
Das Sportgelände am Berliner Olympiastadion. 20 junge Frauen und Männer suchen im Strafraum eines Fußballplatzes ihre Herkunft. Wer von ihnen am Rande der Hauptstadt lebt, steht an der Grenze des 16-Meter-Raumes. Wer am Kudamm aufgewachsen ist, findet sich am Elfmeterpunkt ein. Der Strafraum soll die Fläche Berlins symbolisieren, er dient den Schülern als geografische Orientierungshilfe. Das ist ein Teil des Berliner Lernzentrums, das Fußball mit Bildung verbindet.
Birger Schmidt hat diese Idee umgesetzt. Der Erziehungswissenschaftler hatte fünf Jahre für das British Council gearbeitet, eine internationale Organisation für Bildung und Kultur. Schmidt entwickelte ein Modell von Tony Blair weiter. Der ehemalige britische Premier hatte vor seiner ersten Wahl eine Zusammenarbeit zwischen Fußballklubs und Schulen angeschoben. Inzwischen haben 71 englische Vereine ein eigenes Lernzentrum. In Deutschland wurde das Konzept erstmals 2009 in Dortmund verwirklicht. Inzwischen existieren zwölf Standorte, gefördert werden sie von der Robert-Bosch-Stiftung und den Fanprojekten. Birger Schmidt erläutert den Erfolg:
"Also es sind so spielerische Geschichten, in denen man wirklich über Methoden den Schülern etwas vermittelt, ohne das sie eigentlich merken, dass sie lernen. Es ist nämlich so, dass wir diesen außergewöhnlichen Lernort in den Mittelpunkt stellen und sie auch sie eben rausnehmen aus diesem schulischen Alltag. Es gibt kein Frontalunterricht, wir machen viele spielerische Einheiten und kooperative Übungen."
Zu Gast am Olympiastadion sind Hauptschulen und Förderschulen, in dieser Woche ist es das Oberstufenzentrum Steglitz. Die künftigen Maler und Lackierer lernen sich im Fußball von einer anderen Seite kennen. Einige hatten Probleme während der Schulzeit. Schlechte Noten, fehlende Motivation, die Suche nach einer Perspektive. Das Lernzentrum reißt sich nun aus der Lethargie. Projektleiter Birger Schmidt schildert einen Unterricht zwischen Trainingsplatz, VIP-Loge und Spielerparkplatz:
"Hertha BSC hat im letzten Spiel 45.600 Zuschauer gehabt und jetzt 54.800 gegen Osnabrück, wie war der prozentuale Unterschied? Oder wir machen eine Kunstunterricht-Einheit und sagen: Entwirf das nächste Auswärtstrikot von Hertha BSC. Es wird ein Blick geworfen auf die Nationalmannschaft von 2010 und dann die Frage gestellt: wo kommen eigentlich Leute wie Khedira, Özil oder Podolski her. Wo fängt bei dir das Deutschsein an?"
Mathematik, Kunst, Integration - und Geschichte. Das Olympiastadion war Schauplatz der Olympischen Spiele 1936, der Propaganda-Show von Adolf Hitler. Die Architektur des Geländes erleichtert den Zugang zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Der Historiker Patrick Klein ist Referent des Fußball-Lernzentrums und begleitet die Auszubildenden auf ihrem Rundgang. Er erlebt eine konzentrierte Gruppe:
"Wir versuchen durch die nationalsozialistische Ästhetik in der Kunst und durch die nationalsozialistische Symbolik am Bau die deutsche Vergangenheit aufzuarbeiten, insbesondere dabei die Instrumentalisierung des Sports, die Instrumentalisierung der Jugend."
Eine Woche dauert das Projekt am Olympiastadion. Schüler diskutieren über Ernährung, Mobbing im Internet, Sexismus - und immer wieder über Fußball.
Das Lernzentrum ermöglicht den Gruppen Treffen mit Spielern und Mitarbeitern von Hertha BSC. Sie lernen die Jugendakademie oder die Pressestelle kennen. Der Verein stellt seine Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung. Das sei selbstverständlich, sagt der Fan-Beauftragte Donato Melillo:
"Das ist einfach eine Entwicklung, die der Verein gemacht hat. Der Verein ist gewachsen und ist sich seiner sozialen Verantwortung einfach bewusst geworden. Bewusst geworden, wie wir halt die Möglichkeit haben, mit unserem Namen einfach was Gutes zu tun und den Leuten was zu geben. Und wir haben halt gemerkt, dass für die Schüler ist es unheimlich motivierend, hier bei uns auf dem Gelände zu sein. Die erleben einen ganz anderen Alltag."
Die Atmosphäre im Lernzentrum ist gelassen. Niemand fürchtet sich vor einer überraschenden Klausur, Benotungen gibt es nicht, die Lehrer verfolgen das Geschehen aus der Distanz. Am Olympiastadion sprechen Schüler miteinander, die sich sonst im Klassenraum keines Blickes würdigen. Ihr Zusammenhalt wächst, sagen sie:
"Ich denke mal, die Klasse wächst eher zusammen, habe ich das Gefühl."
"Macht Spaß hier zu sein. Ich habe meine Kollegen besser kennengelernt, weil sie sich auch anders verhalten haben und gegenüber."
"Ich dachte, ach, irgend so ein Fußballstadion. Ich wusste gar nicht, dass so ein Olympiastadion so eine große Geschichte hat."
