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Olympi-Ja oder NO-lympia?

In Garmisch-Partenkirchen sind 21.000 Bürger am Sonntag aufgerufen, für oder gegen Olympia 2018 in ihrer Gemeinde abzustimmen. Gegner und Befürworter der Winterspiele vor Ort versuchen, so viele Stimmen wie möglich zu bekommen. Mit allen Mitteln.

Von Michael Watzke |
    Wolfgang Hostmann streichelt Maria Riesch übers Gesicht. Die Partenkirchner Ski-Blondine lächelt verzückt, dabei hat sie gerade erst einen anderen geheiratet. Aber Hostmann darf das. Schließlich hat er die Fan-Collection mit dem Maria-Riesch-Konterfei entworfen, über das er gerade so zärtlich streichelt.

    "Am besten laufen die Schals. So ein Schal kostet 15 Euro, das leistet man sich und dokumentiert nach außen: Ich bin auch Fan von Maria."

    Wolfgang Hostmann ist Präsident des Fanklubs. Das Vereinslokal der 800 Mitglieder steht am Fuße des Gudibergs, des Partenkirchner Slalomhangs. Hier kämpfte Maria Riesch vor zwei Monaten um WM-Gold - und damit auch für Olympia 2018. In sieben Jahren, träumt Hostmann, wird hier olympisches Gold vergeben.

    "Was wir jetzt direkt vor uns sehen, das ist ein wesentlicher Baustein für die Olympia-Bewerbung 2018. Die große Olympiaschanze. Die ist fertig, da braucht man überhaupt nichts mehr dran machen und tun. Daneben die sogenannte kleine Olympiaschanze. Die müsste neu gebaut werden. Würde mit erheblichen Fördermitteln passieren. Auf Garmisch-Partenkirchen kommt da keine nicht stemmbare Belastung zu. Und damit wäre diese Anlage auch wieder saniert."

    Mit Finanzen kennt sich Hostmann aus. Beruflich betreut er Aktienfonds. Privat hat er mit der Maria-Riesch-Collection gerade die klamme Kasse des Fanklubs gefüllt. Wegen der Hochzeit der Slalom-Diva lief der Devotionalien-Absatz:

    "Hervorragend. Also da hat's noch mal richtig gutes Geld, das wir ja vorinvestiert hatten, in die Kassen gespült."

    Trotzdem ärgert sich Hostmann. Im Ort werde viel getratscht über das frisch vermählte Brautpaar. Maria sei arrogant geworden und ihr Mann Markus Höfl habe sie nur aus Kalkül geheiratet. Obendrein durfte man zur Hochzeit der beiden nicht mal in Lederhosen und Dirndl erscheinen. Hostmann schüttelt gequält den Kopf.

    "Oftmals hab ich den Eindruck, dass bei uns der Neidfaktor besonders hoch ist. Das trägt natürlich nicht unbedingt zu einem gemeinsamen Miteinander bei. Was mir so bissel fehlt, ist es, gemeinsam für Garmisch-Partenkirchen auftreten, als Einheit an einem Strang ziehen."

    Alles ist Garmisch-Partenkirchen. Nur nicht einig. Die Stimmung ist mies drei Tage vor dem Olympia-Bürgerentscheid. Ein Riss geht durch den Ort, durch die Vereine, sogar durch Familien. Olympi-Ja? Oder NO-lympia? Hostmann hält die Olympia-Gegner für notorische Dagegenhuber.

    "Schön wär's, wenn die Entscheidung mal vom Tisch ist, wenn die Entscheidung gefallen ist. Und wenn's dann jeder akzeptiert. Das wär' klasse."

    Den Gefallen wollen ihm die Olympiagegner nicht tun. Axel Döring ist Vorsitzender des örtlichen Naturschutz-Bundes und prominentester Gegner der Olympischen Spiele 2018 am Ort. Wird er das Votum seiner Mitbürger auch akzeptieren, wenn sich die Mehrheit der 21.000 Garmisch-Partenkirchner für Olympia ausspricht?

