Stärkste Szene dieses Doppelabends ist zweifellos der Schluss, wenn Orest, der heimgekehrte Bruder der Elektra die Mutter Klytämnestra und ihren Liebhaber Ägisth ermordet hat.
Wie ein bluttriefender Skalp erscheint er da im Burg-Türchen, einer Art Müllkippe: es ist die nämliche Maske, in der sein Vater, der Troja-Heimkehrer Agamemnon in der der Strauss-Hofmannsthalschen "Elektra" vorangestellten "Cassandra" auftrat.
Unten im Vorhof, wo Elektra im modrigen Abfall hauste, hat die Rache-brütende Agamemnon-Tochter ihren grauen Kittel ausgezogen. Im weißen Kleid wie die erinnerte und vom Vater für günstige Winde geopferte Schwester Iphigenie tanzt sie ihren Rache-Triumph.
Und viele kleine Iphigenien kriechen wie Maden und Würmer in das knietief aus geschwärztem Kork bereitete Grab, bewegen sich, ihre Körper schlängelnd, krümmend - bis sie langsam ermatten und im Orchester das Agamemnon-Thema noch mal aufleuchtet.
Dies Agamemnon-Thema, mit dem die Strausssche "Elektra" auch beginnt - und das ist das Verblüffende - findet sich sehr ähnlich schon vorgebildet in der "Cassandra"-Oper von Vittorio Gnecchi.
Gnecchis "Cassandra", 1905 immerhin von Arturo Toscanini in Bologna uraufgeführt, hat Strauss wohl gekannt. Er stand damals in engem Kontakt mit Toscanini, der gern seine gerade fertige "Salome" in Italien erstaufführen wollte.
Gnecchi, heute vergessen, erzählt in "Cassandra" gleichsam die Vorgeschichte zur Straussschen "Elektra": Die Heimkehr des Agamemnon aus dem Krieg und seine Ermordung durch die noch junge Klytämnestra, die nicht verwinden kann, dass er die gemeinsame Tochter Iphigenie auf dem Altar des Kriegsglücks geopfert hat.
Gnecchis Musik ist eine Art Dauer-Espressivo, auf 50 Minuten verdichteter, italianisierter, singbarer Wagner, aber ungleich weniger raffiniert im Satz wie in der Instrumentation, vom ästhetischen Rang eigentlich inkompatibel mit dem Straussschen Monolithen "Elektra".
Kirsten Harms, die Regisseurin und Intendantin der Deutschen Oper Berlin, nennt denn vor allem dramaturgische Gründe, warum sie beide Stücke zu einem mehr als dreistündigen Abend zusammen spannt.
" Ich wollte zeigen, dass die Mutter bereits eine ähnliche Geschichte erlebt hat, um den Zuschauer in die Einfühlung in diese Figur zu schicken."
Aber nicht nur musikalisch ist der erste Teil des Abends ungleich schwächer, auch szenisch kommt er übers Schablonenhaft-"Eindeutige" nicht hinaus. Interessant ist lediglich die Figur der Seherin Cassandra, die zwar das kommende Unheil sich fortpflanzender Rache und Gewalt ahnt aber nicht verbalisieren kann.
Sängerisch und darstellerisch überragend in "Elektra" die gealterte, ihr Beil wie eine Gehhilfe schwingende Klytämnestra der Jane Henschel. Bewundernswert, wie Jeanne-Michèle Charbonnet die Partie der Elektra durchsteht - und in der Mini-Rolle des Ägisth Reiner Goldberg als Einspringer. Bei ihm versteht man auch - alte Schule - jedes Wort, ohne dass man sich in die Übertitelungsanlage flüchten muss.
Leopold Hager am Pult liefert kaum mehr als Routine. Das Publikum applaudierte denn auch enthusiastisch vor allem den Sängern. Die Regisseurin musste auch einige Buhs einstecken - und mit ihr das Team: Silvana Schröder als Choreografin der Schlussszene und Bernd Damovsky für sein goldglänzendes Mykene-Einheits-Bühnenbild und die überwiegend in schwarz-weiß geschneiderten Kostüme.
Für das in letzter Zeit gebeutelte Haus ist das immerhin ein Punkterfolg. Und zusammen mit der Nachricht über den künftigen neuen Generalmusikdirektor Donald Runnicles darf man nun vielleicht hoffen, dass die Deutsche Oper das tiefe Tal der Tränen hinter sich lässt.
