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Olympia als Imagewerbung

Der Chemieriese Dow Chemical gehört zu den Top-Sponsoren des Internationalen Olympischen Komitees. Doch die indische Regierung, deren NOK und Organisationen der Opfer des Giftgasunglücks in Bhopal fordern, sich von diesem Sponsor zu trennen.

Von Heinz Peter Kreuzer | 18.03.2012
    1984 ereignete sich im indischen Bhopal eine Giftgas-Katastrophe von unermesslichem Ausmaß. Die Schätzungen über die Toten gehen von 16 bis 20 000, die Zahl der Verletzten in die hunderttausende. Verantwortlich für das Unglück war Union Carbide, das Unternehmen wurde 2001 von Dow Chemical übernommen.

    Aber IOC-Präsident Jacques Rogge und OK-Chef Lord Sebastian Coe lehnen die Trennung vom US-Chemiekonzern ab. Auch der britische Premierminister David Cameron stellte sich in einem Fernsehinterview an die Seite von Dow:

    "Natürlich hat jedes Nachfolgeunternehmen auch Verantwortung für Dinge, die vor seiner Zeit passiert sind. Aber ich denke, zu argumentieren, dass das wichtiger sei als die Olympischen Spiele, ist falsch. bei Olympia treffen sich die Athleten zum sportlichen Wettkampf. Und wenn Dow, ein angesehenes Unternehmen, ein Sponsor des internationalen olympischen Komitees und damit von Olympia wird. Diese Dinge zu Verbinden, das ist meiner Meinung nach falsch."

    Millionen für Olympia, aber für die Opfer des Giftgasunglücks im indischen Bhopal will der Chemieriese nicht zahlen. Vorstandschef Andrew Liveris weist auf das Urteil des höchsten indischen Gerichts aus dem Jahre 1989 hin. Damals musste Union Carbide 470 Millionen US-Dollar zahlen, eine weitere Viertelmilliarde steuerten Versicherungen für die Opfer bei. Mittlerweile klagt der indische Generalstaatsanwalt Vahanvati auf die Zahlung weiterer 1,3 Milliarden US-Dollar. Seine Begründung: Die ursprüngliche Vereinbarung würde auf ungenauen Schätzungen der Toten und Verletzten beruhen. Außerdem laufen noch private Schadensersatzklagen in den USA und einige Strafverfahren. Während die verantwortlichen US-Mitarbeiter von den USA nicht ausgeliefert werden, sind sieben einheimische Angestellte kürzlich zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Vor diesem Hintergrund kocht die Stimmung in Indien hoch. Der Aktivist Shinath Sanghi fordert:

    "Es ist klar, dass das Internationale Olympische Komitee seine Seele an Dow Chemical verkauft hat. Wir verlangen, dass die indische Regierung dem IOC unmissverständlich klar macht, das Indien die Sommerspiele in London boykottiert."

    Die Gefahr eines Boykotts ist jedoch gering und IOC-Präsident Rogge wiegelte in dieser Woche bei der Exekutivsitzung ab:

    "Das war nicht Teil der Korrespondenz und der Diskussionen, die wir mit dem Indischen Olympischen Komitee hatten. Ich kann nur auf Grund von Berichten in den Medien sagen, das sie keinen Boykott wollen, aber es gab keine Gespräche zu diesem Thema."

    Indiens NOK will laut Medienberichten ein Team zu Olympia schicken. Im Gespräch ist aber ein Boykott der Eröffnungsfeier.
    Der Wirtschaftsethiker Professor Christoph Lütge von der TU München sieht im Sponsoring von Dow Chemical aber auch eine Chance. Man dürfe das IOC nicht verurteilen. Zwar kämen bestimmte Branchen wie Waffenlieferanten als Sponsor nicht in Frage, aber:

    "Bei der Chemieindustrie und anderen Industriezweigen ist das etwas komplizierter. Das Image dieser Branchen insgesamt, unabhängig von einzelnen Unternehmen, ist häufig sehr schlecht, auch wenn diese Unternehmen durchaus für diese sozialen Zwecke erhebliche Beträge aufwenden."

    Außerdem, so Professor Lütge, würden Dinge wie die Bhopal-Katastrophe wieder in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit gerückt.

    "Vielleicht führt das auch dazu, das Dow Chemical sagt, wir haben vielleicht doch einen Teil, mindestens eine Teilverantwortung und würden vielleicht im gewissem Umfange diese Verantwortung übernehmen, dort vielleicht etwas sponsern, finanzieren, Gesundheitskosten zahlen oder so etwas. Das kann man ja durchaus machen, ohne zu sagen, wir müssen da Milliarden an Strafen zahlen."

    Aber diese Chance hat Dow Chemical bisher verpasst. Das Unternehmen lehnt die Sanierung des mit Quecksilber und krebserregenden Chemikalien kontaminierten Geländes in Bhopal ab. Dabei würde das laut Greenpeace lediglich 30 Millionen US-Dollar kosten.