letzten Umfrage einen halben Prozentpunkt verloren hat. Schlimmer für Holter ist jedoch die eigene Partei, die ihm die Wahlkampagne erschwert:

    "Wir haben eine nicht schöne Situation. Gerade zu der Zeit der Umfrage, stellte sich die Linke in Mecklenburg-Vorpommern als zerstrittene Partei dar. Wir diskutieren über den Mauerbau. Wir diskutieren darüber, ob die Bundesspitze in Mecklenburg-Vorpommern in den Wahlkampfeinsatz kommt. Das sind alles Stücke aus dem Tollhaus."

    Langsam füllen sich die durchsichtigen Kunststoffbehälter mit Fünf- und Zehn-Euro-Scheinen. Versteigerer Sellering bedankt sich bei jedem einzelnen Spender und lächelt gemeinsam mit dem Zoo-Direktor um die Wette. Die Affen an sich, die SPD in Mecklenburg-Vorpommern und der Spitzenkandidat. Wie passt das eigentlich zusammen?

    "Ja, ich glaub nur, wenn man es versucht mit Gewalt zusammenzubringen."

    Solche Fragen findet der ehemalige Verwaltungsrichter nicht lustig, sondern unpassend, vielleicht sogar mehr. Er dreht sich brüsk weg, fordert wieder Spenden ein. Nach ein paar Minuten ist er wieder der Alte: lächelnd, siegessicher - mit breiter Brust.

    Seit drei Jahren ist er der Chef einer Großen Koalition. In allen Infratest/Dimap-Umfragen führt die SPD derzeit mit 36 Prozent, gefolgt von der CDU mit 26 Prozent und den Linken mit zuletzt 17 Prozent. Seit Monaten spielt der Sozialdemokrat die beiden potenziellen Juniorpartner gegeneinander aus, weil er weiß, dass CDU wie Linke die Oppositionsrolle fürchten. Wer sein persönlicher Favorit ist, lässt Sellering nicht erkennen. Und so antwortet er wieder vielfältig deutbar:

    "Es geht mir jetzt nicht darum, zu philosophieren, wie ist es nach der Wahl. Ich möchte breite Zustimmung zur SPD bekommen. Die Umfragewerte sind gut, aber wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen wählen gehen, und ich werbe darum, dass sie dann auch die SPD wählen. Die Koalition, das kommt danach, alle Überlegungen kommen danach. Es gilt natürlich: Es kann nur eine stabile Mehrheit sein, und bei einer stabilen Mehrheit kommt es auf die Zahlen an und es kommt auf die Menschen an, die da sitzen. Das muss man sich im Einzelnen anschauen."

    Stabile Mehrheit! An diese Aussage klammert sich die gesamte Landes-CDU. Stabilität, so argumentiert Parteichef Lorenz Caffier, sei nur mit der CDU möglich. Dem Spitzen-Kandidaten der Konservativen geht die Ungewissheit deutlich auf die Nerven. Am liebsten wäre Caffier vermutlich gewesen, wenn sich SPD und CDU sehr frühzeitig auf eine Fortsetzung der Großen Koalition geeinigt hätten und mit entsprechenden Aussagen in den Wahlkampf gezogen wären.

    "Einerseits haben wir bis zum 4. September noch eine Aufgabe, nämlich die Regierungskoalition fortzusetzen, noch Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, anderseits stehen wir natürlich in der Konkurrenz. Und ich kann nur darauf hinweisen, was die Entwicklung im Land 2006 betroffen hat, als wir acht Jahre Rot-Rot hatten. Und was die Entwicklung in den letzten fünf Jahren alleine mit den Zahlen, mit denen der Ministerpräsident auf den Plakaten wirbt, was die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen betrifft, kann ich nur sagen: Wer hat es erfunden in der Frage."

    Doch der Kuschelkurs der CDU in den letzten fünf Jahren wurde von Sellering nicht belohnt, auch wenn es der Ingenieur für Landtechnik, Lorenz Caffier, so nicht sieht:

    "Nein, dem Vorwurf würde ich in der Form nicht folgen, weil es relativ einfach ist. Entweder sie haben 50 Prozent plus X, dann können sie alles entscheiden wie sie es wollen. Oder sie haben es nicht, das ist dann wie zu Hause im Privaten. Dann muss man sich einigen, auf welche Linie man verfährt, welche Sachen man umsetzt. Wir haben es in der Vergangenheit immer geschafft uns zu einigen, und ich kann nicht erkennen, dass wir immer nur gekuscht haben."