Wie ein bluttriefender Skalp erscheint er da im Burg-Türchen, einer Art Müllkippe: es ist die nämliche Maske, in der sein Vater, der Troja-Heimkehrer Agamemnon in der der Strauss-Hofmannsthalschen "Elektra" vorangestellten "Cassandra" auftrat.
Unten im Vorhof, wo Elektra im modrigen Abfall hauste, hat die Rache-brütende Agamemnon-Tochter ihren grauen Kittel ausgezogen. Im weißen Kleid wie die erinnerte und vom Vater für günstige Winde geopferte Schwester Iphigenie tanzt sie ihren Rache-Triumph.
Und viele kleine Iphigenien kriechen wie Maden und Würmer in das knietief aus geschwärztem Kork bereitete Grab, bewegen sich, ihre Körper schlängelnd, krümmend - bis sie langsam ermatten und im Orchester das Agamemnon-Thema noch mal aufleuchtet.
Dies Agamemnon-Thema, mit dem die Strausssche "Elektra" auch beginnt - und das ist das Verblüffende - findet sich sehr ähnlich schon vorgebildet in der "Cassandra"-Oper von Vittorio Gnecchi.
Gnecchis "Cassandra", 1905 immerhin von Arturo Toscanini in Bologna uraufgeführt, hat Strauss wohl gekannt. Er stand damals in engem Kontakt mit Toscanini, der gern seine gerade fertige "Salome" in Italien erstaufführen wollte.
Gnecchi, heute vergessen, erzählt in "Cassandra" gleichsam die Vorgeschichte zur Straussschen "Elektra": Die Heimkehr des Agamemnon aus dem Krieg und seine Ermordung durch die noch junge Klytämnestra, die nicht verwinden kann, dass er die gemeinsame Tochter Iphigenie auf dem Altar des Kriegsglücks geopfert hat.
Gnecchis Musik ist eine Art Dauer-Espressivo, auf 50 Minuten verdichteter, italianisierter, singbarer Wagner, aber ungleich weniger raffiniert im Satz wie in der Instrumentation, vom ästhetischen Rang eigentlich inkompatibel mit dem Straussschen Monolithen "Elektra".
Kirsten Harms, die Regisseurin und Intendantin der Deutschen Oper Berlin, nennt denn vor allem dramaturgische Gründe, warum sie beide Stücke zu einem mehr als dreistündigen Abend zusammen spannt.
" Ich wollte zeigen, dass die Mutter bereits eine ähnliche Geschichte erlebt hat, um den Zuschauer in die Einfühlung in diese Figur zu schicken."
Aber nicht nur musikalisch ist der erste Teil des Abends ungleich schwächer, auch szenisch kommt er übers Schablonenhaft-"Eindeutige" nicht hinaus. Interessant ist lediglich die Figur der Seherin Cassandra, die zwar das kommende Unheil sich fortpflanzender Rache und Gewalt ahnt aber nicht verbalisieren kann.
Sängerisch und darstellerisch überragend in "Elektra" die gealterte, ihr Beil wie eine Gehhilfe schwingende Klytämnestra der Jane Henschel. Bewundernswert, wie Jeanne-Michèle Charbonnet die Partie der Elektra durchsteht - und in der Mini-Rolle des Ägisth Reiner Goldberg als Einspringer. Bei ihm versteht man auch - alte Schule - jedes Wort, ohne dass man sich in die Übertitelungsanlage flüchten muss.
Leopold Hager am Pult liefert kaum mehr als Routine. Das Publikum applaudierte denn auch enthusiastisch vor allem den Sängern. Die Regisseurin musste auch einige Buhs einstecken - und mit ihr das Team: Silvana Schröder als Choreografin der Schlussszene und Bernd Damovsky für sein goldglänzendes Mykene-Einheits-Bühnenbild und die überwiegend in schwarz-weiß geschneiderten Kostüme.
Für das in letzter Zeit gebeutelte Haus ist das immerhin ein Punkterfolg. Und zusammen mit der Nachricht über den künftigen neuen Generalmusikdirektor Donald Runnicles darf man nun vielleicht hoffen, dass die Deutsche Oper das tiefe Tal der Tränen hinter sich lässt.
