Archiv


Olympia Countdown in Russland

Die alpine Weltcup-Premiere passte terminlich zwei Jahre vor Beginn der Spiele 2014 gut ins PR-Konzept, zumal im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Russland in drei Wochen. Sotschi ist Putins Sommerresidenz, Sotschi ist Sommerkurort, Sotschi ist Jubel-Trubel-Heiterkeit in diesen Tagen, doch hinter den Kulissen bietet sich ein ganz anderes Bild.

Von Gesine Dornblüth |
    Zwei Jahre vor der Eröffnung der Olympischen Winterspiele werben die Organisatoren die ersten freiwilligen Helfer an. Mehrere Dutzend junge Mädchen klatschen in die Hände, lächeln, reichen symbolisch ein aus Schnee geformtes Herz weiter. Alle staatlichen russischen Fernsehsender berichten.

    In Russland ist Wahlkampf. Premierminister Wladimir Putin möchte wieder Präsident werden. Er verspricht ein starkes, selbstbewusstes und modernes Russland, und die Olympischen Winterspiele gehören fest in sein Konzept. Als Präsident will er dann das Großereignis nutzen, um der eigenen Bevölkerung und der Welt ein "neues Russland" zu präsentieren. Der stellvertretende Direktor des Organisationskomitees in Sotschi, Efim Bitenew, sagte dem Deutschlandfunk bereits vor drei Jahren:

    "Der Geist des modernen Russland – das ist nicht mehr Wodka, Ziehharmonika und Matroschka. Ausländische Gäste und die Bürger Russlands sollen eine neue Stadt entdecken.
    Der Komfort soll so sein wie in europäischen Städten. Taxifahrer werden GPS haben. Die Busse müssen sauber und sicher sein, die Fahrer eine Uniform tragen, sie dürfen nicht rauchen oder am Steuer telefonieren. All das werden wir bald umsetzen."

    Drei Jahre später ist Sotschi davon noch weit entfernt. Die Bewohner stöhnen wegen der Bauarbeiten. Und der Bau der Sportstätten schreitet langsamer voran als geplant. Sotschi war bis vor kurzem ein Sommerkurort. Alle Wintersportanlagen müssen neu errichtet werden. Vor allem bei der Bobbahn und beim Olympiastadion gibt es Verzögerungen. Im Januar reiste Noch-Präsident Dmitrij Medwedew persönlich an, um die Baustellen zu inspizieren. Sein Urteil fiel außergewöhnlich hart aus:

    "Das Tempo der Arbeiten ist nicht angemessen. Und vielfach sind die Bauarbeiten schlecht organisiert."

    Mittlerweile ermittelt die russische Justiz gegen Bauunternehmen und Stadionplaner. Und selbst der Chef des Rechnungshofes klagte jüngst über Korruption in Sotschi. Es geht um sehr viel Geld. Die Gesamtkosten für die Winterspiele werden derzeit auf mehr als 24 Milliarden Euro geschätzt. Die Summe steigt ständig. Die Bauunternehmer treiben die Kosten künstlich in die Höhe und bedienen sich so aus der Staatskasse, lautet der Vorwurf. Auch Beamte sollen profitieren. Sie kassieren Schmiergeld – das ist in Russland so üblich. Das Pikante: Bei den Bauunternehmern handelt es sich um einige wenige Oligarchen, und sie alle stammen aus dem persönlichen Umfeld Wladimir Putins.

    Kritik an den Spielen kommt auch von Umweltschützern. Die Bauunternehmer würden die gesetzlich vorgeschriebenen Umweltgutachten nicht einholen, sagt Michail Krejndlin von Greenpeace.

    "Alle reden nur von hohen Standards. Aber in der Praxis bleibt keine Zeit dafür, weil der Zeitdruck zu hoch ist."

    Sotschi grenzt an das streng geschützte Naturreservat Westkaukasus. Es gehört dank seiner einzigartigen Natur zur Welterbeliste der UNESCO. Umweltschützer haben von Anfang an dagegen protestiert, dass in seiner Nähe Olympische Winterspiele stattfinden sollen. Die Planer haben darauf reagiert und zum Beispiel die Bobbahn in ein ökologisches weniger wertvolles Gebiet verlegt. Doch von umweltfreundlichen Spielen ist Sotschi trotzdem weit entfernt, sagt Michail Krejndlin von Greenpeace. Die Veranstalter hielten die Zusagen, die sie bei der Olympiabewerbung gemacht hätten, einfach nicht ein.

    "Zum Beispiel das Prinzip "Zero Waste". Das ist gescheitert. In Sotschi fällt jede Menge Bauschutt an, wegen des Baus von Tunneln und Eisenbahnlinien. Der Schutt wird einfach in den Wald gekippt, in den Nationalpark. Auch eine Anlage zum Abfallrecycling wird nicht gebaut. Der Abfall kommt auf eine illegale Müllkippe."

    Ein weiterer kritischer Punkt in Sotschi ist die Sicherheit. Sotschi grenzt an die Konfliktregion Abchasien. Bis zur Grenze sind es nur zehn Minuten mit dem Auto. Immerhin hat Russland vor kurzem die Grenzanlagen modernisiert.

    Trotz aller Probleme – niemand zweifelt daran, dass die Olympischen Winterspiele im Februar 2014 in Sotschi stattfinden werden. Es fragt sich nur, zu welchem Preis. Es ist offen, wie die vielen Neubauten anschließend genutzt werden können. Die Regierung plant, zum Beispiel Fußballturniere in Sotschi zu veranstalten. Bisher liebten die Russen Sotschi vor allem als beschauliche Sommerfrische. Damit ist es nach den Winterspielen wohl vorbei.