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Olivenöl statt Aspirin?

Ernährung. - Die auf Olivenöl basierende mediterrane Küche gilt als ausgesprochen gesund. US-Forscher haben jetzt herausgefunden, dass kaltgepresstes natives Olivenöl einen Wirkstoff enthält, der ähnlich wie die Schmerzmittel Aspirin und Ibuprofen wirkt. Mit jedem Löffel Olivenöl nimmt man daher eine Minidosis Schmerzmittel zu sich.

Von Volker Mrasek | 01.09.2005
    Es war 1999, da flog Gary Beauchamp nach Sizilien. Der US-Biologe nahm an einer Konferenz über "molekulare Gastronomie" teil. Vornehmlich ging es damals um Aromastoffe in Lebensmitteln, und neben vielen Vorträgen standen auch Kostproben auf dem Programm. Die Forscher nippten unter anderem an frisch gepresstem Olivenöl, wie sich Beauchamp erinnert:

    "Das Olivenöl wurde in Tassen gefüllt, und wir tranken es. Im nächsten Moment war ich völlig verblüfft. Ich spürte ein Brennen im Gaumen. Nicht auf der Zunge, nicht in der Mundhöhle, sondern tief im Gaumen. Und ich dachte: Moment mal! Diese Art von Irritation kennst Du doch! Und zwar von dem Medikament Ibuprofen."

    Da hatte der Italien-Reisende wahrlich den richtigen Riecher. Denn heute weiß Beauchamp: Frisch gepresstes, naturbelassenes Oliven-Öl enthält tatsächlich einen Naturstoff, der nicht nur die gleichen Geschmacksrezeptoren anspricht wie das Schmerzmittel Ibuprofen, sondern der auch genauso wirkt. Gut sechs Jahre dauerte es, um die Substanz zu identifizieren. Die Forscher tauften sie auf den Namen Oleocanthal. Das heißt so viel wie "stechender Oliven-Aldehyd". Beauchamp:

    "Es ist das erste Mal, dass eine in dieser Art wirkende Einzelsubstanz in Lebensmitteln nachgewiesen wurde."

    Der Biologe ist Direktor eines Forschungszentrums für Chemische Sensorik in Philadelphia in den USA. Gemeinsam mit Pharmakologen und Chemikern zweier benachbarter Universitäten gelang es seiner Arbeitsgruppe, den pflanzlichen Entzündungshemmer aufzuspüren. In seiner Wirkungsweise gleicht er übrigens nicht nur Ibuprofen, sondern auch Acetyl-Salicyl-Säure, dem Wirkstoff von Aspirin. Beide - Ibuprofen und Acetyl-Salicyl-Säure - hemmen die Synthese von Hormonen, die den Körper Schmerz empfinden lassen. Beauchamp:

    "Wir wissen nicht genau, wie die Pflanze Oleocanthal herstellt. Aber was wir sagen können, ist: Größere Mengen davon enthält nur kaltgepresstes, natives Olivenöl. In anderen Produkten mit geringerer Qualität haben wir nur wenig oder überhaupt kein Oleocanthal finden können."

    Die Forscher machen nun folgende Rechnung auf: Jeder Milliliter extra-natives Olivenöl enthält nach ihren Analysen bis zu 200 Mikrogramm "Natur-Aspirin". Wer sich ganz im Stil der mediterranen Diät ernähre, nehme täglich etwa 50 Gramm Olivenöl zu sich. Macht summa summarum knapp 10 Milligramm Oleocanthal pro Tag.

    Das sei nur ein Zehntel der Wirkstoffmenge einer Aspirin- oder Ibuprofen-Tablette, sagt Biologe Beauchamp. Von der täglichen Dosis Olivenöl dürfe man daher nicht erwarten, dass sie Kopf- oder Zahnschmerzen lindere. Aber, so Beauchamp:

    "Denken wir mal an die Menschen auf Sizilien oder Kreta zum Beispiel. Bei ihnen gehört Olivenöl zum festen Speiseplan. Im Prinzip schlucken sie also ihr ganzes Leben lang jeden Tag eine Mini-Dosis Aspirin. Und wir wissen: Das wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus."

    Beauchamp hebt damit auf Studien ab, die gezeigt haben: Wer regelmäßig geringe Dosen Aspirin oder Ibuprofen zu sich nimmt, der mindert sein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen beziehungsweise für bestimmte Krebsarten. Von Oliven-Öl darf man nun offenbar das Gleiche annehmen - vorausgesetzt, es ist von höchster Qualität. Oliven enthalten im übrigen noch andere Stoffe, die als gesund gelten. Da sind die so genannten Anti-Oxidantien. Und da ist das besondere Fettsäure-Muster. Das neu entdeckte Natur-Aspirin in Oliven-Öl ist nun so etwas wie das Tüpfelchen auf dem I. Ein weiteres gutes Argument für die mediterrane Küche ...