    Der 57-jährige Caffier hat seine Parteifreunde frühzeitig auf den Kuschelkurs mit der SPD getrimmt und alle möglichen Gefahrenherde entfernt. Kritiker werfen ihm vor, eine Partei zu führen, die konturenlos ist und sich festgebissen hat in der derzeitigen Juniorrolle. So nahm die Landes-CDU entgegen dem Kurs der Bundespartei fast klaglos hin, dass Sellering die Schuldenbremse im Grundgesetz abgelehnt und die sofortige Rückkehr der Bundeswehr aus Afghanistan gefordert hat. Auch bei Landesthemen muss Caffier lange überlegen, bis ihm zwei Beispiele einfallen, bei denen sich die CDU wirklich gegen Vorschläge der SPD gestemmt hat:

    "Ja, da gibt es die eine oder andere Sache. Aber am Schluss gilt für mich: Wenn man einen Kompromiss gefunden hat, dann habe ich ihn zu vertreten und deswegen bleibt es dabei. Man hätte sicherlich eine intensivere Diskussion führen können, zum Beispiel bei der Frage, Jugendoffiziere an den Schulen, oder ich hätte mir auch einen Kreis mehr vorstellen können, aber die anderen einen weniger. Und in sofern gab es einen Kompromiss zum Schluss. Also, insofern unter dem Strich: erfolgreiche Arbeit."

    "Caffier ist der falsche Mann", heißt es hinter vorgehaltener Hand innerhalb der Partei. Wobei die Leistungen ihres Spitzenkandidaten nicht angezweifelt werden. Kein anderer Spitzenkandidat kämpft so entschlossen um jede Wählerstimme wie der CDU-Chef. Keiner kennt das Innenleben seiner Partei so gut wie Caffier und keiner der Spitzenmänner um ihn herum, versteht sich so gut auf das politische Strippenziehen, wie der noch amtierende Innenminister. Und was er über sich sagt, lebt er auch vor:

    "Ich sehe mich in der Mitte, aber mit konservativen Werten. Also, Werte, die früher eine Bedeutung hatten, wie Ehrlichkeit, wie Glaubwürdigkeit, letztendlich auch Normen wie Disziplin, Teamfähigkeit und umgehen können mit Niederlagen genauso wie mit Siegen."

    Caffier ist der "König der Feuerwehrbälle", weil er fast jeden besucht. Polizeimeister reagieren erschrocken, wenn sie vom Innenminister mit Namen angesprochen werden, genauso wie Feuerwehrleute oder THW-Helfer. Gelegentlich nennt er seinen Gesprächspartnern deren eigene Telefonnummer, denn der Reserve-Offizier der Marine hat ein phänomenales Zahlen-Gedächtnis. "1000 Telefonnummern", sagt er selbst, "hat er im Kopf."

    Aber all das hilft ihm nicht. Nur 15 Prozent der Wähler würden bei einer Direktwahl dem CDU-Mann ihre Stimme geben. Selbst mit dem Wahlprogramm kann er kaum punkten, SPD, Linke und die Grünen fordern für das rund 1,7 Millionen Einwohner zählende Bundesland ähnliches. Lediglich beim Thema Mindestlohn beziehungsweise in der Wortwahl unterscheiden sich die Parteien:

    "Also, Arbeitsplätze stehen an erster Stelle nach wie vor. Wir brauchen Wertschöpfung mit fairen Löhnen. Bildung im Gesamten, nicht nur von Geburt bis zum Verlassen der Schule. Dazu zählt: Hochschulen, Universitäten, Berufsschulen. Die gehören mit dazu. Und der dritte Schwerpunkt ist für dieses Land von existenzieller Bedeutung, ist das Thema Demografie. In Mecklenburg-Vorpommern werden wir die Probleme, die Deutschland bekommt, früher bekommen als woanders. Wenn wir noch 100.000 Einwohner verlieren, dann haben wir noch 1,5 Millionen Einwohner, wenn NRW die verliert, haben sie noch immer über 18 Millionen. Und trotzdem müssen wir Infrastruktur, Polizei, Verkehr, Gemeinwesen alles trotzdem organisieren und aufrecht erhalten. Und deshalb sind hier kreative und gute Ideen auch in Zukunft gefragt."