Die Warteliste des Berliner Lernzentrums ist lang. Projektleiter Birger Schmidt möchte die Idee weitertragen. Die Stiftung der Deutschen Fußball-Liga will sie auf mehr Standorte ausweiten. Und plötzlich erhält der Begriff "Sportunterricht" eine ganz andere Bedeutung.
Birger Schmidt hat diese Idee umgesetzt. Der Erziehungswissenschaftler hatte fünf Jahre für das British Council gearbeitet, eine internationale Organisation für Bildung und Kultur. Schmidt entwickelte ein Modell von Tony Blair weiter. Der ehemalige britische Premier hatte vor seiner ersten Wahl eine Zusammenarbeit zwischen Fußballklubs und Schulen angeschoben. Inzwischen haben 71 englische Vereine ein eigenes Lernzentrum. In Deutschland wurde das Konzept erstmals 2009 in Dortmund verwirklicht. Inzwischen existieren zwölf Standorte, gefördert werden sie von der Robert-Bosch-Stiftung und den Fanprojekten. Birger Schmidt erläutert den Erfolg:
"Also es sind so spielerische Geschichten, in denen man wirklich über Methoden den Schülern etwas vermittelt, ohne das sie eigentlich merken, dass sie lernen. Es ist nämlich so, dass wir diesen außergewöhnlichen Lernort in den Mittelpunkt stellen und sie auch sie eben rausnehmen aus diesem schulischen Alltag. Es gibt kein Frontalunterricht, wir machen viele spielerische Einheiten und kooperative Übungen."
Zu Gast am Olympiastadion sind Hauptschulen und Förderschulen, in dieser Woche ist es das Oberstufenzentrum Steglitz. Die künftigen Maler und Lackierer lernen sich im Fußball von einer anderen Seite kennen. Einige hatten Probleme während der Schulzeit. Schlechte Noten, fehlende Motivation, die Suche nach einer Perspektive. Das Lernzentrum reißt sich nun aus der Lethargie. Projektleiter Birger Schmidt schildert einen Unterricht zwischen Trainingsplatz, VIP-Loge und Spielerparkplatz:
"Hertha BSC hat im letzten Spiel 45.600 Zuschauer gehabt und jetzt 54.800 gegen Osnabrück, wie war der prozentuale Unterschied? Oder wir machen eine Kunstunterricht-Einheit und sagen: Entwirf das nächste Auswärtstrikot von Hertha BSC. Es wird ein Blick geworfen auf die Nationalmannschaft von 2010 und dann die Frage gestellt: wo kommen eigentlich Leute wie Khedira, Özil oder Podolski her. Wo fängt bei dir das Deutschsein an?"
Mathematik, Kunst, Integration - und Geschichte. Das Olympiastadion war Schauplatz der Olympischen Spiele 1936, der Propaganda-Show von Adolf Hitler. Die Architektur des Geländes erleichtert den Zugang zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Der Historiker Patrick Klein ist Referent des Fußball-Lernzentrums und begleitet die Auszubildenden auf ihrem Rundgang. Er erlebt eine konzentrierte Gruppe:
"Wir versuchen durch die nationalsozialistische Ästhetik in der Kunst und durch die nationalsozialistische Symbolik am Bau die deutsche Vergangenheit aufzuarbeiten, insbesondere dabei die Instrumentalisierung des Sports, die Instrumentalisierung der Jugend."
Eine Woche dauert das Projekt am Olympiastadion. Schüler diskutieren über Ernährung, Mobbing im Internet, Sexismus - und immer wieder über Fußball.
Das Lernzentrum ermöglicht den Gruppen Treffen mit Spielern und Mitarbeitern von Hertha BSC. Sie lernen die Jugendakademie oder die Pressestelle kennen. Der Verein stellt seine Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung. Das sei selbstverständlich, sagt der Fan-Beauftragte Donato Melillo:
"Das ist einfach eine Entwicklung, die der Verein gemacht hat. Der Verein ist gewachsen und ist sich seiner sozialen Verantwortung einfach bewusst geworden. Bewusst geworden, wie wir halt die Möglichkeit haben, mit unserem Namen einfach was Gutes zu tun und den Leuten was zu geben. Und wir haben halt gemerkt, dass für die Schüler ist es unheimlich motivierend, hier bei uns auf dem Gelände zu sein. Die erleben einen ganz anderen Alltag."
Die Atmosphäre im Lernzentrum ist gelassen. Niemand fürchtet sich vor einer überraschenden Klausur, Benotungen gibt es nicht, die Lehrer verfolgen das Geschehen aus der Distanz. Am Olympiastadion sprechen Schüler miteinander, die sich sonst im Klassenraum keines Blickes würdigen. Ihr Zusammenhalt wächst, sagen sie:
"Ich denke mal, die Klasse wächst eher zusammen, habe ich das Gefühl."
"Macht Spaß hier zu sein. Ich habe meine Kollegen besser kennengelernt, weil sie sich auch anders verhalten haben und gegenüber."
"Ich dachte, ach, irgend so ein Fußballstadion. Ich wusste gar nicht, dass so ein Olympiastadion so eine große Geschichte hat."
Die Warteliste des Berliner Lernzentrums ist lang. Projektleiter Birger Schmidt möchte die Idee weitertragen. Die Stiftung der Deutschen Fußball-Liga will sie auf mehr Standorte ausweiten. Und plötzlich erhält der Begriff "Sportunterricht" eine ganz andere Bedeutung.