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Ohne Übernahmegarantie

Am Europa-Kolleg in Brügge machen jährlich 275 Hochschulabsolventen aus 40 Nationen den so genannten "Master Degree in European Studies". Die Zugangsvoraussetzungen für das Elite-Studium sind hart. Gefordert werden gute Hochschulnoten, drei Professorengutachten und Auswahlgespräche, in denen europäische Kenntnisse nachgewiesen werden müssen. Doch trotz der spezialisierten Ausbildung in den Bereichen Recht, Wirtschaft oder Politik gibt es für die Elite-Absolventen aus Brügge keine Jobgarantie.

Von Britta Mersch | 12.05.2004
    Büffeln für einen Spitzenjob in Brüssel - das machen Hochschulabsolventen, die nach ihrem Studium ein zehnmonatiges Postgraduierten-Studium am Europa-Kolleg in Brügge absolvieren. zehn Prüfungen, sechs Referate, fünf Hausarbeiten und eine Masterarbeit erwarten die Studenten, die sich am renommierten Kolleg auf einen Job in der EU vorbereiten. Doch die Rechnung geht nicht auf: Trotz Kosten von rund 15.000 Euro für die Elite-Ausbildung bleibt für viele Absolventen der ersehnte Job ein Traum. Einer von ihnen ist Bruno Scholl. Bereits vor drei Jahren hat er seinen Abschluss am Europa-Kolleg in Brügge gemacht. Sein Berufsziel, ein Job bei der Europäischen Kommission, hat er bis heute nicht erreicht.

    Mein erstes Ziel, das ich nach dem Abschluss hatte, war eigentlich wie so viele im College, ein Praktikum in der Kommission zu machen. Als das nicht geklappt hat, war ich furchtbar enttäuscht, weil ich eigentlich gedacht hatte, nach dem Brügge-Jahr müsste es doch so leicht sein, ein Praktikum zu machen, das machen doch so viele. Als es dann nicht geklappt hat, bin ich zuerst mal ohne weitere konkrete Pläne auf Reisen gegangen und habe meinen Sommer in Asien verbracht.

    Erfahrungen wie diese machen am Europa-Kolleg viele. Tobias Grothe hat nach seinen Abschluss 2003 zwar ein Praktikum bei der Europäischen Kommission bekommen. Die Chancen auf einen festen Job haben sich seiner Meinung nach in den letzten Jahren aber massiv verschlechtert.

    Die Situation ist sicher nicht mehr dieselbe wie vor zehn oder 15 Jahren. Damals war es wohl so: Wenn man den Abschluss am Europa-Kolleg in Brügge gemacht hatte, dann hatte man doch eher die Qual der Wahl zwischen den Jobangeboten, weil man eine sehr spezialisierte Ausbildung genossen hatte, die damals in Europa eher selten war. Vielleicht nicht einmalig, aber doch sehr selten. Das hat sich insofern geändert, als dass es heutzutage viele Institutionen und Bildungseinrichtungen gibt, die einen ähnlichen Studienablauf wie in Brügge anbieten.

    Trotz schlechter Perspektiven ist der Ansturm auf Brügge ungebremst. Vergangenes Jahr bewarben sich 130 Leute, in diesem Jahr bereits 160. Inzwischen dämpft bereits das Lehrpersonal die hohen Erwartungen der Absolventen. Politik-Professor Wolfgang Wessels:

    Man hat keinen festen Zugang. Es ist nicht wie - man vergleicht das manchmal mit ihr - bei der französischen ENA, Ecole nationale d'administration, die als Elite-Universität gilt oder Elite-Schule, besser gesagt. Es wird bewusst nicht Universität gesagt, sondern Elite-Schule. Dort gilt, dass jeder, der da durchkommt, schon einen festen Job in der französischen Administration hat. So ist es bei Brügge nicht, sondern man muss sich dann wieder bewerben wie jeder andere auch. Insofern sind die Brügger Absolventen nicht bevorzugt. Sie haben vielleicht bessere Aussichten für europäische Jobs oder europäische Karrieren, aber sie sind nicht automatisch bevorzugt, sondern sie müssen sich immer wieder neu bewähren.

    Beim so genannten Concours der Europäischen Kommission bekommen jährlich zwar rund ein Drittel der Absolventen aus Brügge die Möglichkeit, sich für einen Job bei der Kommission zu bewerben. Genaue Zahlen über die Erfolgsquoten der Absolventen gibt es aus Brügge jedoch nicht.

    Nein, das habe ich nicht. Das kann auch nicht immer so verfolgt werden, denn wenn die aus Brügge weggehen, melden sie ja nicht zurück, ob sie jetzt einen Beruf oder keinen haben. Es gibt zwar anciens, also ein Büro der Ehemaligen, wo so etwas teilweise gesammelt wird, aber systematisch kann man das nicht erfassen.

    Wenn auch ein Abschluss in Brügge keine Jobgarantie bringt, einen Vorteil hat die Ausbildung am Europa-Kolleg doch. Neben europäischem Spezialwissen bekommen die Studenten Kontakte, durch die sich manchmal neue Berufschancen ergeben. Das Stichwort hier heißt Networking, sagt Tobias Grothe:

    Das läuft dann so - ich kann da ruhig mal mein eigenes Beispiel nehmen -, dass ich schon während des Kommissionspraktikums mit einem ehemaligen Collegestudenten zusammengearbeitet habe, der das College vor zehn Jahren gemacht hat, der jetzt also mein Vorgesetzter war. Er kannte noch jemanden, der gerade jemanden sucht. Solche Tipps braucht man einfach, um etwas zu finden, gerade wenn die Konkurrenz größer ist.

    Insider sprechen hier schon von der "Brügge-Mafia" am Brüsseler Arbeitsmarkt.