    Vor allem in der Wirtschaftspolitik. Mecklenburg-Vorpommern ist Spitzenreiter im Bereich erneuerbarer Energie; sowohl in der Stromproduktion wie in der Fertigung von Windenergie- und Solaranlagen. Dafür ist die Zukunft der Schiffswerften ungewiss. Die Arbeitslosenquote ist dank guter Auftragseingänge auf 11,7 Prozent gesunken. Das größte Problem: Es fehlt an Nachwuchs und Facharbeitern. Die Gründe: niedrige Geburtenrate und eine hohe Fluktuation nach Hamburg und Schleswig-Holstein.

    Lorenz Caffier legt noch eine Schippe auf. Sportlich wie der 57-Jährige ist, schaufelt er selbst auf dem historischen Eisbrecher Stettin einige Schippen Kohlen ins Feuer.

    "Ja, am Ende werden die Kohlen gezählt, am 4. September, und insofern ist es gut, wenn man mal eine Schippe auflegt und nochmals Kräfte zusammensammelt, um wirklich einen Spurt hinzulegen."

    Die Ausfahrt mit dem Eisbrecher hat Tradition bei der Landes-CDU. Eingeladen sind die Mitarbeiter der Parteizentrale, die Minister, die bisherigen Landtagsabgeordneten und die neuen Kandidaten. Einziges Thema: der Ausgang der Wahlen. Langsam dämmert es auch den Optimisten, dass die CDU mit deutlichem Abstand nur zweiter Sieger werden kann.

    "Das weiß ich nicht. Ich bin auch Sportminister, und ich kenne keinen Sportler, der auf Platz zwei ankommen will. Deshalb setzt erstmal Platz eins, und alles andere wird sich finden."

    Allerdings: Würde es so kommen, wäre die CDU der große Verlierer der Landtagswahl. SPD und Linke als zweit- und drittstärkste Partei würden sofort eine Koalition bilden. Die Grünen gelten derzeit als noch zu schwach für eine Regierungsbeteiligung.

    Die Hoffnung der CDU auf eine starke FDP hat sich bereits im April erledigt. Die Liberalen stürzten auf ihrem Parteitag den Fraktionschef und Spitzenkandidaten Michael Roolf und kürten dafür den völlig unbekannten Abgeordneten Gino Leonhardt. Der Sturz der FDP von 9,6 Prozent - 2006 - auf derzeit etwas über vier Prozent war die zwangsläufige Folge.

    Das Dilemma der Christdemokraten wird in den nächsten Jahren noch größer, wenn die Grünen sich im Landtag etablieren sollten. Rot-Grün wäre dann eine weitere Alternative für die SPD. Doch das ist Zukunftsmusik. Momentan liegt die grüne Partei bei rund acht Prozent und ist damit zufrieden. Nach 20 Jahren ist die Öko-Partei, so Silke Gajek, ihrem Ziel so nah wie nie: das letzte grünenfreie Landesparlament in Deutschland zu stürmen.

    "Da gab es das Jahr 1990, als das neue Forum und die Grünen getrennt gegangen sind. Daneben gab es noch vereinigte Linke mit dem unabhängigen Frauenverband, also drei Richtungen, die, wären sie zusammengekommen, eine satte, über zehn Prozent Ansatz gehabt hätten und dann eben Politik machen können. Das ist damals nicht passiert. Daran haben wir lange gekrankt. Aber mit der Vereinigung von Bündnis 90/ Die Grünen im Jahre 1993 wurde 1994 nochmals der Versuch gestartet, leider auch nicht so erfolgreich. Und derzeit bin ich der Auffassung, dass es eine Veränderung in der Gesellschaft gibt, die ist auch in Mecklenburg-Vorpommern angegangen. Und dieses Jahr bin ich der guten Hoffnung, dass die Bürger das Kreuz an der richtigen Stelle machen."

