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Oktoberfeste in Berlin
Bayerische Tradition in der Hauptstadt

Es ist wohl derzeit Bayerns größter Exportschlager: das Oktoberfest - eigentlich ein urbayerisches Original, sowohl kleidermäßig als auch kulinarisch. Trotzdem funktioniert das Modell "Oktoberfest" auch anderswo, etwa in Berlin, wo es mindestens acht Veranstaltungen gibt.

Von Daniela Siebert | 19.09.2014
    Ein Festzelt in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs
    Hauptstadt in blau-weiß: Das Oktoberfest ist auch in Berlin beliebt. (Picture Alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    "Ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit!"
    Mit solchen Klängen begrüßt Berlin derzeit seine Besucher. Wer den Hauptbahnhof Richtung Innenstadt verlässt, schaut nicht - wie sonst - aufs Kanzleramt. Sondern erst mal auf ein riesiges weißes Bierzelt.
    Eintausend Personen hätten hier drin Platz. Doch an diesem Nachmittag sitzen nur rund ein Dutzend Gäste auf den Bierbänken. Darunter zwei Japanerinnen, die in Stadtpläne und Reiseführer vertieft sind, und ein Brüderpaar aus Coburg, das sich über eine echte Maß Bier freut. Andreas Autengruber, Chef des Trios "Enzianer", versucht tapfer, von der Bühne aus die Stimmung anzukurbeln:
    "Schönen guten Tag die Herrschaften, die Neuzugänge, griaßts euchs, servus. Was ist denn habt ihr schon bestellt? Ok, dann warten wir mit dem Prosit bis wos hobts, gä!? Jez a bissl so Einlassmusik für sie liebe Gäste, Obergrainer Melodien, gute Unterhaltung mit den Enzianern."
    Vor dem Zelt, in der warmen Nachmittagssonne, sitzen schon mehr Oktoberfestbesucher: Zwei junge Frauen aus Baden-Württemberg sind mit ihrem Liter Bier noch nicht sehr weit, aber schon sehr angetan und in keinster Weise befremdet über ein bayrisches Fest mitten in Berlin:
    "Oktoberfeste gibt's weltweit, also verwundert es mich in Berlin auch nicht."
    Bayerische Trachten trägt nur das Personal
    Die beiden tragen legere Alltagskleidung, versichern jedoch, sie hätten zuhause sogar auch Dirndl im Schrank hängen. Auf diesem Oktoberfest direkt vorm Berliner Hauptbahnhof trägt nur das Personal bayerische Trachten. Lutz beispielsweise, gebürtiger Berliner im mittleren Alter. Der Kellner versichert glaubhaft, er trage die Lederhose gern:
    "Es ist cool, macht Spaß. Außerdem ist es schön bequem und luftig. Die habe ich von einem sehr guten Kumpel, von meinem Kumpel Max, und das hat er in der Jugend angehabt: Die Lederhose ist 100 Jahre alt!"
    Zu seinen Kunden heute gehört ein älteres Ehepaar aus Berlin-Spandau. Auch sie sitzen vor Maßgläsern auf der Holzbank. Doch bei ihm ist bloß Wasser in dem Riesen-Humpen, nur die Dame gönnt sich ein Bier:
    "Warum sollen wir nach München fahren, wenn wir alles hier haben?"
    Auch das Original, das Oktoberfest in München, haben sie schon besucht, aber hier in Berlin gefällt es ihnen besser. Es ist nicht so teuer und nicht so voll. Und Schweinshaxe, Brezn und süßen Senf gibt es hier auch:
    "Zicke zacke Zicke zacke."
    - "HOIHOIHOI."
    "Zicke zacke Zicke zacke."
    - "HOIHOIHOI."
    "Hiphip."
    - "HURRAAA."
    "Hiphip."
    -"HURRAA."
    "Okay, Ladys and Gentlemen..."
    Gaywiesn nicht nur bei Schwulen und Lesben beliebt
    Nur 100 Meter weiter steht schon das nächste Oktoberfestzelt in Berlin. Hier findet jetzt Montagsabends die "Gaywiesn" statt. Das Fest ist nicht nur bei der Zielgruppe - Schwulen und Lesben - beliebt. Bei diesem Hetero-Pärchen trägt die bekennende Preußin sogar freiwillig ein original bayrisches Dirndl:
    "Wir sind ja nicht zum ersten Mal hier, sondern schon zum vierten Mal und genießen es immer wieder."
    - "Gaywiesn ist ein Thema, wo man sagt, das ist die Party. Vom ersten Ton geht's ab, wat sonst bei keiner Wiese ist."
    Tatsächlich ist das Zelt rappelvoll: An die 500 Personen, die meisten davon Männer in Lederhosen, stehen nach den ersten Takten Musik auf den Bierbänken, tanzen und wedeln mit den Armen.
    Innerhalb kürzester Zeit herrschen im Zelt tropische Temperaturen, was nicht nur ein paar transsexuelle Damen in aufwendigen Kostümen und mit üppiger Schminke nach draußen auf die Veranda treibt. Hier stehen auch zwei Besucher, die erklären können, warum sie so viele Männer in Lederhosen attraktiv finden:
    "Das gibt ja das gewisse Kernige auch. Ja, und die haben doch eine Vorrichtung vorne. Das ist ein Hosenlatz. Man kann sie aufknöpfen. Langsam. Eigentlich ist es ein Nachteil, weil die Knöpfe sind furchtbar schwierig aufzuknöpfen, weil das Hirschknöpfe sind."
    Nicht alle Berliner mögen das Oktoberfest
    Tatsächlich hätten sich auf seiner Gaywiesn auch schon mehrere Männerpärchen gefunden, freut sich Veranstalter Bork Melms. Überhaupt sei der Erfolg der Gaywiesn in Berlin in den letzten acht Jahren konstant gewachsen:
    "So seit dem fünften Jahr sind die Zahlen konstant, wir sind ja auch platztechnisch ein bisschen begrenzt. Und ich trau mich nicht den Schritt in eine größere Location, weil dann die Stimmung nicht so besonders ist und ich hab immer das Gefühl, die Gäste wollen lieber anstehen, eng aneinander sein, damit es die Stimmung noch etwas sehr pusht."
    Viele andere Berliner teilen solche Oktoberfest-Freuden keineswegs. Wie diese Straßenumfrage zeigt:
    "Ich halt davon wenig. Gehört hier nicht her und ich kann sinnlosem Biertrinken nicht viel abgewinnen."
    - "Ich finde das braucht man überhaupt nicht in Berlin. Also wenn gehe ich nach München, aber nicht zum Berliner Oktoberfest."
    "Ich mach da nicht mit. Wenn andere feiern wollen, können sie das gerne machen."
    - "Ich denke, dass man eigentlich zum Oktoberfest besser nach München fahren sollte, weil das das einzig wahre Oktoberfest ist und ich meine, alle Städte versuchen, das nachzumachen, aber es funktioniert nicht so."
    Derweil schaffen die Bayern-Fans in Berlin Fakten: Demnächst öffnen in Berlin weitere Oktoberfeste - im Wedding, am Alexanderplatz, in Spandau, in Marzahn, in Britz... Oder wie Andreas Autengruber sagen würde:
    "Oans, zwoa, drei, g'suffa!!!"