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Olympia-Träume in NRW
Gefährliche Scheindebatte

In Nordrhein-Westfalen wird seit einigen Tagen laut über eine Olympia-Bewerbung der Region diskutiert, für Spiele in ferner Zukunft. Es ist eine Schein-Debatte, die Schaden anrichten könnte, meint der NRW-Landeskorrespondent Moritz Küpper in seinem Kommentar.

Von Moritz Küpper | 20.08.2016
    Viele Besucher stehen vor den Olympischen Ringen im Olympiapark Barra in Rio de Janeiro.
    Der Traum von Olympia ist groß, aber kaum realisierbar (picture alliance / dpa / Felix Kästle)
    Zuerst war es Michael Mronz, Sportmanager und Lebensgefährte des ehemaligen, verstorbenen FDP-Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle, der diese Idee ins Spiel brachte. Dann griff sie die Landes-FDP auf, auch CDU-Fraktionschef und Partei-Vize Armin Laschet sprach sich dafür aus, genauso wie SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das sei ein großer Traum, sie würde sich über nichts mehr freuen als Olympische Spiele in NRW.
    Träumen ist erlaubt, ließe sich jetzt sagen. Und: Im Vorfeld der Landtagswahl in neun Monaten sei ohnehin alles eingepreist. Doch: So einfach ist es nicht, darf es nicht sein, war es letztendlich doch fast die komplette politische Klasse in NRW, die sich parteiübergreifend für einen solchen Vorschlag ausgesprochen hat.
    Aus der Vergangenheit nicht gelernt
    Diese Prioritätensetzung ist erschreckend. Am Wunsch nach Olympischen Spielen in NRW lässt sich exemplarisch ablesen, wie naiv der Umgang mit großen Sportorganisationen wie dem IOC scheinbar noch immer ist – und wie realitätsfern deutsche Politiker mit solchen Ereignissen umgehen und den Verlockungen eines vermeintlich rauschenden Sportfestes nicht widerstehen können. Sie scheint so groß, dass sie sich dabei von unzähligen Eigeninteressen treiben lassen: Angefangen beim vorschlagenden Sportmanager Mronz, für den eine solche Veranstaltung natürlich lukrativ sein könnte, bis hin zu den Medien, die Schlagzeilen bekommen und den Politikern, die sich – kurzfristig – als Macher und Visionäre präsentieren können.
    Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am 29.11.2015 nach dem Ergebnis des Referendums über die Ablehnung der Olympia-Bewerbung für 2024.
    Die Bewerbung Hamburgs um die Spiele 2024 scheiterte krachend am Referendum (picture alliance / dpa / Foto: Axel Heimken)
    Natürlich: Wer nichts anpackt, wird nie etwas bekommen. Doch die NRW-Argumentation, dass viele Sportstätten bereits fertiggestellt sind und es somit nachhaltige und kostengünstige Spiele seien, hat bereits vor gut zehn Jahren nicht funktioniert. Damals, im Jahr 2003, wollte sich "Düsseldorf Rhein-Ruhr" um die Spiele 2012 bewerben – und scheiterte bereits im innerdeutschen Auswahlprozess. Und die Argumentationsgrundlage hat sich seitdem wahrlich nicht verbessert: Ein großes, teures Olympia-Stadion in der Region fehlt noch immer, wäre also ein millionenschweres Investment, dass im hochverschuldeten NRW wohl nur schwer zu vermitteln wäre.
    Rauschendes Sportfest? Fehlanzeige
    Die letzten beiden Referenden für die Winterspiele 2022 in München und die Sommerspiele 2024 in Hamburg sind krachend gescheitert und die aktuellen Spiele in Brasilien zeigen, dass es bei Olympia wohl doch weiterhin eher um Gigantismus, Sicherheitsprobleme und Doping geht, als um ein rauschendes Volksfest für alle Bevölkerungsschichten. Und während man hierzulande anderswo – nämlich im zuständigen Bundesinnenministerium sowie beim Deutschen Olympische Sport-Bund – abwinkt, scheint die Botschaft in Nordrhein-Westfalen noch nicht ganz verstanden zu sein.
    Damit bleibt, glücklicherweise für den Rest der Republik, die Diskussion auf NRW beschränkt. Doch wird sie hier wohl das Gegenteil von dem bezwecken, was sich die Politiker erhofft haben. Denn angesichts einer verheerenden wirtschaftlichen Bilanz, Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum, einer Rekordverschuldung sowie letzten Plätzen bei der Kinderarmutsstatistik oder den Bildungsausgaben, offenbart eine Forderung nach einem rauschenden Sportfest somit wohl eher eine fehlende, realistische Visionen für ein gebeuteltes Bundesland – und zwar parteiübergreifend.