    Zwar ebbt der Fukushima-Effekt langsam ab, aber bis zur Wahl sollte es reichen, hofft Silke Gajek, die zusammen mit Jürgen Suhr als Spitzenkandidaten-Tandem, die Grünen führt:

    "Zum einen haben wir die Frage Zwischenlager Lubmin, das wird auch in fünf Jahren, in zehn Jahren ein Thema sein. Das Thema wird ein Stück weit überhöht, weil es medienwirksam immer wieder thematisiert wurde. Das, was wir in den letzten Jahren viel an Anfragen hatten und auch an Arbeit, ist erneuerbare Energie. Also, doch dort die Akzente zu setzen, das ist uns auch gelungen. Und letztendlich auch in der Massenviehhaltung dort Pflöcke reinzusetzen und zu sagen, so geht es nicht weiter, wenn ich auf der anderen Seite ökologischen Landbau haben möchte."

    Die SPD Mecklenburg-Vorpommern steht vor einer glänzenden Zukunft. Sie wird, solange die CDU die 50-Prozent-Hürde nicht schafft, der entscheidende politische Faktor im Land sein. Verständlich, das Erwin Sellering diesem Wahltag gelassen entgegensieht:

    "Ja, ich fühle mich entspannt. Ich werde jetzt häufiger nach meinen persönlichen Befindlichkeiten gefragt. Ich bin eigentlich ein entspannter Typ, und der Wahlkampf hat daran noch nichts geändert. Vielleicht kommt das noch, aber ich wünsche, dass es genauso weitergeht."

    Wofür vieles spricht. Nicht aber dafür, dass er die gesamte Wahlperiode Ministerpräsident bleibt. Sellering wird im Oktober 62 Jahre alt und muss sich über seine Nachfolge langsam Gedanken machen. Einen Nachfolger hat er nicht aufgebaut, sieht man mal von Sozialministerin Manuela Schwesig ab, die von der Opposition gerne als "Maskottchen" oder "Küsten-Barbie" bezeichnet wird. Doch die 37-Jährige sieht ihre Zukunft mehr in Berlin als in Schwerin.

    337 Kandidaten von 16 Parteien bewerben sich am 4. September um einen der 71 Abgeordnetenplätze im Schweriner Schloss, dem Sitz des Landtages. Darunter die völlig chancenlosen Republikaner, die nicht einmal plakatiert haben und die NPD, die bislang mit sechs Sitzen im Parlament vertreten ist. Die rechtsextreme Partei gibt sich nach außen hin bürgerlich und erarbeitete sich in kleinen Gemeinden mit
    Hartz-IV-Sprechstunden und Seniorenprogrammen ein
    Kümmerer-Image. 2006 schaffte die NPD 7,2 Prozent, was insgesamt 110.000 Erst- und Zweistimmen waren.

    Bei ihrem Fall sind sich alle anderen Parteien einig: "Raus mit der NPD aus dem Landtag", heißt der Slogan. Doch gemeinsame Demonstrationen kommen zu spät. In den Umfragen liegen die Rechtsextremen derzeit bei 4,5 Prozent. NPD-Fraktionschef Udo Pastörs ist damit sehr zufrieden:

    "Ja, ist eine sehr gute Ausgangsposition. Wir hatten 2006 um den Zeitpunkt etwas weniger."

    Endspurt für Erwin Sellering. Die Sammelbüchsen sind gefüllt, das Ende der amerikanischen Versteigerung naht. Noch drei, zwei, eine Minute - und Schluss. Für das Affenbild kommen über 600 Euro zusammen. Für die Affen gibt es noch eine Extra-Portion Bananen, für die Besucher ein Extra-Lächeln des Ministerpräsidenten. Zeit, sich unter die Wähler zu mischen. Leutselig hört er zu, was sie ihm zu sagen haben:

    "Da kann ich nur sagen, eine andere Konstellation wäre mir lieber gewesen. Nicht die Große Koalition. Mit den Linken. Die haben es schon mal gut gemacht. Mit der Konstellation wäre mehr rausgekommen."

    "Ich kann nichts sagen, ich bin zufrieden. Ja, von nichts kommt nichts."

    67 Prozent der Wähler würden Erwin Sellering ihre Stimme geben, wenn sie den Ministerpräsidenten direkt wählen könnten. Was selbst ihn überrascht, denn sein Wert ist höher als der seines Vorgängers Harald Ringstorff. Und der war Kult in Mecklenburg-Vorpommern.