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Olympia-Teilnehmer ohne öffentliche Förderung

Novum im deutschen Sport: Erstmals wird mit Ingo Steuer ein Trainer offiziell im deutschen Olympia-Team für Vancouver sein, der wegen seiner früheren Spitzel-Tätigkeit für den DDR-Staatssicherheitsdienst vom Bundesinnenministerium keine Fördermittel erhalten darf.

Von Thomas Purschke |
    Bereits vor der ersten Nominierung des Deutschen Olympischen Sportbundes am vergangenen Donnerstag meldete die Deutsche Presseagentur, dass der stasibelastete Chemnitzer Eiskunstlauftrainer Ingo Steuer für das deutsche Olympia-Team für Vancouver akkreditiert werde. Dpa verdankt die Information einer Indiskretion des DOSB-Leistungssport-Referenten Hubertus Schulte, er ist zuständig für den Olympiastützpunkt Chemnitz.

    Für seine Vorab-Information hat sich sich Schulte inzwischen intern rechtfertigen müssen. Denn in dieser Woche wurden im Eiskunstlauf lediglich die Athleten nominiert, darunter auch das Paar von Steuer, die Weltmeister Aljona Sawtschenko / Robin Szolkowy. Die Trainer und Betreuer werden erst zur zweiten Nominierungsrunde am 22. Januar benannt werden. Bei den Winterspielen 2006 hatte Steuer seine Olympia-Akkreditierung für Turin gerichtlich gegen das damalige Nationale Olympische Komitee für Deutschland durchgesetzt.

    Auf Deutschlandfunk-Anfrage mochte sich das Bundesinnenministerium vorab nicht dazu äußern, ob Berlin sich anteilmäßig wenigstens an den Entsendekosten des Ex-Stasi-Trainers beteiligen würde. Die Antwort wird mit Spannung erwartet, da das BMI auf Nachfrage mitgeteilt hat, dass Steuer auch weiterhin keine öffentlichen Fördermittel erhalten darf. Dies hatte das Innenministerium ausdrücklich der Deutschen Eislaufunion untersagt. Gleichwohl werden andere Stasibelastete aus dem Spitzensport-Personal bis hin zu Trainingswissenschaftlern weiterhin vom BMI durch Honorarzuschüsse finanziert.

    Auch einstige DDR-Doping-Trainer wie zuletzt der Fall des vom Deutschen Leichtathletikverband wiedereingestellten Bundestrainers Werner Goldmann stehen für eine willkürliche Behandlung der schmutzigen Erblasten des deutschen Sports. Im Unterschied zu den Sommerspielen in Peking 2008 hat der DOSB nun für die deutschen Teilnehmer in Vancouver eine entschärfte Ehrenerklärung in Sachen Doping-Missbrauch vorgelegt, die mehr Fragen offen lässt als Antworten gibt.

    Auch hat die sogenannte unabhängige Stasi-Kommission des DOSB, die vom einstigen Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, geleitet wird, nach Deutschlandfunk-Informationen bisher noch nicht zu den Vancouver-Nominierungen getagt. Bezeichnenderweise haben - mit Stand von Anfang Dezember - noch nicht alle für Vancouver vorgesehenen Athleten, Betreuer und Funktionäre die Ergebnisse ihrer Überprüfung durch die Birthler-Behörde dem DOSB weitergeleitet.

    Das seit 2006 durch die Politik bestehende Verbot, den Trainer Ingo Steuer wegen dessen Spitzeltätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR mit öffentlichen Geldern zu finanzieren, hat die Deutsche Eislaufunion in arge finanzielle Bedrängnis gebracht. Steuers Anwältin, Karla Vogt-Röller, hatte sich 2008 in einem außergerichtlichen Vergleich darauf geeinigt, dass Steuer bis April 2010 den Betrag von 250 000 Euro vom Verband für seine Tätigkeit in den letzten fünf Jahre erhalten soll. Entsprechende Unterlagen liegen dem Deutschlandfunk vor.

    Der Verband muss dafür private Sponsorengelder auftreiben, bisher – so die Anwältin - sei allerdings noch kein einziger Euro an Steuer geflossen. Stattdessen droht dem finanzschwachen Eislauf-Verband die Insolvenz. Insider sind skeptisch, dass der Verband die zugesagte Viertel Million Euro bis zum kommenden Frühjahr zusammenbekommt.