    "Das ist eine Frage, die sich nicht stellt. Wir wollen Olympische Spiele verhindern. Und da ist es in der Zwischenzeit schon sehr schwer, das zu akzeptieren. Vor allem wird aus dem Host-City-Vertrag durch eine Mehrheitsentscheidung kein rechtsgültiger Vertrag."

    Döring hat den Bürgerentscheid maßgeblich angeschoben. Er greift den Host-City-Vertrag an, gemeint ist das Regelwerk zwischen dem IOC und der ausrichtenden Olympia-Stadt. Dieser Vertrag sei sittenwidrig, sagt Döring. Denn er bürde dem Ausrichter alle finanziellen Lasten auf und schlage alle Rechte dem IOC zu. Mit dem Bürgerentscheid will Döring die Gemeindeverwaltung zwingen, einen Gutachter zu beauftragen, der den Vertrag prüfen soll. Den Gutachter haben Döring und seine Mitstreiter bereits festgelegt.

    "Wenn wir die Mehrheit bekommen, dann muss man die Verträge prüfen. Und wenn die Verträge rechtsungültig sind, dann können rechtsungültige und sittenwidrige Verträge nicht die Grundlage einer Austragung Olympischer Winterspiele sein. Dann wirkt das deutlich über den 6.Juli hinaus."

    Am 6.Juli entscheidet das Internationale Olympische Komitee in Südafrika, welche Stadt die Olympischen Winterspiele 2018 austragen wird. Döring hält das IOC für einen - wörtlich - korrupten Haufen zwielichtiger Funktionäre, denen es nicht um Sport, sondern um Profit gehe. Wo das Geld sitzt, habe er in den letzten Wochen erfahren: Die Olympia-Freunde konnten viel mehr Euros in ihren Wahlkampf pumpen.

    "Das merkt man ganz deutlich, dieses David-gegen-Goliath-Gefühl. An den Anzeigen, auch an den Mehrheiten, die sie für sich in Anspruch nehmen. Aber ich kenne auch den Ausgang der David-gegen-Goliath-Geschichte. Deshalb ist mir nicht bange."

    Der Ausgang des Bürgerentscheids ist dagegen vollkommen offen. Sicher ist nur, dass sich viele Einwohner beteiligen werden: Jeder fünfte Garmisch-Partenkirchner hat Briefwahl-Unterlagen beantragt. Doch schon jetzt kämpfen beide Kampagnen um die Deutungs-Hoheit des Ergebnisses: Weniger als 65 Prozent für Olympia seien eigentlich eine Niederlage für die Bewerbung, heißt es bei NO-lympia. Mehrheit sei Mehrheit, sagt dagegen Wolfgang Hostmann, der Maria-Riesch-Fan und Olympia-Befürworter.

    "Wenn es 55:45 ausgeht, dann wäre das ein Ergebnis, das in Ordnung ist. Kann man mit leben. Natürlich wär' ein deutlicheres Votum schöner. Aber damit rechne ich persönlich jetzt nicht. Aber dann kommt ja erst die große Frage: Bekommen wir überhaupt den Zuschlag? Oder bekommt ihn Korea? Oder Frankreich? Das wissen wir ja alle nicht. Da spielen ja ganz andere Dinge eine Rolle."

    Das Ergebnis des Garmischer Bürgerentscheids wird durchaus auch eine Rolle spielen für das IOC. In Südkorea sind 90 Prozent der Bürger für Olympia. Eine utopische Zahl für Deutschland. Aber eine Zweidrittel-Mehrheit in Garmisch wäre wünschenswert, heißt es inoffiziell bei der Münchner Bewerber-Gesellschaft. Denn eines ist klar: Ohne Garmisch kann München seine Bewerbung vergessen. Das wäre auch eine herbe Schlappe für Ministerpräsident Horst Seehofer, den CSU-Chef. Denn den härtesten Widerstand gegen Olympia leistete eine Handvoll Garmischer Bauern und Grundstücksbesitzer - fast alle sind CSU-Mitglieder.